Herne. Zum ersten Mal hat ein Paar auf dem Cranger Riesenrad geheiratet. In 50 Metern Höhe sagten die Heusipps Ja. Warum es danach schnell abwärts ging.

Unten auf dem Kirmesplatz läuten die Glocken, oben in Gondel Nr. 17 fotografiert der Standesbeamte den Hochzeitskuss. Als erstes Paar überhaupt haben sich Thomas Heusipp und Liane Holley am Dienstag auf dem Cranger Riesenrad das Ja-Wort gegeben. „Ein Muss“ für Wanne-Eickeler, hat der Bräutigam gesagt, aber vor lauter Aufregung die Höhenangst der Braut vergessen – und an ein gewisses Schaukeln im Wind hat schon gar keiner gedacht. Die Unterschrift also leisten die beiden nach kurzem Höhenflug auf dem sicheren Boden der Tatsachen.

Sie wollten nur spielen, Thomas aus Herne und Liane aus Dresden, 13 Jahre ist das her. Im Internet haben sie sich kennengelernt, wie das heute so läuft, aber es war kein Dating-Portal und „ohne irgendwelche Absichten“: Er, heute 54, und sie, 60, haben online gekniffelt. Dann telefoniert. Fotos getauscht. Und an einem sonnigen Tag im August, natürlich war gerade Cranger Kirmes, fuhr der Hausmeister mit einem geliehenen Lkw nach Sachsen, um seine Liane abzuholen, mitsamt Hund, Katze und Kaninchen. Es war ihre erste persönliche Begegnung. Das Datum steht nun in ihren Trauringen.

Geschafft: Liane und Thomas Heusipp fuhren im Riesenrad in den siebten Himmel. Die Unterschrift leisteten sie lieber unten.
Geschafft: Liane und Thomas Heusipp fuhren im Riesenrad in den siebten Himmel. Die Unterschrift leisteten sie lieber unten. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Standesbeamte kommen zu zweit: Falls sie die Höhe nicht vertragen

„Die Ringe sind aus Wanne-Mitte“!, ruft Thomas Heusipp noch, als das Riesenrad, beim „Jupiter“!, sich in Bewegung setzt, ganz langsam, das haben sie so bestellt. „Romantik-Modus“, sagt jemand. Aber ohne Musik, die Kirmes schläft noch, es ist kurz nach zwölf. Sie wollen ja auch den Standesbeamten verstehen, der mindestens ebenso aufgeregt ist wie das Paar: Christoph Waluga macht den Job seit zehn Jahren, aber Riesenrad, das ist Neuland auch für ihn. Für eine zweite Trauung hat er eine Kollegin mitgebracht, „wir wissen ja nicht, ob wir’s vertragen“.

Das hat Liane Holley vorher auch nicht gewusst, aber auch nicht darüber nachgedacht. Sie trägt silberne Herzchen in den Ohren und um den Hals ein Herz gehängt, ein weiß gemustertes Sommerkleid und ein paar schwitzende Gerbera im Arm. Dazu weiße Turnschuhe, wie er, seine weiße Kappe zum Hemd nimmt er nicht ab. So wollten sie schon vor Jahren heiraten, aber dann kamen Krankheiten dazwischen und später Corona, und es gab gar keine Kirmes. Dabei gibt es keinen besseren Ort und keinen besseren Zeitpunkt, da ist Thomas sicher.

In 50 Metern Höhe kämpft der Standesbeamte mit dem Wind

Auch interessant

Er mietet also Gondel 17 und die 16 dazu für seine Tochter und den Nachbarn, der heute Geburtstag hat, bucht noch eine Flasche Prosecco dazu und legt ein Crange-Bändchen ums Handgelenk. Und tritt an „zum letzten Schritt, dass wir auch alles legal haben“. Standesbeamter Waluga lobt: „Das sind die besten Voraussetzungen, dass Sie persönlich erschienen sind.“ Das kleine Publikum hört es nicht mehr, die Hochzeit in Gänze ist Richtung siebter Himmel entschwunden, oben kämpft Waluga mit dem Wind: Die Zettel fliegen, aus der Trockenblumen-Deko wehen ihm Blüten in den Mund.

