Herne. Ein Weihnachtsmenü für sechs Euro pro Person – ist das möglich? Aber ja, das beweisen Feinschmecker-Köche beim Aldi-Einkauf.

„36 Euro? Für eine Person oder für alle“, fragt der Autor dieser Geschichte. „Für alle sechs“, antwortet Gudrun Kroll. Pro Gast sind das sechs Euro für drei Gänge: Damit hatte der Autor wirklich nicht gerechnet, als wir in der Elsässer Stube in Herne anfragten, ob die Krolls sich vorstellen könnten, ein Weihnachtsmenü vom Discounter zu kreieren. Gudrun und Herbert Kroll, muss man dazu sagen, sind „seit Jahrzehnten eine Säule der gehobenen Küche des Ruhrgebiets“, so hat es unser Gastrokritiker mal ausgedrückt. Sie haben die Herausforderung angenommen: mit günstigen, aber guten Zutaten etwas Leckeres zu zaubern.

Jetzt sind wir mal gespannt? „Einen Salat mit Avocado und Räucherlachs“ gibt es vorab, erklärt Gudrun Kroll. Dann das Hauptgericht: „eine Tartiflette – das ist ein Klassiker der französischen Küche. Ein Kartoffelauflauf mit Speck, überbacken mit Käse.“ Und schließlich: „eine Mascarpone-Creme mit Spekulatius-Crumble“ – passend zur Weihnachtszeit. Zu dritt haben sie in der Elsässer Stube an diesen Ideen getüftelt, bevor wir uns in einem Herner Aldi-Markt treffen. „Es wäre zum Beispiel auch ,Hachis Parmentier‘ denkbar gewesen, ein französischer Hackfleischauflauf“, sagt Sous Chef Carsten Kaluzny, der Stellvertreter von Küchenchef Herbert Kroll. Im Grunde handelt es sich dabei um Bolognese-Sauce an Kartoffeln, aber Fleisch ist ein Kostentreiber.

Die Teuerung der Lebensmittel ist natürlich der ernste Hintergrund, der dieses „Weihnachtsmenü vom Discounter“ notwendig macht. Um 27 Prozent sind die Preise für Zutaten typischer Weihnachtsgerichte gestiegen im Zweijahresvergleich. Das hat die Verbraucherzentrale vor ein paar Tagen ausgerechnet. anhand eines Warenkorbs, der Rinderroulade mit Klößen, Raclette oder die klassische Weihnachtgans enthielt. Bei einigen Zutaten ist die Kostenexplosion besonders heftig ausgefallen: Zucker plus 75 Prozent. Weizenmehl plus 70 Prozent.

Das Menü ist politisch

Mieten, Heizung, Strom, so ziemlich alles hat sich verteuert. Und angesichts dieses Gesamtbildes kann sich längst nicht mehr jeder noch einen Kartoffelsalat leisten. Über 600.000 Menschen in NRW allein nehmen die Hilfe der Tafel in Anspruch und stehen dort um Lebensmittelspenden an; das sind mehr als drei Menschen aus hundert. Ihre Zahl hat sich fast verdoppelt, seit Russland die Ukraine angriff und damit die Inflationsspirale in Gang setzte. Das Weihnachtsmenü – dieses Jahr ist es ein Stück weit politisch.

Das wissen und spüren natürlich auch die Krolls. Sie haben die Aufgabe ernst genommen. Welche teuren Zutaten kann man ersetzen? Im Restaurant steht Tartiflette nicht auf der Karte, aber Herbert Kroll würde es sicher mit einem würzigen Munster-Käse aus dem Elsass überbacken, oder mit einem Reblochon aus der Region Savoyen. Der Raclette-Käse von Aldi hat aber auch schon einen kräftigen Geschmack. Und ja, das Honig-Senf-Dressing würde er natürlich aus eben diesen Zutaten plus Öl abschmecken. Aber damit man die nicht einzeln kaufen muss, geht der Küchenchef den Kompromiss eines Fertigprodukts ein: 99 Cent das Fläschchen. „Schmeckt tatsächlich gut.“ Und auch der Salat kommt aus der Tüte, einfach damit man nicht verschiedene Sorten kaufen muss. „Nehmen wir den mit Radicchio.“

Gudrun Kroll prüft die Avocados. „Man kann natürlich nicht die harten kaufen, kurz vor dem Fest.“ Die vorgereiften müssen es also sein für 1,59 das Stück. Das ist in der Liste neben dem Lachs der größte Kostenfaktor. Vielleicht findet man im Angebot auch günstigere. Und der Lachs? Zum Rezept passt der gezüchtete besser als der Wildlachs. Auch bei den Schinkenwürfeln ist Herbert Kroll entspannt. Seine Frau wirft ein: „Auf jeden Fall nicht solche Fettreduzierten.“

