Ruhrgebiet. Seit Anfang 2024 kämpfen hunderte Familien im Ruhrgebiet gegen Grundwasser, das in ihre Keller dringt. Jetzt gibt es erstmals Hoffnung.
Die vier Pumpen im Keller von Jutta und Andreas Hille laufen jetzt schon über drei Monate. „Die springen alle zwei Stunden an, wir wissen nicht, wie wir das Wasser sonst wegkriegen sollen“, sagt die Duisburgerin: „Sie können gerne gleich mal mitkommen, wir haben Gästegummistiefel. Aber die Keller sehen hier alle so aus.“ Im Keller der Hilles braucht man die Stiefel dann wirklich. Plitsch platsch.
„Hier“ ist in diesem Fall Duisburg-Beeck, wo die Familien in 17 Ein- und Zweifamilienhäusern dagegen kämpfen, dass ständig Wasser in ihren Kellern steht. „Anfangs kam es aus den Wänden, als ob Sie einen Wasserhahn aufhaben“, sagt Dieter Langer (64) und zeigt auf seinem Smartphone ein Video davon. Heftig! Inzwischen sickert das Wasser nur noch, aber immer weiter und weiter. „Der ganze Keller war tapeziert, Holzverkleidung habe ich alles rausgerissen bis zur letzten Fußleiste“, sagt Inge Eickmanns in ihrer ruinierten Kellerbar.
„Es soll ja Fachleute geben, aber hier war keiner“
Und es ist nicht nur in Duisburg-Beeck. In mindestens hunderten Häusern im Ruhrgebiet und darüber hinaus gibt es große Probleme mit Nässe, verzweifeln die Menschen am Grundwasser. Bei manchen hat es schon im Januar wieder aufgehört, bei anderen erst im März angefangen. Fälle gibt es in einem Bogen von Dortmund, längs durch den Kreis Recklinghausen mit Waltrop, Dorsten, Herten, dann über Gelsenkirchen bis zum Westende des Ruhrgebiets: Duisburg, Dinslaken, Voerde, Kamp-Lintfort. Neukirchen Vluyn. Und noch weiter ins Rheinland hinein.
Für die Betroffenen eine anhaltende Katastrophe. „Das Haus ist kalt, es riecht nach Wasser, wir haben Angst vor Schimmel, und Mücken haben wir auch schon“, sagt Jutta Hille. Sie hätten sich an „jeden“ gewandt, sagen die Nachbarn, doch niemand habe sich für zuständig erklärt. „Es soll ja Fachleute geben, aber hier war keiner“, sagen sie.
2023 war schon das nasseste Jahr seit 1931 – und dann kam Dauerregen
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Den Grund für die sickernde Katastrophe kennt die Emschergenossenschaft. „2023 war das nasseste Jahr seit 1931“, sagt ihr Sprecher Ilias Abawi – und das vielleicht auch nur, weil die Regendaten erst seit 1931 aufgezeichnet werden. Jedenfalls kam am Ende des nassen 2023 weiterer Dauer-Dauer-Dauerregen, Januar und Februar hatten auch nur vier Tage ohne Regen, und momentan . . . Lassen wir das. Das damalige Hochwasser der Flüsse hat das unterirdische Wasser zurückgestaut und nicht abfließen lassen, die Böden sind bis heute wassersatt, das Grundwasser steht extrem hoch und dringt in Häuser ein.
„Einfach unterirdisch abpumpen geht nicht, zumal das auch gefährlich sein kann“, sagt Abawi: „Im schlimmsten Fall gerät ein Haus in Schieflage und kann einstürzen.“ Eine flächendeckende Absenkung des Grundwassers müsste genau geplant und Technik und Gebäude dafür gebaut werden – das dauere Jahre.
Gegen Grundwasser aus den Wänden kann man sich nicht versichern
Jahre haben die Menschen aber nicht. „Das kann man einmal stemmen, aber das kann man nicht jedes Jahr stemmen“, so Inge Eickmanns (66). Sie wollte eigentlich ins Haus investieren, neue Dachfenster einbauen lassen, aber „wie sieht denn das Fundament aus? Wie viel Altersvorsorge habe ich noch?“ Denn die Rechtslage sagt: Die Abdichtung der Gebäude ist grundsätzlich die Aufgabe der Eigentümerinnen und Eigentümer. „Wir hatten hier aber noch nie Probleme mit Grundwasser“, sagt Dieter Langer.
Hinzu kommt: Grundwasserschäden sind praktisch nicht versicherbar. Auf der Internet-Seite der Grundeigentümer-Versicherung (GEV) steht unter „Versicherung und Prävention“ ganz viel über Prävention, bevor es dann heißt: „Grundwasserschäden sind nur dann versichert, wenn das Grundwasser das Grundstück überschwemmt und in das Haus eindringt. Dringt das Wasser durch Boden oder Wände zum Beispiel in den Kellerbereich, gibt es meist keinen Versicherungsschutz. Der Schaden wir nicht übernommen.“ Das gilt für die ganze Branche.
In Krefeld stehen ganze Kleingartenanlagen unter Wasser
Es sind auch nicht nur die Keller, obwohl das die meisten Menschen betrifft. In Gelsenkirchen ist eine Straße unterspült, in Rees ein Straßenbau wegen der Grundwasserhöhe abgebrochen worden. In Meerbusch haben sich stehende Gewässer gebildet, in Krefeld stehen ganze, tiefer liegende Kleingartenanlagen unter Wasser, schwimmen Fische über Pflanzbeeten, paddeln Enten an Treibhäusern vorbei.
Wohl als einzige Kommune bisher hat sich die Stadtverwaltung Dinslaken des Problems angenommen. Sie geht allein in dieser kleineren Stadt von 300 Kellern aus, in die Wasser eingedrungen ist, und von Schäden bis zu 50.000 Euro in einzelnen Gebäuden. Messungen haben für Dinslaken ergeben: Der Grundwasserspiegel steht hier einen Meter höher als die „langjährigen Höchststände“.
Dinslaken beantragt, offiziell eine Naturkatastrophe zu erklären
Und so hat Bürgermeisterin Michaela Eislöffel (parteilos) an die Landesregierung geschrieben und den Antrag gestellt, ob das Ereignis „als Naturkatastrophe im Sinne der neuen Soforthilfe-Richtlinie des Landes anerkannt werden kann“. Mit einem Ergebnis ist „frühestens im Sommer zu rechnen“, heißt es jetzt von der Stadt: „Bei einem positiven Bescheid kann anschließend die Soforthilfe beantragt werden“.
Heißt für die Hilles, Dieter Langer, Inge Eickmanns, Cornelia Mrosek und hunderte weitere Menschen: zu warten, zu hoffen und – zu pumpen. „Dann ist mal einige Stunden gut, und dann können Sie wieder pumpen“, sagt ein Betroffener in Neuss. Und ein Mann in Dortmund: „Das Geräusch der Pumpen macht mich wahnsinnig. Genauso wahnsinnig macht mich, wenn sie nicht laufen, weil ich dann denke, sie sind kaputt.“