Düsseldorf. Eigentlich gibt's keine Tickets für die MTV Music Awards in Düsseldorf. Wer beim Fan-Casting aber ordentlich selbst Show macht, kann dabei sein.

Düsseldorf. David Guetta kommt. Ava Max kommt. Lewis Capaldi kommt. Und Veronika ist dabei und Vivienne, Lisa, Laura, Luca: Die sind nicht nominiert für die Europe Music Awards, aber der Sender MTV sucht nicht nur die Stars für die Bühne aus, sondern auch das Publikum davor. 2000 Eintrittskarten für die Show am nächsten Sonntag in Düsseldorf kann man nicht kaufen, die kriegt nur, wer selbst Show macht. Seit Freitag also tanzen Kandidaten auf den Fluren des PSD Bank Domes, singen und sagen Gedichte auf. Wer sonst nichts kann, kreischt. Wer dafür ein Ticket kriegt, auch.

Lisa macht sich für den guten Zweck „zum Affen“, das reimt sich in ihren selbst geschriebenen Versen auf „schaffen“, die 22-Jährige behauptet, sie habe sonst kein Talent. Aber oh je: Ihr Gedicht ist vier Sekunden zu lang. Eine Minute bekommt jeder, der sich vor der Jury präsentiert, am Ende wird deshalb trotzdem der „Traum wahr“, und Lisa ist am 13. November „meinem Star ganz nah“. Sogar noch näher, als sie dachte: Der Ticketstapel ist hoch am Freitag, und Lisa darf nicht nur in den Innenraum der Show, sondern auch an den Roten Teppich. Und so vermutlich ins Fernsehen: Die EMAs werden in 170 Länder übertragen. Die junge Frau weint dicke Freudentränen.

"Wir suchen eine diverse Crowd, die Spaß hat"

Es gebe „nichts Besseres“ als diese Show, haben sie vorher alle erzählt, „das beste Event“ von allen, und das schon seit bald 30 Jahren – da waren die meisten, die hier Schlange stehen, noch gar nicht geboren. Aber sie haben sie im Fernsehen gesehen, jetzt möchten sie „mal dabei sein“. Ein „Träumchen“ sei das, sagt Nathalie, und „ein Punkt auf der Bucket List“, also etwas, das man noch erleben muss, bevor man abtritt von dieser Welt – mit 22!

Auch interessant

Es ist ein Win Win, denn MTV will natürlich nicht, „dass die Künstler nur vor Werbefuzzis auftreten“, wie ein Mitarbeiter sagt: Der Sender will Begeisterung vor der Bühne, es gehe nicht um Talent, sondern darum, „dass die Leute Bock haben“ und aus sich herausgehen. „Wir suchen nicht die Schönsten und Coolsten, sondern eine diverse Crowd, die Spaß hat“, sagt Jury-Mitglied Claas. Und jeder, der solchen Enthusiasmus mitbringt, habe es „schon zu 99 Prozent geschafft“.

Lesen Sie auch

Carina, 25, also singt, es ist ein Stück von Adele, das sich kakophonisch mischt mit der Hintergrundmusik, die sie nicht abstellen. Für „Deutschland sucht den Superstar“ hat das nicht gereicht, erzählt sie später zitternd, für eins der begehrten Tickets schon. Adelisa, 23, hat sich einen roten Glitzeranzug übergestülpt und gibt die Britney Spears. Luca und Ines tanzen, so toll, dass sie die beiden gleich ganz haben wollen bei MTV, aber heute erst mal nur für die Show.

Ein bisschen Tanz zu "Feliz Navidad" - Reicht!

Vivienne, die 25-Jährige aus Bochum, bringt elf handsignierte Alben von Taylor Swift aus ihrem Plattenschrank mit, hat etwas Handschriftliches der auch diesmal wieder nominierten Sängerin auf dem Arm und für eine kleine Gesangseinlage gleich die Eintrittskarte in der Hand. Lara und Carlotta haben sich Weihnachtspullis angezogen, sie sagen, es gehe um die „Experience“, Neudeutsch für „Dabeisein ist alles“. Sie tanzen ein bisschen zu „Feliz Navidad“. Reicht auch.

Andere brauchen die Minute nicht. Veronika und Laura kommen im Bademantel, sie bringen Musik mit, aber sie schweigen. Ersteres hat zu tun mit der Sängerin Rita Ora, die moderierte 2017 die Gala im Morgenrock, die 21-Jährigen haben es gesehen. „Euch steht’s auch sehr gut“, sagt Claas aus der Jury; es sitzen Leute von MTV darin und ein paar bekannte Influencer. Aber hübsches Herumstehen mit Handtuch auf dem Kopf reicht noch nicht: „Könnt ihr mal zeigen, wie ihr reagiert?“, fragt Henry aus England, der schon 15 Jahre diese Spezialtickets vergibt. Schreitet ein paar Schritte zwischen den schwarz verhängten Stellwänden und tut so, als sei er selbst ein Star. Da kreischen Laura und Veronika kurz und reißen die Arme in die Luft, „wenn ihr versprecht, den Krach zu machen, hätten wir euch gerne da“. Kreisch!

Auch Ruslan aus Cherson ist dabei

Das muss nun dieser Moment sein, den die Veranstalter für den späteren Nachmittag erwarteten: „wenn die Veranstaltung smooth und in full swing ist“, also wenn es läuft. Stinkstiefel, die sie manchmal auch erleben, sind noch nicht vorgekommen, auch nicht diese Typen, die schon vor der Tür drängeln und die sie hier einschätzen können: Die kommen vielleicht betrunken oder springen auf die Bühne, vor der sie feiern sollen. Joe, allerdings, der 60-Jährige, wurde nach den ersten Auftritten nicht mehr gesehen. Der Mann ist aufgewachsen mit MTV, kennt noch Madonna und war schon immer musikinteressiert, „das hört ja nicht auf, weil man 60 ist“. Aber vielleicht, dass man sich für eine Eintrittskarte produziert.

Er wäre der zweite Mann gewesen an diesem Nachmittag. Ruslan ist die Nummer 1, er kommt aus Cherson in der Ukraine und hat am Vortag schnell ein Stück gelernt, das jeder kennt. Die Band Kalush aus seiner Heimat gewann mit damit in diesem Jahr den Eurovision Song Contest, den Text kennt Ruslan,22, sowieso, nur hat er keine Gitarre. Die leiht ihm die 16-jährige Julie, die in der Warteschlange ein paar Plätze hinter ihm steht. Beide werden sich nächste Woche auf dem Roten Teppich wiedersehen.

Wie auch Nathalie und Celine, die aus München und Frankfurt angereist sind im roten Revue-Kostüm: so eines, wie Taylor Swift 2012 getragen hat, „nur billiger“. Sie sagen es selbst: „Wir versuchen zu singen“, es werde eher schrecklich werden. Aber das Singen übernehmen nächste Woche ja andere. Die jungen Menschen müssen dann nur noch klatschen. Und kreischen.

INFO: TICKET CHALLENGE

Die „Ticket Challenge“ für die Verleihung der MTV European Music Awards läuft noch am Samstag, 5. November, und am morgigen Sonntag, 6. November, jeweils von 10.30 Uhr bis 19 Uhr im PSD Bank Dome, Düsseldorf. Teilnehmer müssen mindestens 16 Jahre alt sein und sich ausweisen können.

Die Preise selbst werden am Sonntag, 13 November, in Düsseldorf verliehen.