Duisburg. .

Bernd Clasen führt die Duisburger Fahnenfabrik. Sie produziert bis zu 15.000 Fahnen je Jahr - und setzt dabei auf althergebrachte Werte.

Bernd Clasen trägt den ganzen Arbeitstag lang ein Maßband mit sich herum. Es hängt um seinen Hals wie ein Stück Schmuck. An dem Maßband lassen sich auch die Werte ablesen, für die Clasen steht: Präzision, Zuverlässigkeit und das Maßhalten in vielerlei Hinsicht.

„Die elektrischen Messer sind mir nicht genau genug“, sagt Clasen, während er mit einer Schere Meter für Meter Fahnenstoffe auf dem Zuschneidetisch durchtrennt. Die Farben der Länder Griechenland, Saudi-Arabien und Türkei ziehen an ihm vorüber.

Elektrische Messer sind ihm zu ungenau

Clasen ist Inhaber der Duisburger Fahnenfabrik. Die Firma wurde 1893 vom Bruder seines Großvaters gegründet und ist heute im eigentlichen Sinne keine Fabrik mehr, sondern ein eher kleiner Handwerksbetrieb. Von außen sieht die Firmenzentrale in Duisburg-Hüttenheim wie ein Wohnhaus aus. 1983 ist Clasen in den Betrieb eingestiegen. Heute beschäftigt der 47-Jährige zehn Mitarbeiter. 12.000 bis 15.000 Fahnen im Jahr produzieren sie.

Dass zur Fußball-Weltmeisterschaft wieder Flagge gezeigt wurde, sei ein „schönes Zusatzgeschäft“ gewesen, sagt Clasen. Doch eine WM allein würde die unternehmerische Existenz nicht sichern. Im Alltag beliefert das Familienunternehmen Vereine, Hotels, Behörden, die NRW-Staatskanzlei, Konzerne und Mittelständler aus unterschiedlichen Branchen. Gelegentlich kommen Privatleute ins Geschäft und geben eine Maßanfertigung in Auftrag. Es sind zum Beispiel Ehepaare, die gerne eine Fahne hätten, die ihr Hochzeitsfoto zeigt. Kürzlich habe sich ein Mann eine Flagge mit dem Bild seines verstorbenen Hundes gewünscht. Durch den Digitaldruck ist es einfacher geworden, solche Aufträge zu erledigen.

Handarbeit spielt noch immer eine große Rolle

Zur Firmentradition gehört die Fertigung von Messgewändern, Schützenfahnen und Wappen für Familien, Fußballvereine oder Kegelclubs. Zwar war die Handarbeit vor einigen Jahrzehnten noch wichtiger als heute, aber sie spielt nach wie vor eine große Rolle für die Firma Clasen. So sind zum Beispiel die sogenannten Applikationen, die sich auf Fahnen befinden, reine Handarbeit.

Nicht nur traditionelle Produktionstechniken, sondern auch althergebrachte Werte will Clasen über die Zeit retten. Er legt Wert darauf, dass seine Firma eine „Offene Handelsgesellschaft“ ist. Die OHG gilt als Fossil unter den Rechtsformen, da die Firmeneigentümer stets uneingeschränkt mit ihrem eigenen Vermögen haften müssen.

Arbeitsplätze halten und schaffen – vor Ort

Die OHG ist für Clasen eine Frage der Haltung. „Sachen, die ich einkaufe, bezahle ich auch. Dafür stehe ich gerade“, sagt er. Clasen ist empört über Fehlentwicklungen während der Wirtschaftskrise. „Leute, die schlecht gearbeitet haben, bekommen riesige Abfindungen“, schimpft er. „Wenn ich schlecht arbeite, verdiene ich wenig Geld. Wenn ich gut arbeite, verdiene ich mehr Geld.“ Doch an manchen Stellen der Wirtschaft seien Prinzipien der Leistung außer Kraft gesetzt worden. Clasen gehört zu jener Sorte Unternehmer, die gewissenhaft Geld zurücklegen, „damit man auch schlechte Zeiten übersteht“. Bei vielen Mittelständlern registriere er eine solche Mentalität. „Und die Großen laufen zum Staat und sagen: Hilf uns, sonst sind die Arbeitsplätze weg.“

Einfacher ist es in den vergangenen Jahren nicht geworden, am Standort Deutschland Fahnen zu fertigen. Billigprodukte aus Asien machen Betrieben wie der Duisburger Fahnenfabrik zu schaffen. „Wir haben mit Dumping-Löhnen zu kämpfen“, sagt Clasen. „Mit zehn Cent als Stundenlohn können wir nicht konkurrieren.“ Ihm sei es wichtig, vor Ort Arbeitsplätze zu halten und zu schaffen.

Aber die große Frage laute: „Wie lange können wir uns es noch leisten, in Deutschland zu produzieren?“ Nur wenn Qualitätsarbeit von den Kunden wertgeschätzt werde, könne ein Betrieb wie die Duisburger Fahnenfabrik überleben. Clasen zeigt sich illusionslos. „Es sind ja schon viele Handwerker ausgestorben“, sagt er. Clasen jedenfalls will weiter auf die Werte setzen, die sich an seinem Maßband ablesen lassen sich: Präzision, Zuverlässigkeit und das Maßhalten in vielerlei Hinsicht.