Dortmund. Bedeutet das Deutschlandticket das Aus für das klassische Semesterticket? Für die Verkehrsverbünde im Revier geht es um Millionen.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der TU Dortmund hat beschlossen, seinen Vertrag über das klassische Semesterticket mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) zu kündigen. Die FH Dortmund hat bereits nachgezogen, andere Asten dürften folgen. Für den VRR geht es um Millionen, für die Studierendenvertretungen im schlimmsten Fall um ihre Existenz.

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Bisher ist es so: Wer in NRW studiert, bekommt in den meisten Fällen automatisch ein Semesterticket. Das ist in den Semesterbeiträgen enthalten und kostet auf den Monat umgerechnet je nach Hochschule zwischen 30 und 40 Euro. Das Ticket gilt NRW-weit im kompletten Nahverkehr. Selbst wer zur Uni läuft oder mit dem Auto zur Vorlesung fährt, muss es zahlen. Solidarmodell nennt sich das Prinzip. Denn nur weil alle rund 750.000 Studenten und Studentinnen im Land verpflichtet sind, ein Ticket zu nehmen, gibt es bisher den günstigen Preis – eine Art Mengenrabatt.

Bessere Erfolgsaussichten vor Gericht

Was es aber in der Vergangenheit auch schon gab, waren Klagen gegen das Zwangsticket. Bisher waren sie erfolglos. Gerichte bestätigten das Solidarmodell, weil ihrer Meinung nach der Nutzen für die Studierenden sehr groß sei.

Sollte es kein Semesterticket megr geben, ist unklar wie viele Studenten auf das Deutschland-Ticket umsteigen.
Sollte es kein Semesterticket megr geben, ist unklar wie viele Studenten auf das Deutschland-Ticket umsteigen. © dpa | Christoph Soeder

Genau das aber könnte sich durch das Deutschlandticket ändern. Das Ticket, mit dem man für rund 12 Euro mehr im Monat in ganz Deutschland fahren könne, stehe in echter Konkurrenz zum Semester-Fahrschein, sagt Sarah Toepfer, Sprecherin des AStA der Technischen Hochschule in Dortmund. Sie fürchtet: „Weil der preisliche Unterschied zwischen beiden Tickets zu gering ist, könnte das Semesterticket anfechtbar sein.“

Eine Befürchtung, die ein vom Landesastentreffen in Auftrag gegebenes Gutachten einer Anwaltskanzlei bestätigt hat. Studierende, heißt es darin, hätten nun vor Gericht deutlich bessere Erfolgsaussichten als bisher. Für die Asten ein Alptraum. Weil sie Vertragspartner der Verkehrsbetriebe sind, müssten sie das Ticketgeld bei einer erfolgreichen Klage an die Studentinnen und Studenten zurückzahlen. Das würde uns, warnen die Asten, „finanziell ruinieren“.

„Deshalb hat das Studierendenparlament einstimmig für die Kündigung des Semestertickets gestimmt“, bestätigt Toepfer. Am Donnerstag ist sie herausgegangen. Ab dem Wintersemester 2024/25 wird es dann – Stand jetzt – kein Semesterticket mehr geben. Das wollen wir eigentlich gar nicht“, sagt die Sprecherin. „Aber wir müssen zeigen, dass wir es ernst meinen.“ Die Kündigung solle als Druckmittel dienen, „damit der VRR, das Land NRW und der Bund endlich handeln“.

„Ziel bleibt bezahlbares Bus- und Bahnfahren“

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Bisher haben sie das anscheinend nicht getan. Zwar versprachen die Verkehrsminister zur Einführung des Deutschlandtickets im Mai eine „Lösung für Studenten“, wie diese aussehen soll, ist aber bisher völlig unklar, obwohl eine Arbeitsgruppe der Länder sich schon länger mit dem Thema beschäftigt. „Die Komplexität, eine für alle 16 Bundesländer und den Bund passende und akzeptable Lösung zu finden, ist hoch“, erklärt das Ministerium.

Beliebtes Verkehrsmittel für Studenten: Ein Regionalexpress.
Beliebtes Verkehrsmittel für Studenten: Ein Regionalexpress. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Unser Ziel ist und bleibt bezahlbares Bus- und Bahnfahren für alle Studierenden“, stellt Toepfer klar. Was bezahlbar ist, haben die Asten auch diskutiert. 21,50 Euro für ein Semesterticket, das in ganz Deutschland gültig ist. Der VRR will diesen Vorschlag nicht kommentieren. Kann er auch gar nicht. „Wir entscheiden ja gar nicht über die Preise“, sagt Sprecherin Sabine Tkatzik. Dafür seien Bund und Länder zuständig.

Aber für den Verkehrsverbund geht es um viel Geld. Sollte das Semesterticket abgeschafft werden, bestätigt Tkatzik, würden dem VRR landesweit acht Millionen Euro fehlen – monatlich, wohlgemerkt. Auch bei den Dortmunder Stadtwerken (DSW 21), die von der Kündigung der Dortmunder TU und FH am stärksten betroffen wären, hat man sich bereits hingesetzt und gerechnet. Jährlich“, sagt DSW 21-Sprecher Frank Fligge, „würden wir maximal einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag verlieren.“

Exakte Prognosen sind schwierig

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Exakte Prognosen aber sind in allen Städten schwierig, weil niemand sagen kann, wie hoch der Anteil der Studierenden wäre, die nach Abschaffung des Semestertickets aufs Auto umsteigen würden. Das Deutschlandticket, das sich die übrigen Studis wahrscheinlich dann kaufen würden, kann den Verlust übrigens nur bedingt auffangen. Den Erlös aus diesem Ticket bekommt nämlich immer das Verkehrsunternehmen, in dessen Bereich der Kunde seinen Wohnsitz hat. Hagen, Unna, Münster, das Sauerland – „gerade zu den Ruhrgebiets-Unis wird viel gependelt, oft mit dem Pkw“, weiß Fligge. „Da hat DSW21 dann wenig davon.“