Bochum. Die Bochumer Dermatologin Dr. Ose Rademacher unterstützt via Telemedizin Ärzte an Bord von „Mein Schiff“. Und dabei geht es nicht um Sonnenbrand.

Krank auf der Kreuzfahrt? Auf hoher See, ob in der Karibik oder vor Spitzbergen, hilft womöglich eine Medizinerin aus Bochum: Dr. Ose Rademacher. Seit vier Jahren kooperiert die Oberärztin der Klinik für Dermatologie des St. Josef-Hospitals mit TUI Cruises, sie berät telemedizinisch die Kollegen auf „Mein Schiff“ bei Problemen, die in ihr Fachgebiet fallen.

Am letzten Sonntag erst kam Rademacher der Bordarzt von „Mein Schiff 4“ mit einer 81-Jährigen, die über einen plötzlich aufgetretenen, stark juckenden Ausschlag an geschwollenen Beinen klagte. Der Arzt war unsicher, was zu tun war, wandte sich per Mail an die Expertin des Bochumer Universitätsklinikums. Da hatte das Schiff gerade nach einem langen Tag an Land im lettischen Riga abgelegt – und die alte Dame war viel gelaufen, eine untypische Belastung für sie. Rademacher erkannte schnell auf ein Stauungsekzem, empfahl Kompressionsverbände und Cortisoncreme.

Bordärzte sind „Alleskönner“, keine Spezialisten

Dr. Ose Rademacher ist Oberärztin am St. Josef-Hospital in Bochum – und berät seit Jahren nebenberuflich Bordärzte auf Kreuizfahrtschiffen.
Dr. Ose Rademacher ist Oberärztin am St. Josef-Hospital in Bochum – und berät seit Jahren nebenberuflich Bordärzte auf Kreuizfahrtschiffen. © KKB | KKB

Die Hautärztin spricht in den höchsten Tönen von der breiten Kompetenz der Kollegen und Kolleginnen an Bord und von deren schwimmendem Hospital, das wie die Notaufnahme eines deutschen Krankenhauses ausgestattet sei. Doch Bordärzte seien „vom Armbruch bis zum Schlaganfall meist allein auf sich gestellt“ und darum „Alleskönner“, keine Spezialisten; „die Facharztausbildung zum Dermatologen dauert fünf Jahre, da können sie nicht alles wissen.“ Weil das so ist, kooperiert TUI Cruises im Übrigen auch mit einer Radiologischen Klinik, der sie via Telemedizin etwa unklare Röntgenbilder zur Zweitbefundung schickt, wie „Mein Schiff“-Pressesprecherin Daniela Hensel erklärt.

Zusammen mit den Kollegen an Bord hat Rademacher einen detaillierten Anamnese-Bogen entwickelt; ihnen erklärt, wie genau die Bilder aussehen müssen, die sie für ihre Diagnose benötigt; und die Bordapotheke bestückt („damit ich weiß, dass die Therapie, die ich empfehle, auch verfügbar ist“). In der Regel schickt man ihr eine Mail mit allen Unterlagen und Bildern, in akuten Fällen melde sich der Bordarzt telefonisch. Innerhalb von zwölf Stunden muss sie antworten, so steht es in ihrem Vertrag, „meist bin ich aber schneller“.

Von Infektion bis Hakenwurm

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Mit schlimmen Insektenstichen hat es Rademacher, die auch schon für Aida und Costa tätig war, oft zu tun, mit viralen Infektionen, Hefepilz-Erkrankungen, Herpes genitalis oder Gürtelrose. Auch Fälle von chronischer Schuppenflechte und Neurodermitis, die sich an Bord plötzlich drastisch verschlechterten, kämen häufiger vor, „andere Kost, mehr Sonne, neue Kosmetika“, erklärt die Ärztin. Doch auch ein bis dahin unerkanntes T-Zell-Lymphom, ein sehr seltener Krebs, sei ihr schon untergekommen – und die Larva migrans „natürlich“, ein in den Tropen heimischer Hakenwurm, der sich in gewundenen Gängen durch die Haut gräbt und dabei Ausschlag, Beulen und Blasen verursachen kann. „Klingt eklig, ist aber harmlos bei richtiger Behandlung“, weiß die Bochumer Dermatologin.

Sie kennt sich aus mit solchen Dingen, mit Hauterkrankungen in aller Welt, sie liest viel dazu. „Dass ich hier an einer Uniklinik arbeite, hilft ebenfalls enorm“, sagt Rademacher. „Hier landen die schweren Fälle, auch Erkrankungen, die es in unseren Breitengraden eigentlich gar nicht gibt, die vielleicht ein Flüchtling oder jemand von einer Fernreise mit brachte.“ Selbst Lepra und Hühnertuberkulose habe sie schon gesehen.

Telemedizin: „Technik der Zukunft“

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Dass einer „ihrer“ Patienten ausgeschifft oder gar per Helikopter von Bord geholt werden musste, hat Rademacher noch nicht erlebt. Passiert aber, weiß Hensel, die Sprecherin von „Mein Schiff“. Sie berichtet von einem Gast, der vor der vietnamesischen Küste mit Verdacht auf Herzinfarkt in eine Klinik an Land gebracht wurde. Sehr viel typischer seien aber „Infektionen der oberen Atemwege, also Husten, Schnupfen, Heiserkeit“.

Für 61 Patienten – Crew-Mitglieder und Passagiere – holten Bordärzte laut Hensel im vergangenen Jahr via Telemedizin bei Ose Rademacher Rat ein. Hensel betont, dass die Ärzte der „Mein Schiff“-Flotte selbst ausgewiesene Experten seien, Fachärzte für Innere oder Allgemeinmedizin, Chirurgie oder Anästhesie mit Zusatzausbildungen. Und dass die Mediziner der Flotte sich „bei größeren oder fachfremden Fragestellungen“ gegenseitig unterstützten. Man sei dennoch „sehr zufrieden und dankbar“ für jeden Ratschlag aus Bochum, als „gute Ergänzung“ für die medizinische Versorgung an Bord.“ Auch Rademacher, die sich früher nie mit Telemedizin befasst hat, glaubt längst, dass diese Technik „Zukunft hat“. Gerade in ihrem Fachgebiet. „Hautärzte stellen den Großteil der Diagnosen über Gucken, nicht Reden.“

Sie schwärmt von ihrer Arbeit für TUI, den spannenden Fällen, dem netten Team. Und doch hat die Sache wohl einen Haken: Rademacher räumt ein, dass die Mail eines Bordarztes mit der Bitte um ein Konzil, gelegentlich das Fernweh wecke. Jedenfalls, wenn sie sie an einem usseligen Regentag in Bochum erreiche „und endet mit: Liebe Grüße von St. Barts, 30 Grad und sonnig hier...“.