Essen. Mit Dr. Johann Spittler muss sich einer der bekanntesten deutschen Sterbehelfer wohl demnächst vor Gericht verantworten.

Der Vorwurf kommt aus der Rubrik der Schwerverbrechen. Die Essener Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Dr. Johann Spittler erhoben - einen der wohl bekanntesten deutschen Sterbehelfer. Möglicherweise kommt es noch in diesem Jahr zum Prozess. Die Anklage lautet auf Totschlag.

Wie jetzt bekannt geworden ist, hat das Essener Landgericht bereits Ende August einen Haftbefehl gegen Spittler verkündet – auch wegen Widerholungsgefahr. In Untersuchungshaft sitzt der bekannte Psychiater aus Datteln allerdings nicht. Trotzdem könnte es eng werden.

Verbotene Sterbehilfe? Haftbefehl im Gericht verkündet

Der inzwischen 81-jährige Mediziner soll sich selbst gestellt haben, als er erfahren hat, dass ein Haftbefehl in der Welt ist. Die Verkündung fand in Vorführbereich des Essener Landgerichts statt. Dort warten Untersuchungshäftlinge sonst auf ihren Prozess.

Wie das Essener Landgericht auf Anfrage bestätigt hat, ist der Haftbefehl zwar offiziell verkündet, allerdings sofort wieder außer Vollzug gesetzt worden. Die Auflage: Spittler darf keine Sterbehilfe mehr leisten. Das hat der Arzt offenbar auch zugesagt. Daraufhin hat er das Gerichtsgebäudes wieder verlassen können.

Schwer kranker Patient aus Dorsten mit angeblich mehreren Suizidversuchen

Der konkrete Fall geht auf Sommer 2020 zurück. Damals soll Spittler von einem schwer kranken Patienten aus Dorsten kontaktiert worden sein, der angeblich bereits mehrere Suizidversuche hinter sich hatte. Im Beisein der Mutter soll daraufhin ein Bericht zur Entscheidungskompetenz und zur Freiverantwortlichkeit erstellt worden sein. Dabei soll Spittler zu dem Ergebnis gekommen sein, dass der Dorstener uneingeschränkt einsichts- und urteilsfähig ist. Doch genau das ist umstritten.

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Ende August 2020 soll Spittler dem Patienten schließlich einen venösen Zugang gelegt und eine Flüssigkeit mit einem tödlichen Medikament angeschlossen haben. Anschließend soll der Patient das Ventil selbst geöffnet und gestorben sein.

Keine freie Entscheidung aufgrund schizophrenen und depressiven Erkrankung?

Die Staatsanwaltschaft geht allerdings davon aus, dass der Dorstener die Tragweite seiner Entscheidung aufgrund einer akuten schizophrenen und depressiven Erkrankung nicht erkennen konnte. Damit habe er auch nicht frei entscheiden können. Die Anklage der Essener Staatsanwaltschaft ist zwar noch nicht offiziell zugelassen, der dringende Tatverdacht ist bei der Haftbefehlsverkündung aber bereits bejaht worden. Das ist eine der wichtigsten Voraussetzung für die Eröffnung eines Strafverfahrens.

Im Falle einer Verurteilung wegen Totschlags droht Spittler eine Strafe zwischen fünf und 15 Jahren Haft.