Erfolgsautor Andreas Winkelmann bringt einen neuen Krimi heraus. Er hat für seine Bestseller ein klares Erfolgsrezept parat.

Er wird jetzt wieder Platz beanspruchen in den Buchhandlungen Deutschlands. Viel Platz. Denn diese Woche ist „Nicht ein Wort zu viel“ erschienen, das jüngste Buch von Andreas Winkelmann. Ein Thriller, natürlich. Hart, grausam, Angst einflößend. Zwei solcher Bücher schreibt er jedes Jahr, 2,2 Millionen Exemplare hat er bisher verkauft und mit den letzten jeweils wochenlang die vorderen Plätze der Bestsellerlisten blockiert.

Den ganzen Tag hat er geschrieben – am Schreibtisch, ganz oben im Zimmer seines Bauernhauses in der Nähe von Bremen. Jetzt allerdings macht das Böse mal Pause. Das Wetter ist herrlich, der Garten ist groß und das Gras gewachsen. „Ich schwinge mich gleich erst einmal auf den Rasenmäher“, sagt Andreas Winkelmann. Aber komplett abschalten, „das ist schwierig“. „Manchmal kommen mir die besten Einfälle, wenn ich mich gar nicht aufs Schreiben konzentriere.“ Einen „Heureka-Moment“ nennt er das.

Inspiration aus der Zeitung

Winkelmann schreibt nicht wie die meisten Autoren. Wenn er sich an sein Laptop setzt, hat er keinen Plot, er hat eine Idee. Manchmal ist sie schon vor langer Zeit entstanden. Als er etwas gesehen, gelesen oder gehört hat. In der Zeitung, im Fernsehen, unterwegs. „Das schreibe ich mir auf.“ Für das neue Buch war es ein Satz, den Hemingway mal geschrieben haben soll. „For Sale: Baby Shoes. Never Worn“ – Zu verkaufen, Babyschuhe. Ungetragen. „Das hat mich sofort getriggert“, erinnert sich der 54-Jährige und beschließt: „Das muss ich irgendwann einmal als Grundlage für ein Buch nutzen.“

Das hat er nun gemacht. „Nicht ein Wort zu viel“ spielt, so viel darf man verraten, in der Szene der Literaturblogger und –blogerinnen. Eine diese Bloggerinnen bekommt eine Videobotschaft, in der sich ein Kollege komplett in durchsichtiger Plastikfolie eingehüllt auf einem Stuhl windet. Und dazu die Anweisung: „Erzähl mir eine spannende Geschichte. Sie darf fünf Wörter haben. Sonst muss dein Freund sterben.“

Minimum fünf Seiten am Tag

Wenn er mit dem Schreiben beginnt, weiß Winkelmann selbst nicht, wer stirbt. Er weiß nicht, wer der Mörder sein wird und hat keine Ahnung, wer ihn überführt und wie er das macht. Alles entsteht, während er in seinen Laptop tippt. Minimum fünf Seiten am Tag. „Im Grunde“, sagt er, „erzähle ich mir die Geschichte dabei erst einmal selbst.“ Und wenn sie irgendwo hakt gegen Ende des Buches, erzählt er sie sich noch einmal neu. Anders. Und schreibt, wenn nötig, den Anfang um. Ungewöhnlich, „aber anders kann ich nicht schreiben“.

Muss er ja auch nicht. Selbst wenn dadurch die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben manchmal verschwimmt – nicht nur, wenn man gerade auf dem Rasenmäher sitzt. Immer nur Mord und Totschlag im Hinterkopf, immer wieder in die Abgründe der menschlichen Psyche blicken, macht einem das nicht irgendwann zu schaffen? Winkelmann schüttelt den Kopf. „Was mich in meinen Geschichten viel mehr interessiert als der Böse und der Täter, sind die Menschen, die mit dem Bösen und den Tätern umgehen müssen. Ich habe da so eine Art Waage gefunden, dass ich nicht nur in den Tiefen eine psychosomatischen Kopf herumwusele.“

Und zwischen den Büchern, da kann er abschalten. „Ich bin ein Mensch, der ganz stark über den Körper ins Leben kommt.“ Was leicht untertrieben heißt: Winkelmann ist extrem sportlich. Kajak fahren, Bergsteigen oder mal eben mit dem Rad drei Monate durch Skandinavien touren – „das erdet mich und macht den Kopf wieder frei“. Auch für das nächste Buch, das jährlich unter dem Namen Frank Kodiak bei einem anderen Verlag erscheint. Das Pseudonym ist kein Geheimnis, hilft dem Zweitverlag aber beim Marketing und bietet Winkelmann die Chance ein wenig anders zu schreiben. „Härter und schneller“, sagt er.

