Düsseldorf. Vom Zwei-Mann-Unternehmen im Hinterhof zum 700-Millionen-Euro-Unternehmen: So kamen Peppa Wutz, Rabe Socke und Elsa auf die Tonie-Boxen.
Wenn man nicht aufpasst, läuft man vorbei an der kleinen Einfahrt, durch die es auf einen Hinterhof mitten in der Düsseldorfer Innenstadt geht. Und als man sich schon fragt, ob man richtig ist, sieht man das erste Schild. „Tonies“ steht darauf. Dann trennt einen nur noch eine kleine Tür von dem Unternehmen, das innerhalb kürzester Zeit die Kinderzimmer in halb Deutschland erobert hat.
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Oben im ersten Stock liegt das Büro von Patric Faßbender (52) und Marcus Stahl (56). Sie haben sich im Vorstand kennengelernt, erzählen sie gerne und lachen dann. „Im Vorstand einer Kita-Elterninitiative“, präzisiert Stahl. Dort sitzt er damals mit einem halben Dutzend Frauen, die bei der Planung von Sitzungen auf die Übertragungszeiten von Champions-League Spielen wenig Rücksicht nahmen. „Da war Patric natürlich sehr willkommen.“ Aus der Zusammenarbeit im Kindergarten wurde schnell eine Freundschaft. „Es passte einfach“, sagen beide.
Mit zerkratzten CDs fing alles an
Mittlerweile sitzen sie wieder zusammen in einem Vorstand - ja sie teilen sich sogar ein Büro. Dieses Mal als Co-CEOs der tonies SE, einem Unternehmen, dessen Börsenwert bei mehr als 700 Millionen Euro liegt. Und das mit einer Idee, die eigentlich aus einem Kinderzimmer stammt. Dort plagt Faßbender ein Problem, das in den frühen 2000ern fast alle Eltern im Land plagt – zerkratzte und deshalb nicht mehr funktionierende Hörspiel-CDs der Kinder.
„Kann doch nicht sein, da muss es doch eine Alternative geben“, ärgert sich Faßbender. Gibt es aber nicht. Also überlegt er. Die Idee zu einem Würfel entsteht, robust und möglichst einfach zu bedienen Der Clou aber soll die Art und Weise sein, wie man damit Musik oder Hörspiele abspielt. Indem man nämlich eine kleine Figur darauf stellt.
Lautstärke wird über die Ohren der Figur geregelt
Marcus Stahl ist von dem Konzept begeistert, weiß aber, dass das Ersparte der beiden nicht ausreichen wird. Als lange bei Nokia in Bochum beschäftigter Ingenieur mit MBA kennt er sich aus mit Technik und Zahlen. Und beide kennen sie Leute, die sie finanziell unterstützen. „Da wir beide über 40 waren, hatten wir zum Glück genügend solvente Freunde“, sagt Stahl.
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Sie tüfteln, sie testen, heraus kommt die „Toniebox“. Sobald Kinder eine Figur auf den Würfel setzen, erkennt die Box über eine spezielle Übertragungstechnik, die Nahfeldkommunikation, das jeweilige Hörspiel zur Figur. Beim Erstkontakt lädt sie es via W-Lan aus dem Internet und spielt es dann „offline“ aus dem Speicher ab, der im Würfel steckt. Die Lautstärke wird über zwei unterschiedlich große Ohrenecken, die aus der Box herausragen, eingestellt. „Einfacher geht es nicht“, findet der im Siegerland geborene Stahl.
Zahl der Lizenzen wächst immer weiter
Was zum Start noch fehlt, sind Lizenzen. „Und wir brauchen ja immer zwei“, sagt Stahl. „Eine für die Figur, eine für das eigentliche Hörspiel.“ So ziehen sie los, fahren zu fast jedem, der solche Lizenzen hat. Und die Türen öffnen sich schneller und weiter, als gedacht. Seit die Zeit der CD zu Ende geht, sagt Faßbender, „hat die Industrie ja nach Geräten gesucht, digitale Inhalte zu den Kindern zu bringen.“ Da kommt die Erfindung der Düsseldorfer gerade recht.
Zum Start gibt es 14 Tonies. Die Maus des WDR ist der Erste, mit dabei sind auch „Rabe Socke“ oder das Grüffelo. Mittlerweile ist der Katalog auf fast 700 Figuren angewachsen. Auch weil selbst große Unterhaltungsunternehmen viel schneller als erwartet, Lizenzen von sich aus anbieten. So ist alles vertreten, was Rang und Namen hat in der Szene – von Pippi Langstrumpf über „Paw Patrol und Benjamin Blümchen bis hin zur Sesamstraße und den drei ???. Ganz zu schweigen von Disneys Eiskönigin. Die Figur der Elsa verkaufte sich 200.000 Mal – „allein am ersten Tag“.
Kreativ-Tonies lassen sich bespielen
Kreativ-Tonies, die sich selbst bespielen lassen, gibt es schon lange und inzwischen entwickeln die Düsseldorfer eigene Figuren und spielen für sie Geschichten ein. Lizenzkosten Null, Beliebtheit hoch. Einige dieser Eigenproduktionen wie „Die Schlummerbande“, die mit Schlafliedern in die Nachtruhe hilft, „zählen zu den absoluten Bestsellern“, sagt Stahl. So beliebt sind sie, dass Firmen Lizenzen für Figuren und Inhalte bei den Tonies anfragen. Selbst Steif nutzt die Technik mittlerweile, um einige ihrer Teddys zum Sprechen zu bringen.
Weltweit wurden mittlerweile 4,1 Millionen Tonieboxen und rund 51 Millionen Figuren verkauft. In Deutschland steht die Box bei Familien mit Kindern bis sieben Jahren inzwischen statistisch in jedem zweiten Haushalt. Und aus der Handvoll Mitarbeiter in Düsseldorf wurden inzwischen 400 an mehreren Standorten. In den USA hat man längst Fuß gefasst und wächst rasant, aktiviert wurden Tonieboxen inzwischen in mehr als 100 Länder.
„Das versteht jedes Kind auf Anhieb“
Natürlich gibt es mittlerweile Konkurrenz. „Aber keine, die uns Bauchschmerzen macht“, sagt Stahl. Die Kombination aus einfach zu bedienender Technik, bekannten Lizenzen und hochwertigen Figuren lasse sich nicht so einfach kopieren. Aber genau diese Kombination hält er für das Erfolgsgeheimnis – auch im Kampf gegen die Streaming-Dienste, die tausende Stunden Kinderprogramm im Angebot haben. Das Haptische habe eine enorme Bedeutung. „Die Jungs und Mädchen sehen die Figuren und wissen, dass sie damit ihr Lieblings-Hörspiel einschalten können“, sagt Stahl und hat festgestellt. „Wo immer auf der Welt sie das vorführen, das versteht jedes Kind auf Anhieb.“
Die Tonie Box kostet offiziell mittlerweile knapp 100 Euro. Einen Tonie gibt es für 16,99. Allerdings wird beides bei Aktionen von freien Händlern oft deutlich günstiger angeboten. Weitere Infos unter www.tonies.com im Internet