Essen. Rund eine Million Euro Gage dürfte RWE an Robbie Williams zahlen. Ein falsches Signal finden die einen. Andere verteidigen die Entscheidung.
Robbie Williams in Essen! Am Samstag, völlig überraschend, in der Messe Essen. Allerdings handelt es sich nicht um ein normales Konzert, sondern um eine Firmenfeier. Darum gab es keine Werbung, keine Tickets und es werden auch keine Fans campieren. Die Firma, die sich diesen Auftritt eines Weltstars leistet, ist RWE. Ein Unternehmen, an dem viele Städte im Ruhrgebiet Anteile halten – und das in der Energiekrise infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine seine Gewinne verdreifachen konnte. Größter Aktionär ist Katar, ein Staat, der die Hamas mitfinanzieren soll. Die Frage muss also gestellt werden: Ist Robbie Williams das richtige Signal?
Die Gage: Wie viel Geld genau Robbie Williams für seinen Auftritt in Essen bekommt, ist nicht bekannt. Auf einer Feier der Deutsche Vermögensberatung (DVAG) in der Kölner Lanxessarena, zur 425-Jahr-Feier der Hamburger Privatbank Berenberg sowie bei der Abschiedsparty des Deutschland-Chefs der KPMG, eine der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt, soll der Sänger jeweils zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Euro kassiert haben. Bestätigt sind diese Summen nicht. Auch nach einem Bericht der „Luzerner Zeitung“ soll Robbie Williams bei der Abschiedsparty für den Boss von KPMG Deutschland vor 800 geladenen Gästen in der Schweiz aufgetreten sein. Auch hier wird eine Gage von einer Million Euro berichtet.
Robbie Williams bei RWE: „Die Briten sind aus dem Häuschen“
Die Feier: Auch bei der Feier, deren Höhepunkt das Konzert sein soll, wird geklotzt: 100 Meter Thekenbetrieb und 300 Kühlschränke sind dem Vernehmen nach organisiert, 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich um die Bewirtung kümmern. 200 Fässer Bier (10.000 Liter) soll demnach Stauder liefern und einige Dutzend Paletten alkoholfreies Bier. Aber der Strom-Konzern RWE hat eben auch 20.000 Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Und tatsächlich sind auch Beschäftigte aus vielen Ländern eingeladen, um das 125-jährige Bestehen zu feiern. Besonders die britischen Kolleginnen und Kollegen soll die Kunde vom Auftritt ihres Landsmanns elektrisiert haben, war zu hören: „Die sind aus dem Häuschen.“
Die Kritik: „Ich glaube nicht, dass Robbie Williams weiß, welcher Konzern ihn da eingeladen hat“, sagt Markus Dufner. Mit skeptischem Blick schaut der Geschäftsführer des Dachverbands kritischer Aktionäre auf das anstehende Exklusivkonzert des britischen Superstars in Essen. RWE, erklärt Dufner, trage aufgrund seines fossilen Geschäftsmodells zur Klimakrise bei. Der Künstler trage eine gesellschaftliche Verantwortung bei solchen Auftritten. „Ich hoffe, dass sich Robbie Williams zu dem klimafragwürdigen Geschäftsmodell von RWE äußern wird.“
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Feiern in diesem Ausmaß seien bei Unternehmen nicht unüblich, sagt Dufner. „Wenn es darum geht, sich selbst zu feiern, haben die Unternehmen oft das Geld.“ Er fürchtet allerdings, dass die Größe dieser Feierlichkeiten den Unmut gegenüber dem Konzern fördern und dessen Image „weiter negativ beeinflussen kann. Natürlich kann man ein 125-jähriges Bestehen feiern. Das kann man aber auch auf andere Art und Weise tun.“
RWE-Feier mit Robbie Williams: „Kann öffentliche Meinung negativ beeinflussen“
