Gelsenkirchen. Seit 2013 fördert die Talentmetropole junge Menschen, die es nicht leicht haben. Warum, erklären zwei Frauen, denen das Herzensangelegenheit ist.

Zehn Jahre Talentmetropole Ruhr: Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Bildungsbeauftragte des Initiativkreises Ruhr und Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung, Hauptförderer der Talentmetropole, sowie Dr. Britta Schröder, Geschäftsführerin der Stiftung Talentmetropole Ruhr, erklären im Interview, warum es noch lange nicht genug ist.

Wer hatte 2013 die gute Idee?

Bergerhoff-Wodopia (BBW): Die Talentmetropole Ruhr war nicht die Idee eines Einzelnen. Sie entstand vielmehr aus dem übergeordneten Ziel, junge Talente unserer Region optimal zu fördern, damit sie ihre Begabungen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft bestmöglich entfalten können. Das Stichwort lautet Chancengerechtigkeit. Mittlerweile ist die Talentmetropole Ruhr Bildungs-Leitprojekt des Initiativkreis Ruhr.

Dr. Britta Schröder ist Geschäftsführerin der Stiftung Talentmetropole Ruhr.
Dr. Britta Schröder ist Geschäftsführerin der Stiftung Talentmetropole Ruhr. © Marc Albers

Warum ist die Förderung junger Talente noch heute nötig – ist sie womöglich heute sogar wichtiger als vor zehn Jahren?

BBW: Sie ist enorm wichtig. Denn leider ist es immer noch oft so, dass die Bildungschancen junger Menschen vom Geldbeutel oder Wohnort ihrer Eltern abhängen. Zusätzlich hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass diejenigen, die es auf ihrem Bildungsweg ohnehin schon schwer hatten, weiter abgehängt wurden. Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen und Bildungsgerechtigkeit herzustellen ist deshalb heute wichtiger denn je.

Seit 2017 ist die Talentmetropole Ruhr nicht nur Bildungsinitiative, sondern auch Stiftung. Warum?

Schröder (BS): Die Bildungsinitiative ist seit 2013 stark gewachsen. Das hat sich nicht nur in der Anzahl unserer Projekte widergespiegelt, sondern auch in ihrer Wirkung und Reichweite. Die Talenttage Ruhr starteten zum Beispiel mit 600 Teilnehmenden, 2017 waren es schon 20.000. Durch die Gründung der Stiftung konnten wir das Engagement im Bildungsbereich weiter ausbauen und neue Förderer gewinnen, etwa das Chancenministerium NRW mit der ersten Förderung der öffentlichen Hand.

Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Bildungsbeauftragte des Initiatkreies Ruhr und Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung, Hauptförderer der Talentmetropole Ruhr.
Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Bildungsbeauftragte des Initiatkreies Ruhr und Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung, Hauptförderer der Talentmetropole Ruhr. © Jens NIeth

Inzwischen gibt es zig verschiedene Projekte: von den Talentwerkstätten über den Talentaward Ruhr bis zum Talentcamp Ruhr. Aber tatsächlich sind vor allem die Talenttage Ruhr richtig „groß geworden“. 2022 zählte man 45.000 Teilnehmende...

BBW: Dass die Talenttage so gut angenommen werden, spiegelt einfach den enormen Bedarf an Talentförderung und Angeboten zur beruflichen Orientierung wider. Mit dem steigenden Bedarf ist das Programm der Talenttage aber nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ gewachsen. Ich bin überzeugt, dass vor allem das Konzept-des-sich-Ausprobieren-Könnens ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Talenttage ist.

Gibt es ein Talent, dessen Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren Sie besonders bewegt hat?

BS: Wir haben in dieser Zeit rund 250.000 Kinder und Jugendliche gefördert. Darunter gibt es viele bewegende Geschichten und jeder Bildungsweg und jede Entwicklung ist individuell. Manchmal treffe ich Jugendliche aus unseren Talentwerkstätten nach einem halben Jahr wieder und stelle eine herausragende sprachliche Entwicklung fest. Oder ich höre von einer Schülerin oder einem Schüler, der durch die Eltern-Schüler-Akademie einen Ausbildungsplatz bekommen hat. Ein anderes Talent entdeckt im Camp seine Begeisterung für einen späteren Studiengang. All diese Geschichten beeindrucken mich.

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ibt es ein Projekt, das Ihnen persönlich ganz besonders am Herzen liegt?

BBW: Es fällt mir schwer, einem Projekt den Vorzug zu geben. Aber ich kann sagen, dass ich jedes Mal sehr berührt bin, wenn wir beim jährlichen Talentaward Ruhr herausragende Talentförderer auszeichnen, die sich alle mit größtem persönlichen Einsatz für ihre Talente einsetzen. Der Talentaward bietet ihnen die Bühne, die sie verdienen. So werden sie sichtbar und finden hoffentlich zahlreiche Nachahmer.

Und wie geht es 2023 weiter: Gibt es Pläne für die Zeit nach dem Jubiläumsjahr?

BS: Der Fachkräftemangel und zunehmend auch der Arbeitskräftemangel sind zentrale gesellschaftliche und ökonomische Herausforderungen, die uns auch in Zukunft begleiten werden. Wir werden auch in den nächsten Jahren unseren Teil zur Fachkräfte- und Arbeitskräftesicherung in der Region beitragen, indem wir unsere Projekte weiter ausbauen.