Essen/Bochum. Uni-Bibliotheken im Ruhrgebiet sperren Tausende alter Bücher für die Ausleihe, weil sie Arsen enthalten können. So groß ist die Gefahr.
Kann das Lesen von alten Büchern die Gesundheit gefährden? Viele Bibliotheken kontrollieren ihre Bestände auf Arsen. Das müssen Sie wissen.
Was ist eigentlich Arsen und wie gefährlich ist es?
Da antwortet das Umweltbundesamt folgendes: Arsen ist ein Halbmetall. Im Periodensystem der Elemente hat es das Symbol As und die Ordnungszahl 33. Für Menschen kann Arsen potenziell gefährlich sein und Krankheiten auslösen. Denn: Arsen ist giftig und krebserregend. Es kann auf verschiedenen Wegen in den Körper gelangen - unter anderem über die Lunge. Arsen kann dann etwa Atemwege, Gefäße und Nerven schädigen und beispielsweise Lungenkrebs auslösen.
Und wie konnte Arsen in Bücher gelangen?
Lange Geschichte, die in der Kurzfassung so geht: 1776 entdeckte der schwedische Apotheker Carl Wilhelm Scheele bei Experimenten einen grünen Farbstoff, der sehr günstig herzustellen war. Dass die Grundsubstanz Arsen enthielt, störte die Menschen damals nicht. Das sogenannte Scheele Grün – auch Schweinfurter Grün genannt – wurde im 19. Jahrhundert gerne genutzt, um Einbände, Deckblätter oder die Ränder der Blätter von Büchern zu verschönern. Erst 1882 gab es erste Verbote beim Einsatz dieser Farbe.
Wie ist man jetzt darauf gekommen, dass die Bücher gefährlich sein könnten?
Erste Hinweise gab es bereits vor einiger Zeit durch Wissenschaftler der dänischen Syddansk Universität. Eigentlich wollten sie mithilfe von Röntgenstrahlen herauszufinden, ob die Einbände der Bücher mit alten lateinischen Texten versehen sind. Dabei entdeckten sie Arsen. Das Kölner Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft untersuchte wenig später ausgewählte Bücher der Universität Köln Bonn und fand ebenfalls Arsen. Ende 2023 gab es deshalb eine Handreichung vom Deutschen Bibliotheksverband, wie man mit solchen Büchern umgehen sollte.
Gibt es denn noch viele Bücher aus dem 19. Jahrhundert in den Uni-Bibliotheken?
An der Ruhruniversität Bochum etwa stehen insgesamt 48.000 Bände aus jener Zeit im Freihandbereich. An der Uni Duisburg-Essen sind es immerhin 18.000, von denen bisher 3500 frei zugänglich waren. Bielefeld zählt 60.000, Münster sogar 100.000 Bücher, die aus dem 19. Jahrhundert stammen.
Und sie sind alle belastet?
Nein. „Wir haben sofort geschaut, sagt Andreas Sprick, stellvertretender Leiter der Universitätsbibliothek Duisburg-Essen. Rund 500 der Bücher hatten einen grünen Einband oder Buschschnitt und wurden aussortiert. „Aber nur weil sie grün sind, müssen sie nicht zwangsläufig belastet sein.“ Schon weil es auch andere Möglichkeiten der Einfärbung gab. Auch in Bielefeld, wo die 60.000 Bände aus der fraglichen Zeit unabhängig von der Farbe erst einmal gesperrt und entfernt wurden, geht man davon aus, dass am Ende weniger als zehn Prozent betroffen sind.
Was unternehmen die Bibliotheken im ersten Schritt?
Sie sperren die verdächtigen Bücher für die Ausleihe, sofern sie bisher überhaupt ausleihbar waren. Die Düsseldorfer Uni-Bibliothek schließt vom 18. bis 22. März dafür sogar die Zentralbibliothek und einige Fachbibliotheken. „Wir werden die 15.000 Bände des 19. Jahrhunderts im Freihandbereich schnellstmöglich sichten, potenziell belastete Bände entfernen und diese für die nachfolgende Testung zunächst einlagern“, sagt Kathrin Kessen, Direktorin der Bibliothek. So eine Testung ist allerdings aufwändig und nicht ganz billig. Experten sprechen von einem Euro pro Buch.
Werden Bücher aus jener Zeit eigentlich noch oft entliehen?
Kommt auf den Studiengang an. An der Uni-Duisburg-Essen waren zum Zeitpunkt der Kontrolle und Sicherung 30 der 18.000 potenziell betroffenen Bücher von 20 Nutzern ausgeliehen. Nur einer hat seine Ausleihen nach Erhalt einer Mitteilung der Uni sofort zurückgebracht.
Wie gefährlich ist das Arsen in den Büchern denn am Ende für den Menschen, der sie nutzt?
Arbeitsmediziner empfehlen, bei der Nutzung der Bücher Handschuhe zu tragen und sich nicht zwischendurch ins Gesicht zu fassen. Dann könne eigentlich nichts passieren. „Ich sehe keine relevante Gefahr“, sagt auch Professor Jan Hengstler, Leiter des Forschungsbereiches Toxikologie am Leibniz Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. Die mögliche Belastung durch das enthaltende Arsen sei bei normaler Nutzung „verschwindend gering“. Bevor es gefährlich werde, müsse man schon den Umschlag ablecken „oder die Seiten essen“.
Müssen die tatsächlich belasteten Bücher eigentlich vernichtet werden?
Nicht zwingend, sagen Experten. Man könne auch die Oberfläche der Bände behandeln, um die giftigen Partikel in ein spezielles Bindemittel einzubetten. Wo der Aufwand zu hoch und nicht im Verhältnis zum Wert oder der Nutzung der Bücher steht, kann dann digitale Technik zum Einsatz kommen. „Natürlich“, sagt Bibliothekar Sprick, „kann man diese Bände auch einscannen.“