Essen./Gelsenkirchen. Die Anklage spricht von einer Racheaktion nach einer Familienfeier. Doch warum ein Gelsenkirchener niedergestochen wurde, ist unklar.

Sie sind Cousins, trafen sich in der Vergangenheit bei Familienfeiern. Genau das soll aber der Grund sein, warum Andreas W. (49) aus Schwalmtal am 13. Januar 2020 in Gelsenkirchen auf seinen Cousin mit Messer, Pistole und Elektroschocker losging. Angeklagt ist Andreas W. am Dienstag vor dem Essener Schwurgericht wegen eines heimtückischen Mordversuches aus niedrigen Beweggründen.

Angesichts der familiären Auseinandersetzung hat das Gericht erhöhte Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Doch es bleibt ruhig unter den Zuhörern.

Maskierte griffen heimtückisch an

Das Opfer wohnt in Mönchengladbach, fuhr aber am 13. Januar 2020 abends mit seiner schwangeren Lebensgefährtin zu deren Wohnung im Gelsenkirchener Ortsteil Schalke. Als der junge Mann noch am Kofferraum seines Autos stand, sollen ihn plötzlich zwei mit Motorradhauben maskierte Männer angegriffen haben.

Die beiden sollen unvermittelt auf ihn losgegangen sein. Mit dem Elektroschocker traktierten sie seinen Rücken, einer schlug mit der Pistole auf seinen Kopf, mit den Messern zielten sie auf Kopf und Hals.

Pistole an den Hals gehalten

Als er sich wehrte, soll der zweite Mann ihm von hinten das Messer in den Oberschenkel gestoßen und einen Muskel durchtrennt haben. Auch als er am Boden lag, sollen sie weiter mit den Messern auf ihn eingestochen und die Pistole an seinen Hals gehalten haben.

Diesen Moment soll die Lebensgefährtin des Opfers genutzt und einem der Angreifer vor den Hals getreten haben. Dabei sei dessen Maske verrutscht, sie sah sein Gesicht. Laut Anklage erkannte sie Andreas W., den Cousin ihres Freundes.

Deutlich sichtbare Blutspur auf der Straße

Dieser, so liest Staatsanwältin Elisa Fähnrich vor, brach seine Aktion sofort ab und suchte mit seinem bis heute unbekannt gebliebenen Komplizen das Weite. Sein Opfer erlitt laut Anklage 15 Schnitt- und Stichverletzungen. Ein Polizist schilderte am Dienstag, wie er von der Straße aus eine deutlich sichtbare Blutspur zum Wohnhaus verfolgen konnte. Die Verletzungen, die im Krankenhaus versorgt wurden, gelten der Anklage als potentiell lebensgefährlich, weil große Blutgefäße in der Nähe der Einstiche verlaufen.

Schnell hatten die Beamten den auch vom Opfer bestätigten Hinweis auf Andreas W. gehört. Doch die Suche nach ihm gestaltete sich schwierig. Erst gut zwei Jahre nach der Tat spürte die Polizei ihn in den Niederlanden auf. Dabei soll er bestritten haben, der Gesuchte zu sein.

Angeklagter schweigt zu den Vorwürfen

Zu den Vorwürfen hatte der 49-Jährige im Ermittlungsverfahren geschwiegen. Bei dieser Strategie blieb er auch am Dienstag, als Richter Moritz Sendlak ihn fragte, ob er reden oder schweigen wolle.

Laut Anklage soll eine Familienfeier in Mönchengladbach der Grund für die Gelsenkirchener Tat gewesen sein. Mehrere Familienmitglieder hatten davon erzählt. Im Oktober 2019, also drei Monate vor der jetzt angeklagten Tat, seien Andreas W. und sein Vater auf den Onkel des späteren Opfers losgegangen. Sie hätten versucht, ihm eine Schnittverletzung im Gesicht zu verpassen.

Sieben weitere Verhandlungstage geplant

Damit seien sie aber gescheitert, weil das spätere Opfer und dessen Bruder dem Onkel geholfen hätten. Seit diesem Tag sei Andreas W. auf Rache aus. Es werden innerhalb der Familie Geschichten erzählt, wie er verfeindeten Familienmitgliedern schon bei anderen Gelegenheiten aufgelauert haben soll, wie er sich Schießereien geliefert habe.

Sieben weitere Verhandlungstage hat das Schwurgericht geplant. Es wird auch darauf ankommen, ob die Familienmitglieder bei ihren Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren bleiben.