Essen. Das unter Arabern beliebte Hawala-Banking beruht auf Vertrauen. Das sollen drei in Essen angeklagte junge Iraker ausgenutzt haben.
Drei junge Iraker aus Thüringen sollen bundesweit das Vertrauen ihrer Landsleute ausgenutzt und sie ausgeraubt haben. Bei Überfällen in Essen, Karlsruhe und Leipzig sollen sie innerhalb von drei Monaten rund 30.000 Euro erbeutet haben. Zum Prozessauftakt vor der XVI. Essener Strafkammer schwiegen die 23 bis 26 Jahre alten Männer zunächst.
Staatsanwalt Thomas Holz, der die Anklage vertritt, ist sicher, dass die Angeklagten als Hawala-Banker auftraten, um sich das Vertrauen der Opfer zu erschleichen. Hawala-Banking ist eine unter Arabern seit Jahrhunderten beliebte Form des Geldtransfers ohne offizielle Geldinstitute. In Deutschland ist das Geschäftsmodell strafbar.
Schnell und illegal Geld transferiert
Es funktioniert nach einfachen Regeln: Wer von Deutschland aus Geld in Länder des Nahen Osten überweisen will, gibt das Bargeld hier einer Vertrauensperson. Sie weist dann eine weitere Vertrauensperson in der Heimat an, dem Empfänger das Geld auszuzahlen. Das geht natürlich sehr schnell. Tatsächlich werden die Scheine über Tausende Kilometer von Hand zu Hand weitergereicht, bis sie im Nahen Osten ankommen.
Ganz billig ist das System nicht, weil Provisionen gezahlt werden müssen. Es hat aber den Vorteil, dass so auch illegale Gelder, etwa Gewinne aus Drogengeschäften oder Schwarzarbeit, transferiert werden, ohne dass staatliche Stellen es mitbekomen.
Mit Gewalt Bargeld erbeutet
Die Variante der drei Iraker und weiterer Männer laut Anklage: Sie warben für sich als Hawala-Banker und nahmen tatsächlich Geld entgegen. Falls ihre Kunden misstrauisch wurden, sollen sie Reizgas, Messer oder pistolenähnliche Gegenstände eingesetzt haben.
Ausgelöst wurden die Ermittlungen gegen die Gruppe durch den ersten Überfall in Essen. Am 20. Oktober 2021 waren zwei der Angeklagten mit zwei Mittätern bei einem Landsmann im Essener Stadtteil Steele erschienen. Zwei Männer betraten die Wohnung des späteren Opfers. Als es aus einem Schrank einen Beutel mit Bargeld holte, heißt es in der Anklage, telefonierte einer der Männer die draußen wartenden zur Verstärkung herbei.
Pfefferspray ins Gesicht
Sie sollen dem Mann Pfefferspray ins Gesicht gesprüht haben, um an den Beutel zu kommen. Er wehrte sich, andere Familienmitglieder kamen hinzu. Schließlich sollen die Täter Messer eingesetzt und den Mann sowie dessen Frau an der Hand verletzt haben. Schließlich flüchteten sie mit dem Beutel und erbeuteten so 8000 Euro sowie Goldschmuck.
Am 4. Januar 2021 sollen sie einen weiteren Landsmann in Leipzig überfallen haben. Sie hatten mit ihm einen Treffpunkt zur Übergabe von 5300 Euro Bargeld vereinbart haben. Als sie das Geld sahen, sollen sie ihn mit pistolenähnlichen Gegenständen bedroht und die Scheine abgenommen haben.
In Karlsruhe 17.000 Euro erbeutet
Am 23. Januar 2022 sollen die Angeklagten in Karlsruhe eine Frau getroffen haben, die ihnen 17.000 Euro überreichte. Das Geld sollte an ihre Familie im Irak weitergeleitet werden. Dafür gab sie ihnen zusätzlich 620 Euro Provision.
Als die Frau darauf bestand, eine Quittung zu bekommen, zeigten die Täter ein anderes Gesicht. Einer stach mit einem Messer zu und verletzte sie am Mittelfinger. Danach flüchteten die Räuber.
Umfangreiche Ermittlungen
Nach der Essener Tat im Oktober 2021 hatte die Polizei umfangreiche Ermittlungen eingeleitet und Telefone überwacht. So kam sie auf die Angeklagten. Die Opfer kooperierten bei den Ermittlungen, in einem Punkt aber widersprachen sie den Ermittlern.
Sie betonten, sie hätten keineswegs das illegale Hawala-Banking nutzen wollen. Einer sagte, er habe ein Auto kaufen wollen, ein anderer meinte, das Geld sei für die Operation einer ihm unbekannten Frau als Spende gedacht gewesen. Sechs Prozesstage hat die Kammer angesetzt.