Köln. Die Besucher bei der Gamescom wundern sich: Auf der größten Messe für elektronische Spiele ist es leer wie nie. Aber dafür gibt es viele Gründe.

Zwei Stunden ist Marc jetzt durch die tiefgekühlten Hallen der Kölner Messe geschlendert. „Neue Spiele ausprobieren“, will der 24-Jährige. Und wo geht das besser als auf der Gamescom in Köln? Zumal die Messe nach zwei digitalen Ausgaben ohne Publikum am Mittwoch wieder mit Besuchern begonnen hat. Trotzdem hat Marcs Begeisterung schnell nachgelassen. „Ist ja nichts los hier.“

Es gibt nicht viel zum Ausprobieren

Nichts vielleicht nicht, aber weniger als in den letzten Jahren vor Corona. Gut, am Mittwochmorgen dürfen nur Journalisten und Fachpublikum in die Hallen, ab Mittag aber auch Besitzer einer „Wildcard“. „So leer“, sagen viele von ihnen, „haben wir es am ersten Tag hier noch nie gesehen.“ „Im Grunde nicht schlecht“, finden das Lea (21) und Hannah (22). „Dann muss man nicht so lange warten, bis man mal selbst was ausprobieren kann.“ Das nutzt aber nichts, wenn es kaum etwas zum Ausprobieren gibt. „Ich wollte mal sehen, wie das neue FIFA-Fußball ist“, bestätigt Marc. „Das wird aber nirgendwo gezeigt.“

EA-Sports, Sony und Nintendo sind nicht bei der Gamescom

Denn Hersteller EA-Sports hat die Teilnahme an der Messe abgesagt. Ebenso wie Sony, Nintendo und Activision. Was ungefähr so ist, als würden VW, Opel, BMW und Mercedes nicht zur Internationalen Automobilausstellung kommen. „Alles was uns interessiert, ist nicht zu sehen“, haben am frühen Nachmittag auch drei Teenager aus Neuss festgestellt.

Genaue Gründe für ihre Absagen nennt keine Firma. Mal heißt es, man habe befürchtet, nicht genug Standpersonal zu bekommen, dann wieder muss die allgemeine Sorge vor Corona als Erklärung herhalten. Branchenkenner gehen allerdings davon aus, dass in diesem Jahr schlichtweg zu wenig Blockbuster-Titel auf den Markt kommen, die man auf der Messe schon hätte bewerben können.

Messestände sind extrem teuer geworden

Das will kein Unternehmenssprecher offiziell bestätigen, lässt zwischen den Zeilen aber durchblicken, dass der Platz für riesige Messestände extrem teuer geworden sei. „Da ist man schnell im siebenstelligen Bereich.“ Das ist viel Geld, zumal viele Anbieter in der Pandemie festgestellt haben, dass sie ihre Kunden über ihre eigenen Onlinekanäle viel günstiger erreichen.

Trotz Rückzugs der „Spieleriesen“ wird es noch voller werden in den kommenden Tagen. Denn natürlich gibt es in Köln auch neue Spiele zu sehen. In „Skull & Bones“ kann man sich unter Piraten begeben, in „Park Beyond“ einen Freizeitpark eröffnen. Weiterhin im Trend sind Simulationen jeglicher Art. Linienbus-, Trecker- oder Baggerfahrer kann man in immer realistischer werdender Grafik werden, kann als Polizist auf der Autobahn patrouillieren oder als Feuerwehrmann in den Straßen einer Großstadt. Früher oft belächelt, hat sich das Genre längst zu einem der erfolgreichsten der Branche entwickelt.

1100 Aussteller aus 53 Ländern – offiziell

Und wenn die Großen fehlen, dann können die Kleinen aus dem Schatten treten. In der „Indie-Arena“ in Halle 10 zeigen rund 130 unabhängige Spielentwickler aus aller Welt, was sie können. Kaum Wartezeiten gibt es hier vor dem Ausprobieren, und nicht selten steht der Programmierer mit am Stand. „Echte Perlen“, habe er entdeckt, schwärmt Joshua, der aus Frankfurt gekommen ist. „Die hätte ich im Internet komplett übersehen.“

Die Veranstalter, also Kölnmesse und der Spiele-Branchenverband Game, beginnen trotz allem schon einmal, ein wenig im Wald zu pfeifen. Zum einen verweisen sie gern auf die 1100 Aussteller aus 53 Ländern, die in diesem Jahr nach Köln gekommen sind. Dass dabei auch jeder der Händler mitgezählt wird, die in mehreren großen Hallen Werbeartikel vom T-Shirt, über Taschen und Poster bis hin zur Star Wars Fußmatte („Willkommen du bist“) verkaufen, bleibt gerne unerwähnt.

Keine „Blockbuster-Leistungsschau mehr

Die Gamescom, heißt es außerdem, verstehe sich mittlerweile ja weniger als „Blockbuster-Leistungsschau“, sondern eher als „Festival für die immer größere Gaming-Gemeinschaft“. „Zumindest die Zeit, in der Fans den ganzen Tag in Warteschlangen verbrachten, um am Ende drei Spiele ausprobiert zu haben, soll vorbei sein“, sagt Felix Falk, Geschäftsführer beim Verband Game.

Insgesamt geht es der Branche nicht schlecht. Zwar steigen die Umsätze längst nicht mehr so stark wie zu Beginn der Pandemie, aber nach einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom spielen 54 Prozent der Menschen in Deutschland ab 16 Jahren wenigstens hin und wieder. Das sind vier Prozent mehr als vor einem Jahr.

25 Euro Eintritt statt 16,50 Euro

Am Ende ist dann selbst Marc zufrieden. „Ein paar interessante Spiele habe ich doch noch entdeckt.“ Ob er wiederkommt nächstes Jahr, kann er dennoch nicht sagen. Denn die Veranstalter haben „unter Berücksichtigung allgemein gestiegener Kosten in nahezu allen Bereichen“ die Eintrittspreise drastisch erhöht. 25 Euro statt 16,50 Euro wie vor Corona hat Marc für seine Tageskarte bezahlt. Dazu kommen Anfahrt und ein paar Pommes am Mittag, „da bin ich schnell auf 50 Euro.“ Wenn es noch teurer werde, sagt der Dortmunder, „war ich heute zum letzten Mal hier.“

INFOS:

Die Gamescom in Köln ist noch bis Sonntag täglich von 9 bis 20 Uhr geöffnet. Der Samstag ist ausverkauft, für alle anderen Tage gibt es noch Eintrittskarten unter www.gamescom.de. Vor Ort können keine Tickets gekauft werden. Analog zu den Vorjahren müssen die Besucherinnen und Besucher am Gamescom-Eingang ihren Personalausweis vorzeigen – behelfsweise Krankenkassenkarte mit Foto, Reisepass oder Führerschein. Im Gegenzug gibt es ein kostenloses Handgelenks-Bändchen in – je nach Alter des Besuchers – unterschiedlichen Farben. Das Standpersonal kann so auf den ersten Blick erkennen, ob das entsprechende Spiel zugänglich gemacht werden darf. Immerhin ist jeder dritte Gamescom-Privatbesucher noch nicht volljährig. Grundsätzlich gilt: kein Altersbändchen, kein Anspielen.