„Viele Menschen werden wohl mit großem Unverständnis reagieren, dass das Unternehmen eine hohe Summe für das Konzert ausgibt“, sagt Dufner – vor allem solche, die nicht wissen, wie sie die nächste Energierechnung bezahlen sollen. Er gibt zu bedenken, dass das Geld auch im Unternehmen an anderer Stelle fehlen könnte: „RWE scheint das aber nicht zu kümmern.“
Dufner würde Robbie Williams gerne einladen, um die Braunkohletagebaue Garzweiler und Hambach anzuschauen. „Weiß Herr Williams, dass in den letzten Jahren mehr als 50.000 Menschen wegen des Tagebaus umgesiedelt wurden und dass von den Kraftwerken gesundheitsgefährdende Emissionen für Millionen Menschen in der Region ausgehen?“
Mega-Firmenfeier von RWE in Essen
Im Umfeld des Unternehmens wird Kritik nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. „Das passt nicht“, ist zu hören. Und: „Das schürt nur den Unmut gegen das Unternehmen.“ Viele Menschen seien ohnehin schlecht auf RWE zu sprechen, angesichts ihrer hohen Energierechnungen. Da sei ein Auftritt von Robbie Williams „eins drüber“.
Eine gediegenere Feier gab es ohnehin schon. Für Ende September hatte RWE-Chef Markus Krebber in Berlin in den „Hamburger Bahnhof“ eingeladen, eine bekannte Adresse in der Hauptstadt. Als Festredner zu Gast: Finanzminister Christian Lindner (FDP). Das sei angemessen gewesen, urteilt ein Teilnehmer – eine „Fete mit Robbie Williams“ hingegen nicht.
Die Unternehmenssicht: „Diese Dankesveranstaltung für die RWE-Mitarbeiter wird seit vielen Monaten geplant und hat mit weltpolitischen Ereignissen der vergangenen Tage nichts zu tun“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Zu den Kosten der Veranstaltung äußert sich RWE nicht. Rund 10.000 Beschäftigte nehmen den Angaben zufolge voraussichtlich teil. Es handle sich um „ein internes Fest“ – und „eine tolle Gelegenheit für viele der Kolleginnen und Kollegen aus vielen Teilen der Welt, sich in Essen erstmals persönlich zu treffen“.
„Gerade auch in den vergangenen Jahren haben unsere Beschäftigten großartige Arbeit geleistet“, betont ein RWE-Sprecher mit Blick auf die „Dankeschön-Veranstaltung“. „Während der Corona-Krise haben sie allen Widrigkeiten zum Trotz jeden Tag in den Kraftwerken und auf den Anlagen für eine sichere Stromversorgung gesorgt. In der Energiekrise haben sie LNG-Terminals errichtet, Flüssiggas auf den Weltmärkten beschafft und auch zusätzliche Kraftwerksreserven aktiviert, um Gas in der Stromerzeugung einzusparen. Dafür allein wurden rund 1000 Beschäftigte binnen weniger Wochen angestellt – viele von ihnen haben dafür extra ihren Ruhestand unterbrochen, um zu RWE zurückzukehren und in der Energiekrise zu helfen.“
Thomas Kufen: „Ich sehe nichts Kritikwürdiges“
Die Einordnung: Wie groß oder teuer eine Firmenfeier ausfällt, ist natürlich immer eine Frage der Unternehmensgröße, der wirtschaftlichen Stärke und letztlich auch eine Entscheidung des Managements oder der Eigentümer. Vergleichbar große Unternehmen laden zu ähnlichen Anlässen auch Weltstars ein – Robbie Williams zum Beispiel, wie die Liste eingangs zeigt. Die Stadt Essen hält ein großes Aktienpaket am Versorger RWE, Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) sitzt im Aufsichtsrat. Er erklärt knapp: „Ich sehe nichts Kritikwürdiges.“
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Daimler schüttete zu seinem 125. Jubiläum 125 Millionen Euro Prämien an seine Mitarbeiter aus. RWE dagegen hat in diesem Jahr aus gleichem Anlass eine neue Stiftung mit einem Startkapital von 125 Millionen Euro gegründet. Die „RWE Foundation“ soll gemeinnützige Sozial-Projekte fördern.