Es kommen aber auch schöne wieder heraus: dass das Leben manchmal „wie eine Achterbahn“ mit Loopings ist, dass man „wie an der Losbude mal einen Gewinn, mal eine Niete“ zieht. Dass die Menschen so vielfältig sind wie die Buden und Fahrgeschäfte und dass man gemeinsam nicht nur in der Geisterbahn weniger Angst hat. „Sehr schön“ findet Liane, da noch Holley, diese Worte, sie sagt das kräftig, aber hinunterschauen auf die Kirmes und bis zum Horizont will sie lieber nicht. „Dann schauen wir uns in die Augen“, beruhigt Waluga, und das passt ja auch besser.

Die Hochzeit geschafft, die Aussicht wunderbar

Arbeiten in luftiger Höhe: Für Christoph Waluga, Standesbeamter der Stadt Herne, war die Hochzeit im Riesenrad auch „das erste Mal“.
Arbeiten in luftiger Höhe: Für Christoph Waluga, Standesbeamter der Stadt Herne, war die Hochzeit im Riesenrad auch „das erste Mal“. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Offenheit, Zärtlichkeit, Achtung, Vertrauen empfiehlt er den Brautleuten für die Ehe, und „hier und da ein Kompliment“. Das haben sie sich gerade noch gegeben, da saßen sie noch sicher an der Bude gegenüber. Was Thomas an seiner Verlobten liebt? „Sie ist zuverlässig“, hat er da gesagt, „sie tut alles für mich. Aber ich würde auch alles für sie tun.“ Und Liane: Die lässt lieber ihn reden und fasst sich kurz. „Ich mag alles an ihm.“ Hach, da muss Thomas schlucken, „das hätte mir mal einfallen sollen“!

Sie haben noch keine zwei Runden gedreht, da geht aus Gründen alles ganz schnell: Das „Ja“ von Thomas kommt prompt, das „Ja“ von Liane fast gleichzeitig mit dem des Beamten. „Zack, Sie sind nun verheiratet.“ Sie haben Rudolf Barth vom Riesenrad schon ein Zeichen gegeben, runter jetzt!, der frischgebackene Ehemann küsst die Gattin, „Frau Heusipp“. Ob sich das nun anders anfühle? Ach, sie sind ja schon so lange zusammen, „aber die Aussicht ist wunderbar“. Und die Hochzeit „geschafft, endlich mal“. Einmalig, findet der Standesbeamte. „Das werden Sie auf jeden Fall nicht vergessen“.

Für das Ehepaar ein Likörchen, Sorte „Mond von Wanne-Eickel“

Den Schreibkram allerdings müssen sie unten machen, Frau Heusipp zittert und ist jetzt ziemlich blass. Sie sei „mutig und tapfer“ gewesen, tröstet Waluga, sie waren schließlich beim Ja-Wort „fast oben“, aber er selbst hätte fast die Ausweise vergessen und die Urkunde. Möge es ab jetzt nur noch aufwärts gehen!, wünscht jemand, das erste Hochzeitsgeschenk ist ein Likörchen, Sorte „Mond von Wanne-Eickel“.

Aus dem „Fahrgeschäfte-Alter eigentlich schon raus“: Thomas Heusipp wollte seine Liane trotzdem unbedingt im Riesenrad heiraten.
Aus dem „Fahrgeschäfte-Alter eigentlich schon raus“: Thomas Heusipp wollte seine Liane trotzdem unbedingt im Riesenrad heiraten. © Funke Foto Services | Olaf Ziegler

>>INFO: HOCHZEIT AUF CRANGE

Hochzeiten auf dem Riesenrad werden auf der Cranger Kirmes in diesem Jahr erstmals angeboten. Vier Paare haben sich angemeldet, für das nächste Jahr werden weitere Interessenten erwartet. Die Miete für die 20-minütige Zeremonie in der Gondel kostet beim Riesenrad „Jupiter“ 60 Euro, eine zusätzliche Gondel für Gäste 30 Euro. Auch Dekoration und ein anschließender Umtrunk können mitgebucht werden.

Die Schausteller-Familie Barth ist mit ihrem 50 Meter hohen Riesenrad zum ersten Mal auf Crange, sie sprang kurzfristig ein. Für Rudolf und Janine Barth ist diese Kirmes „die größte, auf der wir je gehalten haben“. Dabei war der Großvater schon mit seinem „Fliegenden Teppich“ da.