Am Anfang hagelte es Absagen

Er schreibt schon lange und liest noch länger. Stephen King hat er als Teenager verschlungen und erste Geschichten verfasst, die er aber niemandem gezeigt hat. Bäcker und Konditor hat er auf Wunsch der Eltern gelernt, war dann vier Jahre beim Bund, studierte Sport, arbeitete in der Fitnessbranche, später auch in einer Honigfabrik und fuhr schließlich Taxi. Wenn er Zeit hatte, schrieb er weiter. Mitte der 1990er-Jahre schickte er ein erstes Manuskript an ein Dutzend Verlage und bekam zwölf Absagen. Die nächsten fünf Versuche endeten ähnlich. Man habe keinen Platz für diese Art von Büchern, hieß es.

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Aber Aufgeben ist für Winkelmann nie eine Alternative gewesen. Mit Hilfe eines Literaturagenten veröffentlichte ein Verlag 2007 „Der Gesang des Scherenschleifers“, zwei Jahre später folgt – bei einem anderen Verlag – „Tief im Wald und unter der Erde“. Plötzlich waren seine Bücher die richtigen Bücher zur richtigen Zeit. Denn in den 10er-Jahren des 21. Jahrhunderts eroberten Thriller aus deutscher Feder die Büchercharts.

Mit dem Wohnmobil durch die Alpen

Mittlerweile kann er längst vom Schreiben leben, sogar gut leben. Er weiß das zu schätzen. Nicht nur die finanzielle Sicherheit, sondern auch den „Luxus“, sich die Arbeitszeit frei einteilen zu können. Mal morgens später anfangen und dafür abends eine Stunde dran hängen. Oder mal mit seinem kleinen Wohnmobil durch die Alpen zu fahren und zwischendurch den Laptop einzuschalten.

Doch Winkelmann ist niemand, der sich auf seinem Lorbeer ausruht. Natürlich kennt er mittlerweile die Regeln für Bücher, wie er sie schreibt. Nicht über 400 Seitendick sollten sie sein, schnell zur Sache kommen, ein Mord reicht meist nicht, und das Böse darf am Ende nicht siegen, sind einige davon. Trotzdem, sagt er, wolle er „als Schriftsteller noch besser werden“. Zum Beispiel in der Personenzeichnung oder Figurencharakterisierung, „da suche ich mir jetzt Bücher aus, die mich da weiterbringen. Biographien zum Beispiel“.

Alles aber, sagt Winkelmann, könne man nicht lernen. „30 Prozent sind Talent.“ Wobei der Begriff Talent etwas schwammig ist, wie er einräumt. „Meines ist sicherlich, dass ich nie nach Ideen suchen muss, keine Angst vor dem ersten Satz habe, das Schreiben nie zur Qual wird und ich verschiedene Dinge aus dem Alltag zu einer Geschichte zusammenführen kann.“

Hotellobby, Zugabteil – schreiben kann er mittlerweile überall. „Anders würde es auch manchmal gar nicht gehen“, hat Winkelmann festgestellt. Denn bei aller Freiheit – natürlich ist er oft beruflich unterwegs. Schließlich gibt es Verpflichtungen, wenn auch so angenehme wie die Lesereise nach einer Neuveröffentlichung.

Frauen mögen es blutig

Wobei Lesereise es eigentlich nicht wirklich trifft. Er liest bei seinen Veranstaltungen nicht nur, er plaudert mit dem Publikum. Über sich und wie seine Bücher entstehen. Wer die Kommentare nach so einer Veranstaltung in den sozialen Medien liest, der ahnt, was ihn so beliebt macht. „Bodenständig“, sei der Mann, einer der „unser Nachbar sein könnte“.

Und meistens sind es Frauen, die in die Lesung kommen. Und die seine Thriller kaufen. 80:20 sei das Verhältnis, erzählt Winkelmann. Beschweren sie sich nicht über die Gewalt in seinen Büchern? „Doch“, sagt Winkelmann und lacht. „Vielen ist es noch nicht blutig genug.“

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