Ruhrgebiet. Die Omikron-Impfung soll übernächste Woche bereitstehen. Gibt es schon Termine? Soll man warten – gar auf die folgende Impfstoffgeneration?
Seit Dienstag klingeln die Telefone in den Arztpraxen wieder in einer Tour. Der Omikron-Booster soll bereits übernächste Woche zur Verfügung stehen. „Die Leute warten händeringend auf eine Termin“, sagt Stephan von Lackum, Leitender Impfarzt für Mülheim. Darum vergibt er auch schon welche, andere Kollegen warten lieber ab, „bis die Dosen tatsächlich im Kühlschrank liegen“, sagt Achim Horstmann, Hausarzt im Oberhausener Norden. Er will den Patienten ja nicht wieder absagen müssen.
Zeitnahe Empfehlung gewünscht
Aber beraten müssen die Hausärzte schon, denn die Patienten haben viele Fragen. Zuvorderst: Warten oder nicht auf den Omikron-Booster – oder gar auf den nächsten Impfstoff, der an die aktuelleren Varianten BA.4./BA.5 angepasst sein wird? Der könnte im Idealfall auch schon Anfang Oktober zugelassen werden.
Die Antworten müssten von der Ständigen Impfkommission (Stiko) kommen. Der Deutsche Hausärzteverband fordert von ihr zeitnah „klare Empfehlungen“, die Deutsche Gesellschaft für Immunologie schlägt in dieselbe Kerbe. Das Problem sei, erklärt Horstmann: „Die Stiko wartet stets auf Datenmaterial, das es noch nicht geben kann, wenn etwas neu ist.“
In der Praxis gehen die Ärzte so vor: Wer akut geschützt werden muss, kann natürlich nicht warten. Außerdem wird ein halbes Jahr Abstand zur letzten Impfung oder Erkrankung empfohlen, drei Monate sind das Minimum. Wer also im Sommer bereits an Covid erkrankt ist, der kann sich noch Zeit lassen. „Die Immunität hält auch zwischen drei und sechs Monaten an“, sagt Horstmann. Für die meisten anderen dürfte der Omikron-Booster eine gute Wahl sein – insbesondere „wenn die Impfung oder Infektion lange zurückliegt“, sagt von Lackum. „Der kommende BA.1/2-Impfstoff wirkt auch gut gegen BA.4/5.“
Er erklärt aber auch stets dazu: „Es kann sein, dass ihr im Dezember noch eine Impfung braucht.“ Vielen sei das durchaus bewusst, sie sagten: „Ich lasse mich gern alle drei Monate impfen, wenn ich nicht schwer krank werde und oder meine Freiheit behalte.“
Fälle von Impfmüdigkeit
Es gibt natürlich Fälle von Impfmüdigkeit, weiß von Lackum. Ein Patient über sechzig, dreimal geimpft und dennoch erkrankt, hat ihm nun klar gesagt: „Ich lass mich nicht mehr impfen, das bringt ja nichts.“ Das muss von Lackum so hinnehmen. „Notieren und fertig.“ Aber etwa drei Viertel seiner Patientinnen und Patienten warten auf die neue Impfung, schätzt er. Bei Horstmann sind es fast alle. Und auch Prosper Rodewyk, Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Dortmund, glaubt: „Wer sich dreimal hat impfen lassen, will auch die vierte Impfung haben.“
„Heute morgen“, sagt von Lackum, „habe ich mit einer krebserkrankten Patientin gesprochen, die hatte ihre vierte Impfung schon im Januar – und stellt sich nun die Frage: Brauche ich eine fünfte? Das geht nur in der Einzelberatung.“
Man warte dringlich auf Empfehlungen der Stiko, sagt auch von Lackum. „Was ist, wenn Patienten unter sechzig, nicht vorerkrankt, die fünfte Impfung möchten? Ich hatte einen Fernfahrer hier, der aus beruflichen Gründen einen aktuellen Impfstatus braucht. Oder ein 17-Jähriger, der vor dem Abitur steht und eine vierte Impfung wünscht. Schüler müssen wir doch eigentlich auch schützen, Schulen waren geradezu Brutstätten für Covid.“
Auf dem Glatteis
Ärzte können solche Fälle entscheiden, nach Risikoaufklärung und Unterschrift – im Gegensatz zu Impfzentren, die sich strikt an die Stiko halten und den Fernfahrer und den Abiturienten wohl abweisen müssten. „Aber jedes Mal“, sagt von Lackum, „bewegen wir uns auf medizinisch-juristischem Glatteis.“
Dass es erneut zu langen Wartezeiten auf den Booster kommen wird, glauben die Ärzte nicht. Schon weil das Verfahren für die Auffrischungen deutlich vereinfacht wurde. So fallen die Aufklärungszettel weg. Und der Booster kann mit der Grippeimpfung gegeben werden. Links, rechts, fertig. Dennoch sei nicht auszuschließen, dass Ärzte und Helfer wieder an Samstagen oder Mittwochnachmittags auf die erhöhte Nachfrage reagieren müssen, sagt Horstmann.
In vielen Städten laufen noch die Beratungen zur Logistik. Es ist jedoch zu hören, dass die Öffnungszeiten der bestehenden Impfzentren hochgefahren werden sollen. In Dortmund etwa sollen auch die Heime angeschrieben werden und ihren Bedarf melden. Bislang war es so, erklärt Rodewyk, dass jedes Heim selbst Ärzte gefunden habe, die die Bewohner impfen. Sollte das nicht der Fall sein, gibt es eine Koordinierungsstelle. „Da haben wir gar kein Problem.“
Neuer Totimpfstoff verfügbar
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Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat am Mittwoch der französische Hersteller Valneva die ersten Dosen seines Ganzvirus-Totimpfstoffs nach Deutschland geliefert. Hinter der von der EU koordinierten Bestellung steckt die Hoffnung, dass Menschen, die der MRNA-Technologie skeptisch gegenüberstehen zu solchen traditionellen Impfstoffen greifen könnten. Zugelassen ist dieser zunächst für Patienten von 18 bis 50 Jahren.
Von Lackum ist jedoch nicht der einzige, der „null Nachfrage“ verzeichnet. „Ähnlich wie bei Novavax, das war auch ein Flop. Wir können an zwei Händen abzählen, was wir davon in Mülheim verimpft haben. Valneva wird zwar in öffentlichen Impfstellen vorgehalten werden, aber kaum in einer Praxis.“
Auch durch den Omikron-Booster „kriegen wir die Impfquote nicht wesentlich höher“, sagt Horstmann. Eine vorherige Impfung mit einem MRNA-Stoff ist ohnehin Voraussetzung für die Auffrischung. Und die Nachfragen nach Erstimpfungen, sagen alle drei Ärzte, sei weiterhin verschwindend gering.