Dortmund. Winterzeit, Schlaglochzeit. Warum viele Straßen in NRW in einem so schlechten Zustand sind. Und wie sich das ändern soll.
Dortmund, Stadtteil Deusen. Industriegebiet. Alt sind die Straßen, schwer die LKW, die schon früh am Morgen auf ihnen fahren. Eine Kombination, die Michael Köhler, Pascal Kern und Mümtaz Bilen viel Arbeit beschert. Die drei sind Straßenbauer beim Tiefbauamt Dortmund und zuständig für den Bezirk Eving.
Es gibt angenehmere Jobs an Tagen wie diesen. Ein stürmischer Wind treibt heftigen Regen durch den Stadtteil. Aber alle 50 bis 100 Meter fahren die drei den kleinen Kipper, mit dem sie unterwegs sind, rechts ran, halten und schnappen sich ihr Werkzeug. Vom Firmenparkplatz gegenüber schauen zwei Männer zu, die gerade ihre Autos geparkt haben. „So schlimm war es noch nie“, sagt einer und spricht von „Flickschusterei“. „Mehr Löcher als in einem Schweizer Käse“, pflichtet ihm sein Kollege bei.
Die Stadt hat exakte Zahlen. Genau 11.957 Schlaglöcher sind im vergangenen Jahr im 2060 Kilometer langen Straßennetz der Stadt gemeldet worden. Bis zum 16. Januar dieses Jahres waren es bereits 653 – da hatte der Frost nach wochenlangen Niederschlägen gerade erst eingesetzt. Und dann passierte, was immer passiert bei so einer Wetterlage. Das durch kleine und große Risse in die Straße gesickerte Wasser beginnt zu gefrieren und bringt den Asphalt zum Platzen.
„Da müssen wir im Frühjahr noch einmal ran“
In Dortmund, wie überall im Revier. Die Stadt Essen beseitigt jährlich rund 30.000 Schlaglöcher. In Bochum werden „jeden winterlichen Monat im Mittel etwa 5000 Schlaglöcher verfüllt, beziehungsweise gesichert“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk. „In Spitzenzeiten kam es aber auch schon zu über 12.500 Schlaglöchern im Monat.“ Das geht ins Geld. Bochum spricht für die Wintermonate von 350.000 Euro Personalkosten für die Bearbeitung von Schlaglöchern. Für Material kommen noch einmal 100.000 Euro hinzu.
Zurück nach Deusen. Köhler tritt vorsichtig in eines der vollgelaufenen Schlaglöcher und stellt fest: „Das ist schon mal eine Hausnummer.“ Zügig fegt er das Wasser aus der Straßenvertiefung, dann schippt Bilen sogenannten Kaltasphalt ins Loch. Heißasphalt wäre langlebiger, aber der ist im Winter oft schwierig zu bekommen und in Dortmund kurzzeitig gar nicht zu kriegen, da das Werk, das ihn produziert, ein paar Tage geschlossen hat. Kern zieht die Masse glatt und schüttet noch ein wenig Sand darüber, Köhler stampft das alles fest. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Provisorisch zumindest. „Da müssen wir im Frühjahr noch mal dran“, ist sich das Trio einig.
Bochum: knapp 40.000 Kilometer Kontrollgänge
Nicht nur da. In allen Städten sind städtische Mitarbeiter unterwegs, um die Straßen in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren. In Duisburg gibt es 13 Straßenkontrolleurinnen und -kontrolleure. In Bochum erfassen neun „Kontrollgänger“ Straßenschäden. Je nach Bedeutung und Belastung der Straßen variieren die Kontrollrhythmen zwischen wöchentlich und zweimonatlich. Pro Jahr legen Kontrolleure dabei knapp 40.000 Kilometer zurück. Viele Schäden werden allerdings in allen Städten auch von Bürgern gemeldet – teils auch per spezieller App. „Das hilft uns“, sagt Ralf Zeiler, Bereichsleiter Betrieb/Straße im Tiefbauamt Dortmund.
Ist ein Schlagloch bekannt, heißt es schnell reagieren. „Handelt es sich um eine Gefahrenstelle, wird es in der Regel innerhalb von 48 Stunden beseitigt“, sagt Kathrin Korn von den Wirtschaftsbetrieben Duisburg, „häufig auch deutlich schneller“. Ähnlich lange dauert es auch in anderen Städten. Bis das Loch verfüllt ist, werden Warnschilder aufgestellt oder es gibt ein Tempolimit.
Dortmund startet „Straßenoffensive“
Die Schlaglochprobleme von heute sind die Sünden der Vergangenheit. Viele Straßen sind aus den 1950er und 1960er-Jahren und nie grundlegend erneuert worden. Weil kein Geld da war, manchmal aber auch, weil Anwohner gar nicht bis verhalten protestieren – aus Sorge, die Stadt bitte sie über die Straßenbaubeiträge selbst mit zur Kasse. „Zwei Drittel der Straßen“, bestätigt der Dortmunder Baudezernent Arnulf Rybicki, „sind in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand.“ Das soll sich ändern. „Deshalb starten wir eine Straßenoffensive“, sagt Ralf Zeiler. 25 Millionen Euro sollen sowohl in Anliegerstraßen als auch in stark genutzte Verbindungsstraßen in den Quartieren investiert werden.
Dank einer in den vergangenen Jahren angelegten Datenbank hat das Tiefbauamt genaue Informationen darüber, wie es um einzelne Bereiche bestellt ist. In diese Datenbank ist auch eingeflossen, wie häufig Beschäftigte der Straßenunterhaltungskolonne kurzfristig tiefe Schlaglöcher und andere Gefahren für den Verkehr beseitigen mussten. Dank dieser „Zustandserfassung“ sei es nun einfacher, einmal großflächig zu sanieren, als unzählige Male auszubessern. Zeiler: „Vorbeugen ist besser.“
Schlaglöcher: Tiefbauämtern fehlt es an Personal
Andere Städte dürften mit ähnlichen Vorhaben nachziehen. Zumal sie dabei künftig auch Unterstützung vom Regionalverband Ruhrgebiet (RVR) bekommen können. Der lässt nämlich seit wenigen Tagen mehrere Monate lang rund 14.000 Straßenkilometer im Ruhrgebiet von Kameraautos befahren. Ziel ist es, ein „digitales Abbild des Straßenraums zu schaffen“ und den Kommunen damit einen Gesamtüberblick über den Zustand ihrer Straßen zu geben. Das schone Ressourcen, weil „beispielsweise Ortstermine durch einen Blick in die Befahrungsdaten ersetzt“ werden könnten, heißt es beim RVR.
Ein Problem aber bleibt. „Auch uns fehlt es an Personal“, sagt Zeiger. „Wir suchen dringend Straßenbauer.“ Das Trio aus Dortmund Deusen fürchtet dann auch keine Langeweile. „Uns wird die Arbeit so schnell nicht ausgehen.“