Dass es auch bescheiden geht, zeigte die Tengelmann-Gruppe, als sie 2017 ihren 150. Geburtstag feierte. Statt Popsängern liefen auf dem Firmengelände in Mülheim Sigmar Gabriel, Armin Laschet und Friedrich Merz auf. Den Festgästen wurde eine Kochshow mit den Kindern der drei Haub-Brüder geboten, denen das Unternehmen gehörte. Und für den musikalischen Rahmen sorgte das Gospelprojekt Ruhr aus Herne. Aus Verbundenheit mit dem Ort, an dem das Familienunternehmen groß geworden ist, schenkte Tengelmann der Stadt Mülheim eine Freilufthalle für Trendsportarten im Wert von 300.000 Euro.
Der andere Stargast: Auch Bundeskanzler Olaf Scholz ist geladen. Bevor die Partynacht mit Robbie Williams beginnt, wird er wohl weiterreisen, so der Plan.
Wo Robbie Williams wohl absteigt?
Das Drumherum: Natürlich wird viel über die Herberge spekuliert, in der der Brite nächtigen wird. Könnte es das Atlantic Hotel direkt neben der Messe sein oder das Sheraton neben der Philharmonie? Offenbar ist es weder das eine noch das andere. Robbie Williams werde wohl außerhalb von Essen logieren.
Wer ist dieser Robbie? Robbie Williams, dessen Karriere mit der Boygroup „Take That“ begonnen hat, hat im Laufe seiner Karriere weltweit mehr als 77 Millionen Tonträger verkauft und ist dafür mit Dutzenden Goldenen und Platin-Schallplatten überhäuft worden. 18 Mal wurde der bekennende Fußballfan mit dem Brit Award ausgezeichnet. In Deutschland erhielt Robbie Williams mehrfach den Echo in der Kategorie „Bester Internationaler Künstler“ oder den „Bambi“ in der Sparte Entertainment. Ein Millionen-Publikum an den Bildschirmen kennt ihn von mehreren Auftritten in Thomas Gottschalks Kult-Show „Wetten, dass..?“
Das Unternehmen: Am 25. April 1898 wurde in Essen die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG als lokales Stadtwerk gegründet. 125 Jahre später sieht sich RWE nicht nur als Deutschlands größter Stromerzeuger, sondern auch eines der führenden Unternehmen für erneuerbare Energien weltweit. RWE-Chef Markus Krebber dreht derzeit ein großes Rad. In Deutschland laufen die Geschäfte rund: Mitten in der Energiekrise hat sein Essener Energiekonzern dank hoher Preise für Strom und Gas satte Gewinne verbucht. Mit einem Staatsfonds aus Katar ist zudem ein neuer Großaktionär eingestiegen, der viel Geld mitgebracht hat. Damit will RWE im Zuge der Übernahme des US-Versorgers Con Edison auf Wachstumskurs in den Vereinigten Staaten gehen.
Der RWE-Konzern gehört zusammen mit Vattenfall, EnBW und Eon zu den großen vier Energieversorgungsunternehmen. Nach dem Start als „Pionier der Industriegesellschaft“ verstehen sich die Essener heute als internationaler Treiber der grünen Energiewende. Eigenen Angaben zufolge investiert das Unternehmen mehr als 50 Milliarden Euro vor allem in Amerika und Europa in erneuerbare Energien und moderne Technologien. Zum Selbstverständnis des Essener Konzerns heißt es auf der Webseite rwe.com: „Wir sind die, die seit 1898 an die Energie von morgen glauben und bis 2040 klimaneutral sind.“ (mit a.b. und tom)