An Rhein und Ruhr. Die neue Session startet. Wie drei Jecken aus Düsseldorf, Moers und Oberhausen über den Karneval in diesen turbulenten Krisenzeiten denken.
Zwei Jahre lang musste der Hoppeditz coronabedingtvollkommen ruhen oder konnte nur eingeschränkt erwachen. Dieses Mal am 11.11. um 11.11 Uhr, ist das anders. Die Karnevalisten an Rhein und Ruhr starten in die Session – und das ohne strenge Corona-Auflagen. Doch die Pandemie ist nicht verschwunden, dazu herrscht immer noch Krieg in der Ukraine. Inflation und Energiekrise belasten die Menschen. Braucht es in diesen turbulenten Zeiten da überhaupt den Karneval?
Die NRZ hat beim ganz eigenen Dreigestirn – bestehend aus dem Moerser Karnevalspräsidenten Hans Kitzhofer, der Oberhausener Gardetänzerin Jasmin Katzke und dem Düsseldorfer Karnevalswagenbauer Jacques Tilly – nachgefragt, wie sie auf die neue Session blicken.
Karnevalswagenbauer Jacques Tilly baut Ende Dezember die ersten Wagen
Noch ist es ruhig in Jacques Tillys Werkstatt in Düsseldorf. Die ersten Plastiken für seine politischen Wagen, die beim Rosenmontagszug 2023 durch Düsseldorf rollen, baut er erst Ende des Jahres. Zwölf Wagen sind geplant. „Wer zu früh baut, den bestraft im Karneval das Leben“, sagt Tilly lachend. Meint: Themen, die jetzt schon umgesetzt werden würden, könnten bis zum Karnevalszug am 20. Februar schon wieder überholt sein.
Welche internationalen, nationalen und lokalen Themen der Wagenbauer schlussendlich wieder aufgreift, bleibt wie immer bis zuletzt ein gut gehütetes Geheimnis. „An Inspirationen mangelt es in diesen Zeiten auf jeden Fall nicht“, betont der Künstler.
Karneval dürfe immer gefeiert werden
Jacques Tilly blickt zuversichtlich auf die Session. „Zwei Jahre wurden wir enttäuscht. Jetzt sind wir festentschlossen, den Rosenmontagszug wie gewohnt durchzuziehen.“
Karneval sei trotz Krieg und Krisen angemessen, findet der Karnevalswagenbauer. „Karneval ist keine Schönwetter-Veranstaltung. Karneval darf in schwierigen Zeiten stattfinden, Karneval muss in schwierigen Zeiten stattfinden. Die Welt ist nie in einem Zustand, in dem alles top ist.“ Gehe man danach, dürfe Karneval nie gefeiert werden. Gerade jetzt sei das närrische Treiben, der Zusammenhalt und das Miteinander aber nötiger denn je. „Die Rheinländer brauchen ihre Portion Karneval für den seelischen Haushalt und müssen einmal im Jahr einfach die Sau rauslassen können“, sagt Tilly.
Karnevalspräsident Hans Kitzhofer erinnert an eine ähnliche Zeit vor mehr als 60 Jahren
„Aber ganz klar ja. Jetzt erst recht“, antwortet Hans Kitzhofer prompt auf die Frage, ob es trotz Ukraine-Krieg und Krisen den Karneval braucht. „Wir freuen uns sehr auf die Session. Wir haben zwei lange Jahre auf den klassischen Karneval warten müssen. Aber natürlich denken wir dabei auch an die Menschen in Not“, sagt der Präsident des Kulturausschuss Grafschafter Karneval (KGK), dem Dachverband, dem insgesamt 26 Karnevalsvereine mit rund 2500 Mitgliedern zwischen Duisburg und Neukirchen-Vluyn angehören.
Kitzhofer erinnert an die Gründungszeit des KGK im Jahr 1957. „Damals lagen die Straßen in Moers nach dem Zweiten Weltkrieg zum Teil noch in Schutt und Asche. Der Verein wurde gegründet, weil sich die Menschen trotzdem nach dem gemeinsamen Feiern gesehnt haben“, erzählt er. „Das ähnelt der heutigen Situation in gewisser Weise. Wir brauchen daher auch jetzt diese Fröhlichkeit.“
Folgen der Energiekrise seien noch nicht spürbar
Acht Karnevalsveranstaltungen hat der Präsident schon vor dem eigentlichen Sessionsauftakt besucht. Von Zurückhaltung sei da kaum etwas zu spüren gewesen, so Kitzhofer. „Bei einem Verein, der einen kirchlichen Hintergrund hat, war etwas weniger los, bei allen anderen Vereinen waren die Säle voll.“
Die Energiekrise und daraus resultierende Mehrkosten belaste die 26 Vereine am Niederrhein bisher noch nicht. „Viele Verträge mit Saalinhabern oder Künstlern wurden schon vor zwei Jahren geschlossen. Diese Konditionen greifen jetzt zum Glück. Von daher können wir ausgelassen feiern.“
Für Funkemariechen Jasmin Katzke ist es die erste Session als Trainerin
Eine besondere Session steht Jasmin Katzke, Tanzmariechen und Trainerin bei der Karnevalsgesellschaft (KG) Blaue Funken Oberhausen 1965, bevor. Die KG stellt in dieser Session mit Rainer Lettkamp den Oberhausener Stadtprinzen, die Tänzer bilden die Prinzengarde. „Das heißt, dass wir eigentlich bei jeder Karnevalsveranstaltung im Stadtgebiet präsent sind“, erklärt Katzke. Für die 28-Jährige ist es die erste Session als Trainerin der Tanzgarde.
Nach zwei Corona-Jahren hofft sie auf eine normale Karnevalszeit – auch wenn die Krisen natürlich präsent sind. „Die aktuelle Lage hat man im Hinterkopf“, sagt Katzke. „Wir versuchen daher gerade jetzt mit unseren Tänzen für gute Stimmung zu sorgen. Wir wollen die Menschen vom Alltag ablenken.“ Das habe bei den ersten Veranstaltungen der KG auch gut funktioniert. „Jeder freut sich, dass der Karneval wieder ganz klassisch stattfindet. Das spürt man richtig“, so Katzke.
150 Termine in der Karnevalssession
Der Terminkalender der Gardetänzerinnen und -tänzer ist voll. Etwa 150 Termine stehen an. Wir haben ab jetzt bis Februar jedes Wochenende mehrere Auftritte.“ Die Vorfreude sei groß, ebenso die Nervosität. Schließlich wurde extra ein neuer Prinzentanz einstudiert.
Eine Sorge hat Trainerin Jasmin Katzke aber: Sie hofft, dass die Folgen der Energiekrise nicht das wichtige Training in den Turnhallen lahmlegt. Bisher gibt es keine Einschränkungen. „Wir dürfen die Halle auch abends im Dunkeln benutzen. Das bleibt hoffentlich so“, sagt die Tänzerin.