Der Raclette-Käse soll es sein, um die Tartiflette zu überbacken: Sous Chef Carsten Kaluzny zusammen mit Herbert und Gudrun Kroll von der Elsässer Stube in Herne.
Der Raclette-Käse soll es sein, um die Tartiflette zu überbacken: Sous Chef Carsten Kaluzny zusammen mit Herbert und Gudrun Kroll von der Elsässer Stube in Herne. © Lars Heidrich

Auf unserem Einkaufszettel stehen schließlich 36,03 Euro. Das ist sogar weniger als das, was Aldi selbst inseriert hatte für ein Drei-Gänge-Festessen. Tiefkühlente, Apfelrotkohl aus dem Beutel, Knödel, Crème Brûlée und Wein summieren sich auf knapp unter 15 Euro, davon werden vermutlich zwei Personen satt, auch wenn jeder dann nur 160 Gramm Fleisch bekommt. Hier gibt‘s Fleisch, dort Salat, Vergleiche sind schwierig. Der Wein ist aber ein guter Hinweis. Welcher darf‘s sein? Zum Kochen gern den Chardonnay vom Gardasee für 2,29 Euro. Zum Essen wäre der auch zu empfehlen, auch ein Riesling oder ein Roter wären denkbar. Nur der Rest, der nicht in die Tartiflette fließt, „den sollte man schon beim Kochen verköstigen“, rät Carsten Kaluzny.

Die Vorspeise: Avocado-Salat mit Räucherlachs

Rezept für 6 Personen.

Zutaten

• Wintersalate (Packung)
• 3 Avocados
• 300 g Räucherlachs
• Honig-Senf-Dressing
• Salz
• Pfeffer

Zubereitung

1. Wintersalat aus der Packung auf 6 Teller verteilen.

2. Avocados schälen und in Scheiben schneiden. Je ½ Avocado auf dem Salat anrichten und Salatdressing darüber geben.

3. Räucherlachsscheiben anlegen und servieren. Wenn man den Lachs etwas eindreht, sieht es netter aus.

Das Hauptgericht: Tartiflette

Tartiflette ist ein französischer Kartoffelauflauf mit Speck und Käse. Rezept für 6 Personen.

Zutaten

• 1500 g Kartoffeln (vorwiegend festkochend)
• 400-500 g Bacon (gewürfelt)
• 4 Schalotten
• 300 ml Weißwein
• 400 g Raclette-Käse
• 400 ml Crème fraîche
• Salz
• Pfeffer

Zubereitung

1. Kartoffeln waschen und mit Schale in Salzwasser ca. 15-20 Minuten kochen, dann pellen und in Scheiben schneiden. Wenn man sie vorher abkühlen lässt, geht das leichter.

2. Bacon in einer Pfanne knusprig anbraten, Schalotten schälen und in feine Ringe schneiden, mit dem Bacon zusammen dünsten lassen, bis sie glasig werden. (Es muss nicht „Bacon“ auf der Packung stehen. Speck meint das gleiche, Schinkenwürfel sind weniger fettig, aber auch gut geeignet.)

3. Backofen auf 200 °C Ober- und Unterhitze vorheizen. Auflaufform einfetten und mit Kartoffeln auslegen, darauf Schalotten und Bacon streuen, leicht salzen und pfeffern und mit weiteren Schichten fortfahren, bis alle Zutaten aufgebraucht sind.

4. Den Weißwein und die Crème fraîche mischen und darüber gießen. Käse in Scheiben schneiden und den Auflauf damit bedecken.

5. Tartiflette im Backofen ca. 25 Minuten backen, bis der Käse geschmolzen und goldbraun ist.

Das Dessert: Mascarpone-Creme mit Spekulatius-Crumble

Rezept für 6 Personen.

Zutaten

• 150-200 g Spekulatius
• 250 g Magerquark
• 500 g Mascarpone
• 3 Päckchen Vanillezucker
• 50 g Zucker
• etwas Butter
• optional: ein Schuss Amaretto
• 6 Wassergläser oder Tumbler

Zubereitung

1. Sechs Kekse für die Dekoration beiseitelegen. Den Rest Spekulatius klein bröseln (evtl. mit Mixer, er soll aber noch Krümelstruktur haben).

2. Mascarpone und Quark mit Vanillezucker und Zucker verrühren.

3. Spekulatiuskrümel mit etwas Butter (und evtl. Amaretto) mischen und den Boden der Gläser damit bedecken und feststoßen.

4. Creme bis zur Hälfte einfüllen. Mit einem Spritzbeutel, falls vorhanden, geht das einfacher.

5. Noch eine Schicht Spekulatius einbröseln. Darauf Creme schichten.

6. Mit einem Spekulatius dekorieren.

7. Bis zum Verzehr kalt stellen.