Ruhrgebiet. A2, A42, A43, A52 . . . : Auch 2023 gibt es im Autobahnnetz des Ruhrgebiets viele Großbaustellen. Und das ganz große Ding kommt ja erst noch.

Der anhaltende Fortschritt im 21. Jahrhundert hat dazu geführt, dass es dankenswerterweise nun auch Schrankenwärter für Autobahnen gibt. Celal Güntürk und Helmut Kordek etwa versperren überschweren Lastern die Weiterfahrt auf der Autobahn 43 in Herne und schicken deren laut schimpfende Fahrer auf eine erhebliche Umleitung.

Der Grund: Die Emschertalbrücke der A43 hinter der Schrankenanlage würde nicht mehr lange durchhalten, wenn zu viele Laster über 3,5 Tonnen sie beführen. Das hieße Sperrung für alle - und dann würden die Leute erst recht schimpfen. Der 24-Stunden-Dauerdienst von Güntürk, Kordek und Kollegen erlaubt es, das Brückchen zu ersetzen, doch ist das nur die Sub-Baustelle eines viel, viel größeren Vorhabens.

Arbeiten an der A43 enden erst in den späten 30er-Jahren

Im Zuge des Ausbaus der A43 wird auch das Kreuz Herne (Autobahnen 42, 43) umgestaltet.
Im Zuge des Ausbaus der A43 wird auch das Kreuz Herne (Autobahnen 42, 43) umgestaltet. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

„Die Brücke hat uns zeitlich ein bisschen nach hinten geschmissen“, sagt Baudirektorin Carola Ziebs. Sie verantwortet die auf Jahre größte und langwierigste Autobahnbaustelle im Ruhrgebiet: den Ausbau der A43 zwischen Marl und Witten auf sechs Spuren. Er ist gerade der dickste Pfropfen in den Verkehrsadern, doch bei weitem nicht der einzige. Und das ganz große Ding kommt ja erst noch.

Die A43-Baustelle ist in Recklinghausen nahezu abgeschlossen, wandert nun durch ganz Herne, wird anschließend durch ganz Bochum ziehen und in Witten-Heven enden. Die Kosten nach dem heutigen Stand: eine Milliarde Euro. Der Abschluss: in den späten 30er-Jahren - aber auch das ist nur der heutige Stand.

Mehr als 600 Kilometer Autobahn im Ruhrgebiet auf Verschleiß befahren

Man muss sich da keine Illusionen machen: Bei etwas mehr als 600 Kilometern Autobahn im Ruhrgebiet (von 2200 Kilometern in Nordrhein-Westfalen) wird es immer große Baustellen geben. Es ist das weltweit dichteste Autobahnnetz eines Ballungsraums nach Los Angeles und es ist, wenn man es nicht zu genau nimmt, so verwirklicht worden wie in den 50er-Jahren geplant. Neubau gibt es praktisch nicht mehr. Nur mit dem höllischen Verkehr von heute hat damals niemand gerechnet. Die Folge: Verschleiß.

Im Norden von Duisburg macht die A42-Baustelle gerade auf harmlos. Eingeengte Spuren, Warnbaken sonder Zahl, der Verkehr fließt - ja, und? Doch wenn die Arbeitspause nun endet und das Wetter halbwegs warm bleibt, werden Bauarbeiter bald damit weitermachen, die Fahrbahn zu sanieren und den Lärmschutz zu erneuern.

„Der Stau reicht phasenweise bis auf die A31 zurück“

Helmut Kordek (rechts) und Celal Güntürk gehören zu dem Team, das die Schrankenanlage auf der A43 bedient.
Helmut Kordek (rechts) und Celal Güntürk gehören zu dem Team, das die Schrankenanlage auf der A43 bedient. © WAZ | Arne Poll

„Währenddessen muss immer wieder mit kurzzeitigen Sperrungen gerechnet werden“, so die Autobahn-Gmbh des Bundes. Mitte 2023 sollen die Arbeiten aber enden. Es sei denn, es kommt zu den üblichen Überraschungen: Weltkriegsbomben werden gefunden, Brücken kriegen Schwächeanfälle, solche Sachen passieren ja ständig.

