Die Hitze am Niederrhein ist so groß, dass sich die Bäume hinter Häusern im Schatten verstecken - diese Feiglinge. Nachts fallen die Mücken ein und wenn Kinder schreien, klagen Ehemänner über „Sonnenbrand auf dem Trommelfell”.

Es ist noch immer schwer, das Wetter vorherzusagen. Ganz einfach kann man zur Zeit jedoch Wetter-Gespräche prophezeien: Auf „Boah, is dat heiß!” folgt garantiert: „Gerade hamwer alle gestöhnt über den
Winter...da dürfen wir jezz nicht meckern.” Ich bestehe darauf, dass ich im Winter NICHT gemeckert habe. Nicht zufällig verbringen wir unsere Strandurlaube in England. Im Herbst. Mein Mann behauptet, dass den Kindern schon ein Fell wächst.

Wenn ich jemals eine wohlhabende Rentnerin sein sollte, werde ich in Nordschottland übersommern. Doch jetzt hänge ich in Baerl fest, dem zweitheißesten Ort Deutschlands, wie der Deutsche Wetterdienst vorige Woche mitteilte: 35,3 Grad! Womöglich haben die Hochöfen von ThyssenKrupp gegenüber was falsch verstanden und schmelzen nicht nur Stahl, sondern auch Anwohner.

Freiwillig Wäsche waschen im kühlen Keller

Unsere Straße ist noch drei Grad heißer. Weil es keine großen Bäume gibt. Die stehen hinter den Häusern, im Schatten, diese Feiglinge. Die Sonne ballert wie eine Riesen-Laserpistole auf die Fassade, der Bürgersteig schlägt Blasen, Laternen biegen sich in der Glut. Hunde werden von Herrchen getragen, damit die Pfötchen nicht leiden. Und wer trägt mich?

„Sommer ist doch toll!”, jubelt meine Familie, während ich freiwillig zehn Maschinen Wäsche erledige, weil im Keller nur 27 Grad herrschen. Unser Haus ist ein Naturwunder. Wenn man abends die Fenster und Türen aufreißt, passiert - nichts! Nach allen Gesetzen der Physik müsste Durchzug entstehen. Aber die heiße Luft muckelt sich bei uns ein. Wir haben weltweit die einzige Raumluft, die sich mit Saugnäpfen an den Wänden festhält.

Ein weiterer Grund für meine Schönwetter-Phobie ist schwarz, steht in der Sonne und glüht mich böse an: mein Auto. Wenn man die Türen öffnet, bekommt man eine Faust aus dicker Luft ins Gesicht. Die Klimanlage? Kann nur die Einstellung „Halsweh“. Acht Mal in der Woche steige ich in den 70-PS-Backofen, um die Kinder zu ihren Sportvereinen zu fahren, wo sie pädagogisch wertvoll schwitzen. Macht ja nichts, wenn ich bei 60 Grad am Steuer verdorre. Eines Tages werden die Kinder strahlend aus ihren Turnhallen kommen, und ich hocke wie ein Wackeldackel, klein, verschrumpelt und debil nickend, auf dem Fahrersitz, vielleicht sind alle Wackeldackel ehemalige Eltern.

Der Luft beim Schwitzen zusehen

Das Schlimmste am Sommer sind die Nächte, die alle so heiß sind wie mein Auto. Die Nächte haben den Vorteil, dass ich nicht schlafen kann, aber irgendwann in Ohnmacht falle, mit Glück in meinem Bett. Genau in diesem Moment merkt meine Familie, dass Sommer doch nicht toll ist. Meine Tochter schreit nachts um zwei nach einer Salbe gegen ihre 34 Mückenstiche, mein Sohn möchte um vier seine Matratze aus dem Hochbett auf den Boden verlegen.

Mein Mann, der sonst stolz den Unterschied zwischen 230 und 240 Hertz an der Stereoanlage heraushört, ist nachts jäh stocktaub. „Sonnenbrand auf dem Trommelfell”, entschuldigt er sich, während ich losrenne. Wenn ich Betten umgebaut und Mückenstiche gekühlt habe, stehe ich hellwach am Fenster und schaue der Luft beim Schwitzen zu. „Tropennächte“ romantisieren Meteorologen so was immer mit professioneller Begeisterung, schon dafür gehört Kachelmann ins Gefängnis.

In den Tropen denken sie übrigens darüber nach, ihre Nächte bald Niederrhein-Nächte zu nennen.


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