Ruhrgebiet. Auch wenn das Wetter aktuell noch mal warm ist, den Sommer beschreiben viele als durchwachsen. Zu recht? Das sagen Wetterexperten.
Die Ferien sind längst vorbei, viele Menschen sind spätestens jetzt aus dem Sommerurlaub zurück. Doch in der ersten Septemberwoche präsentiert sich das Wetter noch einmal hochsommerlich. Täuscht das nur über einen verregneten Sommer hinweg oder war das Wetter gar nicht so schlimm, wie von vielen beschrieben? Die Antwort unterscheidet sich je nach Branche stark. Die WAZ hat sich einmal umgehört, wie Wetterexperten, Gastronomen, Freibadbesitzer und Bauern den Sommer 2023 bewerten.
1. NRW hatte deutschlandweit die wenigsten Sonnenstunden
Im Juni ging es mit dem Sommer gut los, sommerliche Temperaturen und Sonne satt. Doch wer deshalb auf einen sonnenreichen Sommer gehofft hatte, wurde im Juli enttäuscht. Temperaturen, die die 20 Grad-Marke nur selten überschritten, und vor allem Starkregenfälle im Wochentakt bestimmten den Alltag der Menschen in NRW. Das zeigt auch die Bilanz, die der Deutsche Wetterdienst (DWD) kürzlich veröffentlicht hat. In Nordrhein-Westfalen gab es bundesweit die geringste Sonnenscheindauer: 670 Stunden.
Dafür gab es überdurchschnittlich viel Regen: 320 Liter pro Quadratmeter - der langjährige Schnitt von 1961-1990 liegt bei 240 Litern. Doch auch wenn die Sonne in NRW laut den veröffentlichten Werten des DWD vergleichsweise selten zu sehen war, schien sie immer noch deutlich länger als im langjährigen Mittel für das Bundesland (554 Stunden). Die Temperaturen lagen in NRW im Sommer durchschnittlich bei 18,4 Grad - 2,1 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1961-1990.
2. Essener Meteorologe sagt: Das Sommerwetter war normal
Dass in NRW die Sonne in diesem Sommer seltener schien als in allen anderen Bundesländern und es dafür überdurchschnittlich viel regnete, ist unbestritten. „Der Sommer war insgesamt sehr wechselhaft, was aber letztlich zum Wesen eines mitteleuropäischen Sommers dazugehört“, sagte Thomas Kesseler-Lauterkorn, Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Essen, im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur (dpa). Dass der Sommer deshalb zu kalt war, sei aber ein Irrtum, wie der Wetterexperte betont.
Denn auch dieser Sommer war mit durchschnittlich 18,4 Grad Celsius zu warm. Die Temperaturen lagen 2,1 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1961-1990. Doch wie ist es zu erklären, dass die Wahrnehmung in der Bevölkerung und die Einschätzung der Wetterexperten so weit auseinanderliegen? Ganz falsch sei das Gefühl der Menschen laut dem Meteorologen nicht.
Nach einem hochsommerlichen Frühstart mit einem Rekord-Sonnenschein-Juni erlebten die Menschen in NRW ab der zweiten Juli- und Ferienhälfte einen „ungewöhnlich kühlen, trüben und regnerischen Witterungsabschnitt“, erklärt der Experte. „Unser Wettergedächtnis ist kurz“, so Kesseler-Lauterkorn. „Manch einer erinnert sich besser an die heißen und sehr trockenen Sommer der vergangenen Jahre als an die in den Jahrzehnten davor. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren seien Sommer mit großen Schwankungen und wechselhaftem Wetter wie 2023 häufiger gewesen.
3. Wälder profitieren vom Starkregen der letzten Monate
„Die Niederschläge haben den Bäumen gutgetan“, sagt Mathias Niesar. Er ist beim Landesbetrieb Wald und Holz Teamleiter für die Themen Wald- und Klimaschutz. Für die Waldbäume sei insbesondere der Starkregen, den es im Juli und August in NRW häufig gab, wichtig gewesen. „Nur Wasser, dass auch am Boden ankommt, kann der Baum verwerten“, so Niesar. Die Folge: viele und vor allem kräftig gefärbte Blätter. Außerdem könnten sich Fichten, die mit ausreichend Wasser versorgt waren, besser gegen den Borkenkäfer zur Wehr setzen.