Sie sanieren die A52 zwischen Essen-Ost und -Rüttenscheid. Die A2 zwischen Bottrop und Oberhausen, „der Stau reicht phasenweise bis auf die A31 zurück“, heißt es. Wenn sich jemand erinnert: Dieser Ostfriesenspieß A31 war bis in die Nuller-Jahre die praktisch leere Rennpiste des freien Mannes.

Der Umbau des riesigen Autobahnkreuzes Kaiserberg (A40/A3) hat begonnen, oder besser, man traf sich für einen ersten Spatenstich. Und um das Ruhrgebiet mal zu verlassen: Demnächst beginnt die Verbreiterung der A1-Engstelle zwischen Münster und Osnabrück, der Hass-Abschnitt jedes Nordsee-Urlaubers. Doch das ganz große Ding kommt erst noch, und man kann wirklich nicht sagen, dass das Ruhrgebiet es auf dem Radar hat.

Ausbau der A40 hat den Status „Vordringlicher Bedarf - Engpassbeseitigung“

Als der sogenannte „Dialogbus“ der Autobahn GmbH Rheinland Ende September 2022 auf dem Parkplatz eines Möbelhauses in Mülheim steht, geht es im Gespräch mit den Anwohnern um den Ausbau der A40 zwischen den Anschlussstellen Heißen und Dümpten. Um Lärmschutz, Verkehrsbelastung, um genau 3,5 Kilometer, lokalen Kram. Doch wenn man den Kopf etwas hebt, sieht man, dass es um viel mehr geht: Die A40, deren Breite bisher pulsiert, soll sechsspurig werden. Komplett. Das wird ein Spaß, wenn sie die Hauptstraße des Ruhrgebiets angehen. „Ausbau“, sagt die Baudirektorin Ziebs, „ist nicht nur, links und rechts eine Spur dranzupappen“.

Vom Duisburger Kreuz Kaiserberg durch Mülheim bis in den Essener Westen soll es gehen; durch Bochums Mitte; durch den Bochumer Osten nach Dortmund hinein. Im Bundesverkehrswegeplan hat die Baustelle den Status „Vordringlicher Bedarf - Engpassbeseitigung“ erreicht, das ist Straßenbauverwaltungsdeutsch für „dringend“. Baubeginn: irgendwann in den fortgeschrittenen 20er-Jahren.

Einzig Mülheim führt eine politische Debatte über den Sinn des Ausbaus

Die Stadtautobahn 448 in Bochum soll nun im Sommer 2023 fertig werden.
Die Stadtautobahn 448 in Bochum soll nun im Sommer 2023 fertig werden. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Zwei große Problemzonen sind ungelöst: die Bebauung der Trasse nahezu auf Kante in Bochum und der tiefergelegte Engpass in Essen. Oben stehen die Häuser, unten fährt in der Mitte zwischen den beiden Fahrtrichtungen der Nahverkehr auf Schienen - wahrscheinlich die einzige U-Bahn, die auch überirdisch unten fährt.

Wie man hier verbreitern will? Weiß keiner. Essen sitzt etwas ratlos da mit diesem Engpass zwischen Westen und Osten und zwei Autobahn-Enden im Norden und im Süden, die sich entschlossen in den Stadtverkehr entleeren.

Doch während es in den meisten betreffenden Städten noch seltsam ruhig ist in der Sache A40-Ausbau, gibt es tatsächlich in Mülheim eine intensive politische Debatte dazu. SPD und Grüne wollen den Ausbau nicht, er sei „nicht mehr zeitgemäß . . . aus finanziellen, mobilitäts- und klimapolitischen Gründen“. Das kann man gewiss so sehen, es löst aber nicht das Problem der Zuständigkeit, und die liegt nicht in Mülheim: „Ich würde nicht davon ausgehen, dass der Bund die Planung noch einmal umwirft“, sagt Baudezernent Felix Blasch.