Dortmund/Bochum. Alles wird teurer. Kann man wenigstens auf den vielen Trödelmärkten im Ruhrgebiet noch sparen - oder sogar etwas verdienen?
Da stehen sie in Reih und Glied. Tassen und Teller – jedes Stück in sechsfacher Ausfertigung, „70er Jahre“, sagt die Frau, die das Service auf dem mit einer weißen Decke verschönerten Tapeziertisch drapiert hat. Lange ist es im Schrank verstaubt, jetzt soll es einen neuen Eigentümer finden. „Die Zeit ist günstig“, glaubt die Frau. „Die Leute haben ja immer weniger Geld und kaufen deshalb viel mehr auf dem Trödel.“ Tun sie das?
Knapp 50.000 Märkte in jedem Jahr
Den Verband deutscher Markgestalter in Köln kann man dazu nicht fragen, weil er weder im Telefonbuch noch auf seiner Internetseite Telefonnummer oder E-Mail-Adresse veröffentlicht. Und die meisten Veranstalter lassen Anfragen und Rückrufbitten unbeantwortet. Man weiß, dass es in Deutschland in normalen Jahren knapp 50.000 Märkte im Jahr gibt, zu den allein in NRW 32 Millionen Besucher kommen. Geschätzt. Rund 40.000 gewerbliche Händler leben von den Märkten. Auch geschätzt. Über die Zahl der privaten Händler und den Gesamtumsatz, der auf den Märkten getätigt wird, gibt es nicht einmal eine Schätzung
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Markt ist nicht gleich Markt. Vor allem in den großen Städten des Ruhrgebietes gibt es neben dem klassischen Trödelbereich zahlreiche Stände professioneller Händler mit Neuware. Obst, Süßigkeiten, Milchprodukte, Topfpflanzen, Bekleidung, Elektronik. Alles ist ein „Angebot, Angebot“ oder „billiger, billiger“. Trotzdem ist es an diesem Sonntagmorgen recht leer auf dem Uni-Parkplatzes. „Wetter ist nicht gut genug“, sagt ein Händler von Handy-Hüllen und zeigt nach oben in den grauen Himmel. Eine Woche zuvor, behauptet er, „war hier richtig was los“. Aber da waren auch Sonnenschein und zwölf Grad. Und haben die vielen Besucher auch gekauft? „Geht so“, sagt der Händler.
„Hier ist längst nicht alles billiger“
Sabine Backhaus lässt sich vom Regen nicht abhalten. „Ich komme fast jede Woche“, sagt sie. Denn sie sammelt Puppen. „Wenn ich dann schon mal hier bin, kaufe ich auch andere Sachen ein. Ein paar Chips-Tüten mit bald ablaufendem Haltbarkeitsdatum sind es heute, Mundspülung und ein Glas Honig. „Hier bekomme ich auf ein paar Metern, wofür ich sonst durch fünf Geschäfte laufen muss.“ Aber, warnt die 37-Jährige, „hier ist längst nicht alles billiger.“
Am anderen Ende des Marktes stehen die „Privaten“. Marc und Melanie sind gekommen, um die Schränke und Schubladen der Küche ihrer ersten gemeinsamen Wohnung zu füllen. Besteck haben sie schon gefunden, „jetzt brauchen wir noch eine Kaffee-Pad-Maschine“. „Man kann hier schon ordentlich sparen, wenn man weiß, was man haben will und verhandeln kann“, sagt die 28-Jährige.
„Viele Kunden hätten die Sachen am liebsten geschenkt“
Umgekehrt aber kann man oft wenig verdienen, wenn man verkaufen will, was man nicht mehr benötigt. Es sei denn, man hat, was nicht jeder hat aber viele wollen. Annika und Laura haben das nicht, sie sind mit Kinderkleidung gekommen. „Sachen, die unseren Jungs zu klein geworden sind. Alles in gutem Zustand.“ Das Interesse der Kundschaft ist groß, „aber die meisten hätten am liebsten alles geschenkt“. Eine erste Bilanz am Mittag fällt dann auch eher ernüchternd aus. Zieht man die Standmiete ab – je nach Markt und Veranstalter neun bis zwölf Euro pro Meter – bleibt am Ende nicht viel über. „30 Euro für jede“, hat Laura überschlagen. „Dafür sitzen wir jetzt seit sieben Uhr morgens hier.“
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Monika vom Stand gegenüber nickt. „Deinen Stundenlohn darfst du dir auf dem Trödel nie ausrechnen“, sagt sie. Seit 20 Jahren steht die 59-Jährige fast jede Woche irgendwo auf einem Markt. Mit Sachen aus dem eigenen Keller, Erbstücken der zwischenzeitlich verstorbenen Eltern oder Büchern und Schallplatten, die Freunde und Bekannte ihr mit den Worten „Bevor ich es wegwerfe“ in den Keller tragen. „Reich“, sagt Monika, „bist beim Trödeln noch nie geworden.“
Beschränkungen im Internet könnten Märkte noch attraktiver machen
Erst recht nicht in den vergangenen Jahren. Nach Corona sei die Konkurrenz extrem groß gewesen, weil die Märkte von privaten Anbietern förmlich überrollt worden seien, erzählt sie. „Die hatten im Lockdown alle ihre Keller ausgemistet.“ Mittlerweile seien die meisten von ihnen wieder verschwunden „Die ersten zwei drei Mal verkaufst du gut aber dann sind deine guten Sachen alle weg“, erklärt sie sich das.
Trotzdem hält Monika es nicht für ausgeschlossen, dass die Zahl der Händler bald wieder steigt. Seit Ebay und andere Portale jeden beim Finanzamt melden müssen, der mehr als 30 Teile im Jahr bei ihnen verkauft, sei der klassische Trödel für viele Verkäufer wieder attraktiver geworden. Dort gibt es theoretisch zwar auch eine Steuerpflicht, kontrollieren aber lässt sie sich so gut wie gar nicht. „Was du am Ende des Tages in der Kasse hast“, sagt Monika „das erfährt niemand.“