Siegen/San Luca. Die Eisdiele Al teatro in Siegen hat der kalabrischen Mafia laut LKA als Unterschlupf gedient. Nun soll Italien den Geschäftsführer ausliefern.
Der bei der europaweiten Razziagegen Mitglieder der kalabrischen Mafia-Organisation `Ndrangheta in der vergangenen Woche in Italien festgenommene 36 Jahre alte Betreiber einer Eisdiele in Siegen soll nach dem Willen der deutschen Ermittler ausgeliefert werden.
Der Sprecher der bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf angesiedelten Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in NRW (ZeOs NRW), Staatsanwalt Julius Sterzel, bestätigte, dass „auf dem Wege der Rechtshilfe“ ein entsprechendes Auslieferungsersuchen rausgegangen sei.
Gemeinsame Ermittlungsgruppe
Wann über die Anfrage entschieden wird, kann Sterzel nicht sagen („das ist von Fall zu Fall unterschiedlich“). Wohl aber, dass man in seinem Hause optimistisch ist, dass es eine positive Rückmeldung aus Italien gibt: „Wir haben in einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe mit den italienischen Behörden alle Maßnahmen rund um die Durchsuchung von mehr als 50 Objekten in NRW am vergangenen Mittwoch abgesprochen. Darunter auch, dass die Strafverfolgung durch deutsche Behörden erfolgt.“ Wiewohl letztlich ein unabhängiges italienisches Gericht über das Auslieferungsersuchen entscheiden müsse.
Lesen Sie hier: Siegen und die Mafia: Die Rolle des Eiscafés für ‘Ndrangheta
Das Eiscafé Al teatro in der Siegener Bahnhofstraße, unweit des bekannten Apollo-Theaters, war am frühen Mittwochmorgen der vergangenen Woche von einem Großaufgebot an Einsatzkräften durchsucht worden. Dabei war das Inventar des gastronomischen Betriebes, unter anderem eine kostspielige Kaffeemaschine, beschlagnahmt worden. Zudem entzog die Stadt Siegen auf Betreiben des Landeskriminalamtes NRW der Eisdiele die Gewerbeerlaubnis.
Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf soll die Eisdiele „auf Geheiß eines hochrangigen Mitglieds der `Ndrangheta aus San Luca in Kalabrien“ betrieben worden sein. Offenbar kein Unbekannter bei den italienischen Behörden: Ein mutmaßlicher Mafioso, der im internationalen Kokainhandel aktiv gewesen sein soll.
Bruder und Angestellter ebenfalls festgenommen
Mit Geld aus diesen illegalen Geschäften, so der Vorwurf, soll er etwa 400.000 Euro in das Siegener Al teatro investiert haben. Als Geschäftsführer setzte er den 36-Jährigen ein, um den es in dem aktuellen Auslieferungsersuchen geht.
Mitbetreiber des Eistempels soll dessen 38 Jahre alter Bruder gewesen sein. Er wurde – zusammen mit einem Angestellten – bei der Razzia in Siegen festgenommen.
Extra eine GmbH gegründet
Zur „Verschleierung“ von kriminellen Aktivitäten soll der 36-jährige Italiener extra eine GmbH gegründet haben. Als kriminelle Aktivitäten sehen die NRW-Ermittler unter anderem Geldwäsche (die Gewinne aus den Drogengeschäften) und den Aufbau eines „Logistikstützpunktes“ für die `Ndrangheta in NRW.
Was muss man sich unter einem Logistikstützpunkt der Mafia vorstellen? Staatsanwalt Sterzel zufolge soll das Eiscafé in Siegen ein „strategischer Rückzugsort zum Aufbau eines Netzwerkes in Deutschland“ gewesen sein: So sollen „Kuriere und Strohleute“ aus Italien angestellt gewesen sein. In der Eisdiele sollen sich auch „sehr junge Italiener“ aufgehalten haben, „um praktische Auslandserfahrung zu sammeln und in den Geschäftsbetrieb eingebunden zu werden“.
Unterschlupf für untergetauchte Mafia-Mitglieder
Daneben würde die `Ndrangheta grundsätzlich Logistikstützpunkte wie einen gastronomischen Betrieb beispielsweise als Unterschlupf für untergetauchte, von der Polizei gesuchte Mitglieder nutzen. Dass die Mafia solche Einrichtungen betreibe, um Mitglieder aus Deutschland zu rekrutieren, sei eher unwahrscheinlich, so Julius Sterzel.
Die beiden Brüder, Betreiber des Al teatro in Siegen, sollen vor ihrer Festnahme länger observiert worden, aber nicht polizeilich in Erscheinung getreten sein. Ein Teil der Einnahmen des Eiscafes soll nach ersten Erkenntnissen der Polizei an Mitglieder der `Ndrangheta gegangen sein.
Ermittlungen begannen im Juli 2020
Die europaweiten Ermittlungen hatten im Juli 2020 begonnen. Bei dem Großeinsatz mit 500 Polizeibeamten gegen die `Ndrangheta in der vergangenen Woche – unter anderem in Bergkamen, Breckerfeld, Dortmund, Fröndenberg, Hagen, Hattingen, Netphen, Siegen und Wuppertal – waren in NRW und Thüringen 18 Haftbefehle vollstreckt und „eine Vielzahl an Beweismitteln“ sichergestellt worden. „Wir müssen das Material jetzt sortieren und auswerten“, so Staatsanwalt Sterzel, „das wird einige Zeit in Anspruch nehmen“.
35 Personen werden als Beschuldigte geführt. Darunter sind auch ein 62-Jähriger aus Hattingen und dessen Ehefrau. Beide befinden sich weiterhin in Untersuchungshaft, bestätigt Sterzel.
Besitzer des Angelparadieses in Breckerfeld
Der von den Ermittlern als „Hauptbeschuldigter“ bezeichnete 62-Jährige - deutscher Staatsbürger - soll viele Jahre Besitzer des Angelparadieses im Steinbachtal in Breckerfeld (Ennepe-Ruhr-Kreis) gewesen sein. Die Behörden werfen ihm vor, „als führender Kopf ein professionell agierendes internationales Betäubungsmittel-Netzwerk betrieben und insbesondere Kokain für hochrangige Mitglieder der `Ndrangheta geschmuggelt zu haben“.