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Will Oliver Scheytt Kulturdezernent für das gesamte Ruhrgebiet werden? Der Vorstoß des Chefs der Ruhr 2010 GmbH, die Gesellschaft auch nach dem Kulturhauptstadtjahr als ein Superkulturdezernat für das Ruhrgebiet fortzuführen, sorgt für Ärger.

„In Zeiten, in denen unsere Theater kurz vor dem Exitus stehen, halte ich eine neue Suprastruktur nicht für sinnvoll“, sagte Bochums Kulturdezernent Michael Townsend. Dies sei auch die Ansicht der Dezernenten der anderen Ruhrgebietsstädte.

Auch Heinz-Dieter Klink, Chef des Regionalverbands Ruhr, äußerte sich zu Scheytts Vorschlag eines „erweiterten Gesellschaftsprofils“ eher distanziert. Die Gesellschaft sei „ein großer Laden“: „Ein Kulturdezernent für das Ruhrgebiet macht nur Sinn, wenn er die Finanzierungsgrundlage dafür hat.“

Eine Woche danach möchte Oliver Scheytt, der Chef der Ruhr 2010 GmbH, am liebsten gar nicht darüber reden. Und Heinz-Dieter Klink, der Vorsitzende des Re­gionalverbandes Ruhr (RVR) spricht von ein paar netten Leuten, die sich auf eine Tasse Kaffee getroffen haben. So wie sie das häufiger machten. Doch hinter dem Kränzchen zu viert steckt weitaus mehr. Ging es dabei doch um nicht weniger als die Zukunft der Ruhr 2010 GmbH, um deren Mitarbeiter und selbstverständlich auch um die berufliche Perspektive des ehrgeizigen Scheytt.

Ein internes Papier

Am Montag der vergangenen Woche jedenfalls präsentierte Oliver Scheytt einem kleinen Kreis um RVR-Chef Klink ein internes Papier, in dem er seine Pläne für das Ruhrgebiet nach dem Kulturhauptstadtjahr skizziert. An­ders als geplant will Scheytt die Ruhr 2010 GmbH nämlich nicht abwickeln, sondern sie in eine Art Super-Kulturdezernat für das gesamte Revier verwandeln. In dem Papier heißt es: „Die Ruhr 2010 GmbH wird beauftragt, bis zum 31.12.2011 eine Konzeption vorzulegen, wie die im Rahmen von Ruhr 2010 entwickelten nachhaltigen Strukturen für die Jahre 2011 bis 2020 gesichert und weiter ausgebaut werden können“.

Schachtzeichen nachts über Essen – ein Projekt der Kulturhauptstadt. Foto: Ilja Höpping / WAZ FotoPool
Schachtzeichen nachts über Essen – ein Projekt der Kulturhauptstadt. Foto: Ilja Höpping / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Ziel ist laut Scheytt-Plänen die Entwicklung einer kultur-touristischen Infrastruktur“. Wie unsicher das Terrain ist, auf dem Scheytt sich bewegt, weiß er wohl selbst am besten. Konkurriert er doch nicht nur mit der lange existierenden Ruhrgebiets-Touristik GmbH (RTG), er tritt auch diversen Leuten auf die Füße, wie Dieter Nellen, dem Leiter des RVR-Kulturreferats, sowie den Kulturdezernenten der Ruhrgebietsstädte, die fürchten dürften, Kompetenzen zu verlieren. Dies vor dem Hintergrund, dass RVR und die Städte selbst maßgebliche Geldgeber von Ruhr 2010 sind.

„Ein Kulturdezernent für das Ruhrgebiet macht nur Sinn, wenn er die nötigen Mittel und Ressourcen hat“, kommentiert RVR-Chef Heinz-Dieter Klink. Die Ruhr 2010 sei ein relativ großer Laden mit vielen Leuten, „den es so auf Dauer nicht geben wird“. Dennoch sehe er, dass es in der Gesellschaft gute Leute gebe, von denen „wir einige gerne im Ruhrgebiet halten würden“.

Masterplan Kultur

Dies würde sich mit dem Masterplan Kultur decken, den RVR und Städte entwickelt haben und nun diskutieren. Es geht um die Frage, wie die Kulturlandschaft gestaltet und finanziert werden soll. Und das angesichts einer desolaten Finanzlage. Wer also stellt künftig die Weichen für die Kulturpolitik? Eine kleinere, im RVR eingebettete Einheit oder eine frei schwebende Ruhr 2010 GmbH?

Für Söke Dinkla, die Leiterin des Duisburger Kulturhauptstadt-Büros, ist dies leicht zu beantworten: „Der RVR lässt nicht all zu viel Freiheiten“. Ohne Scheytt, so Dinkla, hätte es die Kulturhauptstadt nicht gegeben. Ein Riesenerfolg, den niemand für möglich gehalten hätte. „Wir wären nicht gut beraten, das verpuffen zu lassen.“

Vertraulichkeit vereinbart

Am Montag vergangener Woche saßen sie beim Kaffee zusammen, Oliver Scheytt, sein 2010-Partner Fritz Pleitgen, Heinz-Dieter Klink und Dieter Nellen, der Leiter des RVR-Kulturreferates. Man hat­te Vertraulichkeit vereinbart, doch nun ist das Papier in der Welt.

Sehr zum Ärger von Oliver Scheytt, der gestern auf Nachfrage be­tonte, dass er und Pleitgen den Vorschlag gemeinsam erarbeitet hätten. Es gebe keinen Dissens zwischen ihnen, auch ge­he es nicht um die Sicherung von Jobs. Scheytt: „Inzwischen wurde mit allen Gesellschaftern der Ruhr 2010 einvernehmlich vereinbart, dass wir bis Herbst ein Konzept für die Zeit nach dem Kulturhauptstadt-Jahr vorlegen.“

Kleine Lösung

Der Initiativkreis Ruhrgebiet (IR) als Gesellschafter und Geldgeber scheint bislang kein Interesse an der Fortführung seines Engagements zu haben. „Wir gehen davon aus, dass wir nach Beendigung der Kulturhauptstadt ausscheiden. Es gibt derzeit keine an­dere Überlegung“, so IR-Geschäftsführer Peter Lampe.

Und auch die Kulturdezernenten der großen Städte be­vorzugten eine kleine Lösung, so Bochums Kulturdezernent Michael Townsend, eine städteübergreifende Kooperation. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen um jeden Cent gerungen wird, in dem die Theater um ihre Existenz fürchten.

Dass Oliver Scheytt, der durchaus geschätzte Ruhr 2010-Chef, auf der Suche nach einem Job für 2012 und folgende ist, versteht sich von selbst. In Kulturkreisen hält sich hartnäckig das Gerücht, er träume von einer Stelle als Kulturdezernent für das Ruhrgebiet. Womöglich öffnet sich für den Sozialdemokraten mit der neuen Düsseldorfer Regierung eine Option. So ist mit dem nahenden Regierungswechsel auch der Posten des Kulturstaatssekretärs vakant.