4. Freibäder sind die Verlierer des Sommers
„Wir hoffen auf einen warmen und wetterbeständigen August“, hatte ein Sprecher der Wasserwelten Bochum, dem Betreiber der Bochumer Freibäder, noch vor einem Monat gesagt. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Zwar war der August nicht ganz so verregnet wie der Juli, konstantes Sommerwetter gab es aber auch im August nicht. Das macht sich in der Bilanz zu den Besucherzahlen, die die Wasserwelten veröffentlichten, bemerkbar. 79.000 Besucher weniger als im Vorjahr besuchten die vier Freibäder der Stadt – ein Rückgang von knapp 40 Prozent.
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Einer der Gründe, warum sich der Betreiber dafür entschied, das sommerliche Wetter in dieser Woche zu nutzen und die Freibäder in Bochum-Werne und in Hofstede geöffnet zu lassen. Wie die Wasserwelten auf ihrer Webseite bekannt gaben, werde das Freibad in Werne bis einschließlich Freitag, 15. September geöffnet bleiben. In Hofstede ist das Schwimmen unter freiem Himmel noch bis Dienstag, 12. September möglich.
5. Biergärten ziehen durchwachsene Bilanz
„Kein kompletter Reinfall, aber auch nicht richtig gut“ – so beschreibt Mathieu Knepper den Sommer für seinen Biergarten. Der Unternehmer betreibt in Bochum-Wattenscheid den „Kumpeltreff“, direkt neben dem Förderturm der ehemaligen Zeche Holland. Zwischen Juli und August musste der Biergarten aufgrund des Dauerregens fast zwei Wochen komplett geschlossen bleiben. Für Knepper bedeutete das in diesem Zeitraum im Vergleich zum Vorjahr einen Verlust von rund 50 Prozent.
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„Da es den Kumpeltreff auch erst seit knapp zwei Jahren gibt, war das natürlich keine gute Werbung für uns, so viele Tage nicht geöffnet zu haben“, sagt er. Seit zwei Wochen spüre er aber wieder einen deutlichen Besucherzuwachs. Die Besucherzahlen bewegen sich wieder auf dem Niveau vom Juni, als das Wetter schon früh hochsommerlich war. Bis zum 1. November soll der Kumpeltreff auf jeden Fall geöffnet bleiben – mindestens. „Die zwei schlechten Wochen im Juli holen wir nicht mehr auf“, so Knepper. „Aber wenn das Wetter schön bleiben sollte, ist es durchaus denkbar, dass wir den Biergarten in diesem Jahr noch länger geöffnet lassen.“
6. Bauern sprechen von katastrophalem Sommer
Mit 20 Prozent Einbußen bei der Weizenernte hatte Florian Westerhoff in diesem Jahr bereits gerechnet, doch es kam für den Bochumer Bauern noch deutlich schlimmer. „Zwischen 35 und 40 Prozent unserer Ernte haben wir verloren“, sagt er. Weil der Weizen aufgrund des nassen Wetters im Juli noch nicht geerntet werden konnte, sank die Qualität des Getreides so extrem, dass Westerhoff „etliches“ nur noch in der Biogasanlage verbrennen konnte. „Wenn ich den Weizen wenigstens als Schweinefutter hätte verkaufen können, hätte mir das den doppelten Preis eingebracht.“
Sorge bereitet dem Landwirt aber nicht nur die vergangene Ernte, sondern auch schon die kommende. Im Herbst steht die neue Aussaat an. Dafür braucht Westerhoff einen krümeligen, nur noch leicht feuchten Boden. „Momentan ist der Boden so nass, dass er sich wie Knete anfühlt. Wir müssen hoffen, dass wir zumindest mal zwei Wochen gutes Wetter haben, damit der Boden ausreichend trocknen kann.“
7. Unwetter bereiteten Eventbranche Probleme
Wacken, Bochum Total, Cranger Kirmes – sie alle hatten mit den teilweise heftigen Regenschauern zu kämpfen. Während beim Metal-Festival das Gelände so verschlammt war, dass rund 30.000 Besucher gar nicht erst rein durften, drückte das Wetter bei Bochum Total und auf der Cranger Kirmes. Die Stadt Herne vermeldete für die Cranger Kirmes insgesamt rund 3,8 Millionen Besucher. Die magische Grenze von vier Millionen Gästen sei aufgrund des unbeständigen Wetters nicht zu erreichen gewesen, sagte Kirmesdezernent Frank Burbulla.