Recklinghausen. Zwei Jungen sind am Donnerstagabend in Recklinghausen von einem Zug erfasst worden. Einer starb, der andere schwebte zeitweise in Lebensgefahr.

An einer Bahnstrecke in Recklinghausen hat sich am Donnerstagabend (2. Februar) ein tragisches Unglück ereignet. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums wurden zwei Jungen von einem Güterzug erfasst. Ein Zehnjähriger ist bei dem Unglück ums Leben gekommen, ein Neunjähriger schwerst verletzt worden. Noch am Abend wurde er operiert. Nach der Operation befinde er sich„aktuell nicht mehr akut in Lebensgefahr“, sagte ein Polizeisprecher am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Der Grund, weshalb sich die beiden Jungen an der Strecke befanden, ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt. Die Leiche des Zehnjährigen soll nach Angaben der Polizei kommende Wochen obduziert werden, hieß es am Freitag.

Die Unglücksstelle ist in der Nähe eines früheren Güterbahnhofs, dem Alten Bahnhof Ost. Die Polizei war nach eigenen Angaben am Donnerstagabend um 18.12 Uhr alarmiert worden. Es war zunächst von einer „Gruppe junger Menschen“ die Rede, die von einem Güterzug erfasst und mehrere hundert Meter weit mitgeschleift worden sein sollte.

Der Zug selbst kam erst nach mehreren Hundert Metern zum Stehen. Ein Bahnsprecher sagte am Freitag, die meisten der Waggons seien zwar leer gewesen, doch der Zug war insgesamt etwa 600 Meter lang. Daher zog sich auch die Bremsstrecke über mehrere hundert Meter.

Zug-Unfall in Recklinghausen: Wüst spricht Eltern der Opfer Anteilnahme aus

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach den Angehörigen der beiden minderjährigen Opfer am Freitag seine Anteilnahme aus. „Wer selber Kinder hat, hat vielleicht eine Ahnung, wie schlimm das sein muss, wenn das eigene Kind aus dem Leben gerissen wird“, sagte er am Freitag in Düsseldorf.

Seine Gedanken seien sowohl bei der Familie des zehnjährigen gestorbenen Jungen, als auch bei dem Neunjährigen, der nach seinen Informationen gute Chancen habe, das Unglück zu überleben. „Wir hoffen auf vollständige und baldige Genesung“, sagte Wüst. Der Regierungschef dankte darüber hinaus den Einsatz- und Rettungskräften sowie den Seelsorgern, die bei dem „bedrückenden Unfall“ vor Ort wichtige Arbeit geleistet hätten.

NRW-Innenminister Reul: „Ich bin total betroffen“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Recklinghausens Bürgermeister Christoph Tesche hatten am Donnerstagabend die Unglücksstelle besucht. „Ich bin total betroffen“, sagte Reul. „So etwas lässt einen ja nicht ruhig. Es ist fürchterlich.“ Ob weitere Kinder vermisst werden, war zunächst unklar. Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber sagte gegen Mitternacht jedoch, dass es keine Hinweise auf ein drittes Kind gebe. Es hätten sich keine weiteren Eltern gemeldet. Die kriminaltechnische Spurensuche an der Bahnlinie dauerte in der Nacht an. Noch weit nach Mitternacht waren auf einem Gleis Einsatzkräfte mit Taschenlampen zu sehen. Zahlreiche Polizeiwagen waren noch vor Ort, wie ein dpa-Reporter berichtete.

Der NRW-Innenminister war sichtlich angefasst. „Wir können nichts tun und nicht helfen. Aber man kann wenigstens zeigen, dass es einem wichtig ist, dass es ein großes Drama ist, wenn Kindern so etwas passiert“, sagte er. Das schwer verletzte Kind kämpfe im Krankenhaus um sein Leben. „Da weiß man noch nicht, wie es ausgeht.“ Polizei und Seelsorger kümmerten sich um die Familien, die nicht weit entfernt von der Unfallstelle wohnen, im Stadtteil Hillerheide. Reul: „Man kann nur hoffen, dass viele Menschen hier sind, die den Eltern helfen.“

Die Polizei hatte sich am Donnerstag lange mit näheren Informationen zurückgehalten, unter anderem, weil die Angehörigen teilweise noch nicht informiert gewesen seien, sagte eine Sprecherin. Erst in der Nacht teilte die Behörde das Alter der beiden Kinder mit.

Anwohner: Bahn-Ruine an Strecke beliebter Treff für Kinder und Jugendliche

Rund 50 Menschen hatten sich am späten Abend an der Unfallstelle versammelt, darunter auch Angehörige. Sie wurden von der Polizei geschützt und von Notfallseelsorgern und Opferschutzbeauftragten betreut.

Schrecklicher Unfall in Recklinghausen

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Ein junger Mann und seine beiden Freunde waren auch gekommen. Er wohne in der Nähe und kenne die Familie des verletzten Kindes. Als er gehört hatte, was passiert sei, habe er sofort zu Hause angerufen und sich nach seinen jüngeren Geschwistern erkundigt. Zum Glück waren sie zu Hause, berichtet der 24-Jährige.

Die drei erzählen, dass es dort zwischen den Gleisen am alten Ostbahnhof ein verlassenes, ehemaliges Bahngebäude gebe, in dem sich häufig Jugendliche aufhielten. Als Kinder hätten sie selbst dort gespielt. Man komme dort entweder über Trampelpfade durch die Büsche oder über die Gleise hin. Doch ob das Unglück dort geschah oder woanders, war in der Nacht noch offen. Am Freitag bestätigen weitere Anwohner diese Schilderungen. Die Ruine eines Bahngebäudes am Bahndamm sei ein beliebter Treffpunkt bei Kindern und Jugendlichen, hieß es.

Lokführer soll selbst die Feuerwehr alarmiert haben

Für die Feuerwehr war es ein extremer Einsatz. Mit 35 Feuerwehrleuten und Rettungskräften wurde die auf gut eineinhalb Kilometer geschätzte Bahnstrecke abgesucht. Wegen der Dunkelheit und Ausdehnung des Suchgebiets sei eine Drohne mit Wärmebildkamera eingesetzt worden. ‘Auch am Freitagmorgen flog die Polizei das Gelände mit einer Drohne ab, um Details der Örtlichkeit zu dokumentieren. Eine Hundertschaft der Polizei durchsuchte am Abend ebenfalls die Gegend. Der an dem Unglück beteiligte Güterzug stand auch am Freitagvormittag noch am Bahnhof Ost. Der Lokführer soll selbst die Feuerwehr alarmiert haben.

Unglück in Recklinghausen: S-Bahnstrecke nach Sperrung wieder freigegeben

Die Polizei hatte die Bahnstrecke zwischen Gladbeck West und dem Hauptbahnhof Recklinghausen gesperrt. Davon betroffen war auch die S-Bahnlinie S9. Statt dessen fuhren Busse als Ersatz. Am Freitagvormittag gegen 11 Uhr wurde die Strecke wieder freigegeben, teilte ein Bahnsprecher mit. In den Nachmittagsstunden fuhr ein Lokführer den Zug vom Unglücksort weg.

Die Ermittlungen laufen weiter. (mit dpa)