Düsseldorf. Vom Jacobsweg ins Abenteuerland. Wie Erfolgsproduzent Martin Flohr das Pur-Musical in Düsseldorf auf die Bühne gebracht hat
Er war mal Praktikant am Broadway. Mittlerweile ist Martin Flohr einer der erfolgreichsten deutschen Musical-Produzenten. Ohne ihn würde es das derzeit in Düsseldorf laufende Pur-Musical „Abenteuerland“ nicht geben. Inzwischen ist die Show bis weit in den Sommer hinein verlängert worden.
Martin Flohr kennt die Welt. War oft in den USA, in Asien und kreuz und quer in Europa ohnehin. Seit gut einem halben Jahr ist ein Land hinzugekommen, das er nie zuvor besucht hat. Das Abenteuerland. Seit Oktober 2023 läuft das gleichnamige Pur-Musical in Düsseldorf im Capitol-Theater und lockt derzeit mit den Songs der Band „Pur“ jede Woche Tausende Besucher. Doch der Weg dorthin war lang.
„Der kleine Horrorladen“ stellte die Weichen
Und wahrscheinlich brauchte es einen wie Flohr, um ihn zu gehen. Einen, der weiß, dass er zum Musical will, seit er mit elf Jahren „Der kleine Horrorladen“ gesehen hat. „Das hat mich sofort gepackt.“ Und es hat ihn nicht mehr losgelassen. Er lernt Klavier, spielt Orgel, doch schon als Teenager macht er sich keine Illusionen. „Ich kann nicht singen, ich kann nicht tanzen. Zumindest nicht so, dass es für die Bühne reichen würde.“
Aber da will er auch gar nicht hin. Er will hinter die Kulissen. „Zu erleben, wie die Technik funktioniert, wie Gewerke Hand in Hand arbeiten, das hat mich schon ganz früh fasziniert.“ Um zu erfahren, wie er dort hinkommen kann, ruft er nach dem Abi kurzerhand Marek Lieberberg an, einen der größten deutschen Konzert- und Eventveranstalter. „Studiere erstmal BWL“, sagt der. „Das kann nie schaden.“
„Meine Miete war höher als meine Gehalt“
In Regensburg setzt Flohr den Ratschlag um, findet das Studium „schrecklich“, macht trotzdem Prädikats-Examen. Um sich dann als Praktikant am Broadway zu bewerben. Ganz unten fängt er an in New York. Ein Laufbursche, der Junge für alles. Kaffee holen, den Chef fahren - was so anfällt. Bei „Stomp“ und für „Richard O‘Brien‘s Rocky Horror Show“. „Meine Miete war höher als mein Gehalt“, erinnert sich Flohr. Aber er hält durch, fällt auf und die Treppe hoch. Als „Stomp“ auf Tour geht, geht er mit. Als Requisiteur. „Ein Job ganz am Ende der Kette“, sagt er. Aber als in Japan der Tourmanager plötzlich hinschmeißt, bieten sie Martin den Job ab. „Du bist doch Deutscher, Deutsche können gut organisieren.“ Flohr sagt zu und „von da an habe ich die nächste Zeit recht wenig geschlafen“.
Ein paar Jahre geht es rund um die Welt. Leben aus dem Koffer, heute hier, morgen da und auch ganz ordentlich bezahlt. „Eine tolle Zeit“, erinnert sich Flohr. Trotzdem zieht es den Hildesheimer wieder in die Heimat. 2006 heuert er beim Veranstalter und Produzenten BB-Promotion an und betreut dort zunächst Eigenproduktionen wie die West Side Story sowie internationale Gastspiele wie Cats, Evita, Porgy & Bess oder Disneys Die Schöne und das Biest. 2014 wird er Künstlerischer Direktor und ausführender Produzent, ist unter anderem verantwortlich für „We Will Rock You“, „Bodyguard – das Musical“ oder „Carmen La Cubana“. Mit der 20er-Jahre Revue „Berlin Berlin“ feiert er seine erste Weltpremiere. Irgendwann muss er Zwangsurlaub nehmen. „Zu viele Urlaubstage, die zu verfallen drohten.“
Mit dem iPod auf dem Jacobsweg
Um sie abzubauen, entschließt sich Flohr, den Jakobsweg zu gehen. Nicht, weil er Gott verloren hätte oder sich selbst finden wollte. „Ich wollte mich der Herausforderung stellen, ob ich mich zwei Wochen mit mir selbst beschäftigen kann, ohne mich zu langweilen.“ 350 Kilometer geht er in elf Tagen - in den Ohren die Kopfhörer seines randvollen iPods. „Da war alles Mögliche drauf“, sagt er. Highway To Hell, aber auch viele Songs von Pur. „Da habe ich die Idee zum Musical gehabt.“ Nicht mit AC/DC, sondern mit Pur. „Das war die erste Band, die ich mit 17 live in einem Konzert gesehen habe.“ Das prägt.
Flohr will aber trotzdem kein Musical über die Gruppe machen. Er will mit Liedern aus dem riesigen Repertoire der Band eine Geschichte erzählen, die er aus den Songtexten herausgefiltert hat. 2018 hat er 30 Lieder ausgewählt und auch das Gerüst für die Story steht. Er nimmt Kontakt zum Management der Band auf. Man vereinbart ein Treffen mit Lead-Sänger Hartmut Engler. Nie wird Flohr die Tage davor vergessen. „Ich habe nächtelang nicht geschlafen. Das ist ja ein Lebenswerk, an das wir uns wagen wollten.“
Doch die Sorgen sind unbegründet. Im Gegenteil. Flohr erzählt seine Idee, umreißt die Geschichte, präsentiert seine Songauswahl. Am Ende liegen er und Engler sich erst weinend in den Armen, dann köpfen sie gemeinsam eine Flasche Schampus. „Wir wussten, wir gehen auf eine sehr emotionale Reise.“
Sie feilen an der Geschichte, lassen einige Songs neu arrangieren, suchen die passende Besetzung für ihre Figuren. Am 22. Oktober vergangenen Jahres sind sie – stark verzögert durch die Pandemie - im Ziel. Da feiert Abenteuerland Weltpremiere in Düsseldorf. Mehr als 150.000 Menschen sind seitdem mit dabei gewesen oder haben sich bereits angekündigt, sodass die Show in eine erste Verlängerung geht. Statt wie ursprünglich bis März dieses Jahres, läuft sie nun bis zum 23. Juni 2024.
Vielleicht geht es sogar noch länger. Denn Flohr ist es mit seiner Idee gelungen, nicht nur Pur-Fans ins Capitol Theater zu bringen, sondern auch das klassische Musical- und Theater-Publikum, das die Band zuvor nur oberflächlich kannte. Sie würden sich „reinsaugen“ lassen in die Story, hat er festgestellt, weil sich die Songs, vor allem aber Englers Texte so anfühlen würden, als seien sie für das Musical geschrieben worden. „Und genau das“, sagt der Produzent, „war es, was wir immer erreichen wollten.“
Tickets ab 49,95 Euro unter www.abenteuerland-musical.com