Bochum. Roboter in der Pflege sind, anders als etwa OP-Roboter, heftig umstritten. Bochumer Experten testen „Temi“, „Pepper“ & Co auf „Haut und Nieren“.
OP-Roboter gehen Chirurgen im Revier seit Jahren zur Hand – Roboter in der Pflege sind noch umstritten. Aber der Schlüssel zur Lösung des demografischen Problems? Roboter werden menschliche Pflegekräfte „sicher nicht“ ersetzen können, sagt Wolfgang Deiters, Professor für Gesundheitstechnologien an der Hochschule für Gesundheit (hsg) in Bochum. Aber sie entlasten: das könnte funktionieren.
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Deiters nennt ihn „rollenden Teewagen“. „Temi“ selbst stellt sich als „Prof. Techno-Pflegi“ vor, preist seine Vorzüge: Fiebermessen könne er hervorragend, Telefonkonferenzen arrangieren, Essen bringen. „Selber kochen ist aber nicht so mein Ding“, räumt der Service- und Interaktionsroboter der Firma medisana ein. Seit fünf Jahren testen Deiters und sein Team am „lebenden“ Exempel, wie ein solcher Roboter den Alltag der Gesundheitsversorgung verändern könnte. Das autonom fahrende System, durch Sprache steuerbar, kann u.a. Blutdruck messen, Filme abspielen, Botschaften übermitteln, Hol- und Bringdienste übernehmen, Gestürzten zu Hilfe eilen oder der Krankenschwester während der Visite die Patientenakten hinterhertragen. „Wir sind überrascht, wie gut er funktioniert, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten sind“, erklärt Deiters.
„Pepper“: ein Unterhaltungsclown
Kollege „Pepper“ kommt humanoider daher, entzückt mit Kulleraugen. Er kann Witze erzählen, Tiere nachahmen, kennt Spiele und Bewegungsübungen, er kichert, wenn man ihn kitzelt; hat sogar Hände mit Fingern dran. „Aber Greifen kann er nicht“, sagt Deiters, „das ist ein Unterhaltungsclown“. Dreimal so teuer wie „Temi“, doch weniger nützlich als der nüchterne Serviceroboter, befinden die Studenten in der Regel nach dem Kennenlernen. „Peppers“ Einsatzchance sieht Deiters in Tageseinrichtungen, auf Dauer werde der drollige Kerl vermutlich langweilig, denkt er: „Der ist eher Praktikant als jahrelanger Begleiter!“
Noch viel niedlicher als „Pepper“ ist der dritte – gezielt auf Emotion angelegte – Roboter-Typ, mit dem sich die hsg befasst. In Deutschland schlich sich „Paro“ etwa in Seniorenzentren in Köln und Paderborn in die Herzen Demenzkranker, brachte Menschen zum Lächeln, die man ewig nicht hatte lächeln sehen. Dass die niedliche Robbe in ihrer Heimat Japan zur Beschäftigungstherapie eingesetzt werde, hält Deiters indes für ein „schreckliches Pflegemodell“. Er findet es zudem „ethisch bedenklich“, wenn Roboter vermenschlicht werden. „Die Heimbewohnerin darf den Roboter nicht für den verstorbenen Ehemann halten.“
„Jede zupackende Hand ist hilfreich“
Verbände wechseln oder Patienten waschen: werden Pflege-Roboter nie, glaubt Deiters. Nutzlos seien sie dennoch nicht: „Wenn ich sehe, wie viele Kilometer eine Krankenschwester im Dienst macht, fällt mir viel ein, wo sie sinnvoll sein könnten.“ Dass Pflege irgendwann ohne menschliche Nähe stattfinde, ist auch für Alina Napetschnig eine Horrorvorstellung. Dass jemand einem alten Menschen den Arm um die Schulter lege – dass sei unersetzlich, findet die junge Gesundheitswissenschaftlerin der hsg. Aber sie ahnt, dass es vielleicht ein Roboter sein wird, der ihr dereinst die Stützstrümpfe anziehen werde. „Das macht mir ein wenig Angst. Aber wir dürfen diesen Systemen ruhig ein bisschen mehr zutrauen. Wo wir Technik einsetzen können, um Pflegekräfte zu entlasten, sollten wir das tun. Das schafft doch auch Zeit für Gespräche und Nähe.“
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Die Pflegekräfte, die die hsg jüngst zur Akzeptanz von Robotik befragte, waren sich jedenfalls einig: Angesichts des Fachkräftemangels sei jede zupackende Hand hilfreich.