An Rhein und Ruhr. Der innere Schweinehund bremst und die Politik tut ja eh nichts? Wie wir trotz Ausreden und Überforderung nicht aufgeben, weiß eine Therapeutin.
Obwohl wir wissen, dass viel mehr fürs Klima getan werden müsste, passiert einfach nicht genug. Warum eigentlich? In ihrem Buch „Klima im Kopf“ deckt Psychotherapeutin Katharina van Bronswijk die Mechanismen von Ausreden auf und gibt Anregungen, wie wir uns von der Angst nicht lähmen lassen und anpacken.
Im Interview mit Redakteurin Madeleine Hesse spricht die Autorin auch aus eigener Erfahrung: Sie engagiert sich selbst bei „Psychologen und Psychotherapeuten for Future“.
Frau van Bronswijk, Sie sagen, die Klimakrise sei eine psychologische Krise. Inwiefern?
Die Klimakrise ist menschengemacht und die Psychologie ist die Wissenschaft über das menschliche Verhalten und Erleben, unsere Gefühle und Gedanken. Dementsprechend steckt ganz viel Psychologie in der Klimakrise. Etwa, wie man das Thema Klimakrise kommuniziert, damit man Menschen mitnimmt. Es geht auch um Fragen, die psychische Gesundheit betreffen.
Können Sie ein Beispiel dafür geben?
Gewisse Erkrankungen wie bipolare Störungen oder Schizophrenien können durch Hitze verstärkt werden. Wir wissen auch, dass Hitze aggressiver macht und Suizidraten nach Hitzeereignissen steigen. Extremwetterereignisse wie Flutkatastrophen können zudem traumatisieren. Auch die ständige Unsicherheit der Klimakrise, also das Leben in einer chronischen Krise, macht etwas mit uns. „Klimaangst“ ist aber keine pathologische Angststörung. Denn es gibt rational gute Gründe, Angst vor den Folgen der Klimakrise zu haben.
Die Klimakrise kann aber auch krank machen?
Die meisten Menschen können diese Belastung gut genug verarbeiten. Aber es gibt auch vorbelastete Menschen, die durch die Klimakrise schneller Krankheitssymptome entwickeln. Frauen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund sind in unserer Gesellschaft tendenziell stärker belastet als andere Gruppen. Benachteiligte leiden unter den Folgen der Klimakrise also am stärksten.
Was kann ich tun, wenn mich Klimaangst zunehmend beeinträchtigt?
Wir wissen, dass es wichtig ist, in chronischen Krisen die Kontrolle zurückzugewinnen – das funktioniert am besten darüber, dass man etwas zur Lösung beitragen kann. Bei der Klimakrise als globalem Problem, das wir nicht alleine lösen können, hilft uns das Erleben kollektiver Selbstwirksamkeit – also, dass wir gemeinsam mit anderen etwas bewegen können. Man könnte also sagen, Klimaengagement hilft.
Warum passiert in Politik und Privathaushalten noch immer nicht genug?
Es gibt viele Erkenntnisse über die Lücke zwischen dem, was wir wissen und dem, was wir auch tun. Eine Erklärung, die ich spannend finde: Unsere politische Einstellung beeinflusst, wie wir Informationen verarbeiten und welche Relevanz wir ihnen geben. Ideologie kann also verhindern, dass man ins Handeln kommt. Etwa, weil man seinen Status quo schützen möchte. Und gerade im konservativen Spektrum ist der Status quo deutlich bedroht.
Was hält Politik und Privatpersonen noch vom Handeln ab?
Natürlich auch soziale Normen. Wir haben eine Welt gebaut, die auf fossilen Infrastrukturen basiert. Es ist für uns normal, dass ein großer Teil der Flächen mit Asphalt versiegelt ist und dass wir uns in Autos bewegen. Das zu hinterfragen, ist sehr schwierig. Weil wir uns die Alternative noch nicht vorstellen können.
Was, wenn ich schon viel tue, aber der Pessimismus überhand nimmt?
Die Menschen, die das Problem verstanden haben, aber nicht wissen, was sie tun sollen oder aufgegeben haben, sind die Mehrheit. Resignation ist eine Entlastungsfunktion der Psyche. Das ist verständlich, aber mit Blick auf die Klimakrise nicht der richtige Umgang. Alle Menschen werden gebraucht. Um sich zusammenzutun und den Wandel zu gestalten, es nicht anderen zu überlassen und sich ausgeliefert zu fühlen. Der Schlüssel ist, nicht nur am eigenen CO2-Fußabdruck zu arbeiten, sondern sich zu fragen: Wo kann ich am System etwas verändern? In meinem Unternehmen, meinem Verein, der Bürgersprechstunde, der Umweltgruppe.
Also aus der Frustphase raus und einfach machen?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der dafür wenig Zeit ist. Es gilt bei uns als normal, den Großteil der Lebenszeit mit dem Geldverdienen und Konsum zu verbringen. Wir haben uns in einer Traumwelt eingerichtet, die immerwährendes Glück verspricht, wenn wir nur dieses oder jenes kaufen. Planetare Grenzen zählen dabei nicht, unsere Wirtschaft kann immer weiterwachsen. Sich aus dieser Illusion zu lösen, kann befreiend sein. Aber es gibt natürlich Menschen, die einfach zu schlecht bezahlt werden und es sich nicht leisten könnten, weniger zu arbeiten und freiwerdende Zeit für soziales oder klimapolitisches Engagement zu nutzen. Wer es sich aber leisten kann, dem tut das oft sehr gut. Sinnerleben ist auch ein Fundament für tiefe Zufriedenheit.