Bedburg-Hau. In Till-Moyland am Niederrhein drohten auch in der letzten Gaststätte die Zapfhähne zu versiegen. Eine Bürgerstiftung rettete die Dorfschmiede.
An einem Holztisch kloppt eine Männerrunde Skat. Im Thekenbereich sitzen zwei weitere Gäste auf Barhockern und diskutieren über die Fußball-Bundesliga. Barrie van Eck zapft derweil Bier. Ein Pils und ein Alt bringt der Wirt in einen Raum, in dem Friedhelm Haagen und Willy Goebels sitzen. Die beiden Männer sind Stammgäste in der Gaststätte „Zur Dorfschmiede“, die im niederrheinischen Örtchen Till-Moyland liegt. Haagen und Goebels haben auch einen großen Beitrag geleistet, dass es in ihrem Dorf weiterhin einen Treffpunkt gibt für Skatrunden, Stammtische, Kegelklubs, Karnevalisten oder Schützen.
Rund 850 Einwohner leben in Till-Moyland, einem Ortsteil der Gemeinde Bedburg-Hau. Einst befanden sich im Dorf acht Kneipen. Eine nach der anderen machte dicht. Wer ein Feierabendbier trinken wollte, ging deshalb in die Dorfschmiede. Doch auch dort drohten die Zapfhähne zu versiegen. Um die Schließung einer traditionsreichen Gaststätte zu verhindern, gründete sich die Bürgerstiftung Till-Moyland.
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Das Vereinsleben vor Ort fördern
Die Mitglieder hatten das Ziel, das Vereinsleben vor Ort zu fördern. Und dafür brauchten sie eine Kneipe. Willy Goebels kaufte 2015 die Gaststätte und brachte sie als Vermögen in die Stiftung mit ein. „Wir haben ansonsten im Dorf nur einen Briefkasten, eine Bushaltestelle, eine Kirche ohne Pastor und eine Feuerwehr“, erklärt der 82-Jährige. „Ohne Kneipe würde das soziale Leben zum Erliegen kommen.“
Goebels war froh, dass der langjährige Wirt die Dorfschmiede als Pächter weiterführen konnte. Als dieser aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten musste, war Kreativität gefragt. Ab 2020 betrieb die Bürgerstiftung die Kneipe in Eigenregie und nutzte die coronabedingte Pause für eine Kernsanierung. Die Till-Moyländer rissen Tapeten ab, legten neue Versorgungsleitungen, schliffen Treppengeländer und strichen Wände an. „Vom Internisten bis zum Verwaltungsfachangestellten hat jeder mit angepackt“, erzählt Friedhelm Haagen. „Das Projekt hat die Dorfgemeinschaft auf jeden Fall gestärkt.“ Sponsoren unterstützen das ehrenamtliche Team.
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Die Kneipe wird gut angenommen
Im Sommer 2021 konnte die Gaststätte wieder öffnen. Die Bürgerstiftung stellte zunächst das Personal. Auch Friedhelm Haagen griff zum Tablett und bediente die Gäste im Innenbereich und im Biergarten. „Seitdem habe ich einen großen Respekt vor dem Job des Kellners“, sagt der 71-Jährige. „Die Bestellungen am Ende zuzuordnen, ist gar nicht so einfach.“
Seit dem 1. April 2022 kann Haagen sein Pils wieder als Gast genießen. Damals stellte die Bürgerstiftung Barrie van Eck als neuen Pächter ein. Der Niederländer arbeitete vier Jahrzehnte beim Militär, jetzt bewirtet er Kneipengäste. Langeweile kommt bei ihm nicht auf. Im Sommer ist es manchmal schwierig, im Biergarten noch einen Platz zu bekommen. Zur Dorfschmiede kommen schließlich nicht nur Bürger aus Till-Moyland, sondern auch aus den umliegenden Orten. „An der Gaststätte führen auch schöne Fahrradrouten entlang“, erzählt Willy Goebels. „Deshalb machen hier viele Touristen eine Pause.“
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Dass Kneipen nur Altherren-Treffpunkte sind, können sie in Till-Moyland widerlegen. So hat sich kürzlich ein neuer Kegelklub bei Barrie van Eck angemeldet. Einige Mitglieder sind gerade einmal zehn Jahre jung. Ihnen bringt der Wirt künftig Limo und Eis zur Bahn. „Vermutlich haben wir im Ort einen der jüngsten Kegelklubs am Niederrhein“, sagt Friedhelm Haagen.
Wo die Tanzgarde trainiert
Heute haben viele junge Erwachsene die Gaststätte betreten. Sie gehören zum örtlichen Elferrat und planen die anstehende Karnevals-Session. Johannes Verwayen leitet die Versammlung. Der Vorsitzende ist froh, dass sich die Bürgerstiftung für den Erhalt der Kneipe stark gemacht. „Es wäre ein Desaster für das Dorf, wenn wir so einen Treffpunkt nicht mehr hätten“, sagt der Vorsitzende. Und sein Vorgänger Klaus Elsmann ergänzt: „Unsere Tanzgarde hat so weiterhin einen Ort, an dem sie für Auftritte trainieren kann.“
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Es ist mittlerweile 21 Uhr. Ein Mann aus der Skatrunde hat soeben die Karten ausgegeben. Friedhelm Haagen und Willy Goebels stehen mittlerweile an der Theke. Berrie van Eck nimmt zwei Gläser und zapft seinen Stammgästen ein frisches Bier. Goebels hebt sein Glas und stößt mit seinem Bekannten an. Haagen nimmt einen Schluck und sagt danach mit einem Lächeln: „Schön, dass wir uns hier weiterhin treffen können.“
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