Ruhrgebiet. An der neuen Ruhr-Badestelle ist Baden oft verboten. Denn auf Regen folgt eine lange Prozedur, ob Gefahren bestehen. Stadt will das überprüfen.

Sabine Hermann* teilt sich gerade die Badestelle mit etwa 50 Gänsen, sie zieht ihre unmarkierten Bahnen in der Ruhr, die Gänse dümpeln eher, gucken aber wenigstens interessiert: Ein Mensch im Wasser, wie das? Es ist freilich schon der vierte Tag hintereinander, an dem die Lehrerin hier zur Ruhr gekommen und sofort ins Wasser gestiegen ist: „Ich liebe es, in der Natur zu schwimmen“, sagt sie: „Und mit den Gänsen.“

Knapp eine Woche ist die Badestelle in Bochum-Dahlhausen nun geöffnet, die einzige offiziell zugelassene an der Ruhr neben der am Essener Baldeneysee - und die wirklich einzige an der fließenden Ruhr. Wobei: geöffnet? Auch am Mittwoch noch stehen die zwei Badeampeln links und rechts sowie die eine im Internet bis mittags auf rot, wie schon seit dem Wochenende. Menschen, die am Ufer sitzen oder liegen, sind überwiegend unbeeindruckt: „Ich weiß selbst, was ich mir zutrauen kann“, sagt eine Frau. Doch das ist nicht der Punkt.

Durch zu viel Regen könnten Darmbakterien aus Kläranlagen angespült werden

Zwei solche Ampeln stehen jetzt in Bochum-Dahlhausen an der Ruhr.
Zwei solche Ampeln stehen jetzt in Bochum-Dahlhausen an der Ruhr. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Der Grund für die Schließung kurz nach der Eröffnung ist ein vielleicht etwas überkomplex geratenes Überwachungssystem. Es funktioniert so: Der Ruhrverband schaut in die Niederschlagsdaten von Essen-Steele sowie sieben weiterer Stationen im Umfeld von Dahlhausen. „Das Frühwarnsystem prüft stündlich, ob eine Tagesniederschlagssumme von drei Millimetern an mindestens drei Stationen oder eine Tagesniederschlagssumme von fünf Millimetern an der Messstation Steele überschritten wurde“, heißt es auf bochum.de/badestelle.

Wir kürzen das jetzt ab. Durch den Regen, so wird befürchtet, könnten aus Kläranlagen oder verschmutztem Oberflächenwasser zu viele tierische Darmbakterien angespült werden. Das muss untersucht werden. „Um dies festzustellen“, heißt es verschlungen, „erfolgt innerhalb eines durch das Frühwarnsystem definierten Zeitraumes eine Kontrollmessung. Bis das Ergebnis vorliegt, vergehen weitere 48 Stunden.“ Erst dann werde das Badeverbot wieder aufgehoben.

„Sicherheit geht für uns vor, wir wollen vermeiden, dass Menschen erkranken“

Heißt auf Deutsch: Nach einem starken Regen in Steele (oder drei nicht ganz so starken im Umfeld) ist das Schwimmen vier Tage verboten. An der Badestelle teilen sich dazu die Meinungen: Eine Frau begrüßt das „wegen der Sicherheit“, eine andere sagt, man könne vielleicht Varianten suchen, das zu beschleunigen: So wie jetzt „ist es ein bisschen unsinnig“.

Die andere Badestelle, „Seaside Beach“ am Baldeneysee, unterliegt derselben Überwachung. In der WDR-Lokalzeit beschreibt Betreiber Klaus Walterscheid, dass bei tausenden Messungen seit der Eröffnung 2017 die Werte fast immer schon am dritten Tag nach den Regen wieder in Ordnung gewesen seien.

Spöttern fiel zu den penetrant roten Ampeln das schöne Wort vom „Ruhrkrepierer“ ein, aber die Stadtverwaltung sieht das natürlich anders. „Sicherheit geht für uns vor, wir wollen vermeiden, dass Menschen erkranken“, sagt Thomas Sprenger, Sprecher der Stadt Bochum. Nach der Saison werde man (ebenso wie die Stadt Essen) „reflektieren, ob es Veränderungsnotwendigkeiten gibt“.

„Wenig Strömung, man kommt gut rein, anfangs ist es flach“

Seaside Beach, die andere offizielle Badestelle, kommt am Baldeneysee auf 70 bis 90 Tage, an denen geschwommen werden darf.
Seaside Beach, die andere offizielle Badestelle, kommt am Baldeneysee auf 70 bis 90 Tage, an denen geschwommen werden darf. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Ricarda und Johanna ist das egal, zwei Freundinnen aus Bochum und Witten. Sie schwimmen eh hier in der Ruhr, Badestelle hin oder her. „Wenig Strömung, man kommt gut rein, anfangs ist es flach“, sagt Ricarda. Die Gänse, die ziemlich distanzlos rechts und links ihres Handtuchs stehen, gerade außer Reichweite ihres Arms, „die gehören zur Natur dazu“. Deren weit verbreiteten Hinterlassenschaften allerdings auch.

Nein, im Ernst: Die Stelle ist gut gewählt, die Liegewiese riesig, der Schatten endlich, wenn es voll wird. Es gibt keine Aufsicht und bis auf Toiletten und Mülleimer auch keine Infrastruktur, aber Eis, Kaffee und Brötchen, Pizza und Pflaster findet man im kleinen Zentrum von Dahlhausen, fünf bis zehn Fußminuten entfernt. Um die Stelle zu finden, kann man dem Navi „Ruhrmühle“ eingeben, die nächstgelegene Straße; aber fahren Sie da nicht rein, Sie können dort nicht parken. Im ganzen, kleinen Dahlhausen ist das schwierig, im Zentrum gibt es nur zwei mittelkleine Parkplätze für Autos.

Die Stadt kontrolliert, denn Schwimmen bei Rot ist ordnungswidrig

Allerdings läuft man vom Bahnhof Bochum-Dahlhausen der S3 (Hattingen-Essen-Oberhausen) auch nur fünf Minuten. Dort kommen gerade drei junge Männer die Treppe herunter, fragen eine Frau nach der Badestelle. „Da drüben“, sagt und zeigt sie, und der kleine Junge neben ihr kommentiert aus dem Stand: „Da ist eine Ampel, aber wenn da rot steht, kann man trotzdem schwimmen.“

Um das aber auch zu schreiben: Die Stadt hat Kontrollen angekündigt, denn Schwimmen bei Rot ist eine Ordnungswidrigkeit. Sabine Hermann* will dennoch am Donnerstag wieder hier ins Wasser. „Man hat hier so eine Weitläufigkeit“, sagt sie: „Und der Kormoran, da, vor uns. Schön!“ Sie kennt aber auch die Wettervorhersage und weiß, dass es Regen geben soll. Ob darunter ein starker in Steele ist oder drei weniger starke im Umfeld, das weiß man allerdings noch nicht so genau.

*Name geändert