Essen/Düsseldorf. Warum Verzögerungen bei der Abfertigung am Düsseldorfer Flughafen jetzt auch Auswirkungen auf das Leben der Anwohner haben.
Draußen sitzen? Im Garten? Jürgen Weichelt winkt ab. „Können Sie vergessen.“ Nicht hier, nicht in Essen-Kettwig, direkt in der Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens, wo Weichelt wohnt. „Alle 90 Sekunden ein Überflug“, sagt Weichelt. Und dann die Flieger, die nach den regulären Betriebszeiten, also nach 23 Uhr hereinkommen, weil sie Verspätung haben. „Es wird immer schlimmer“, ist Weichelt überzeugt.
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Georg Regniet, Sprecher des Vereins „Bürger gegen Fluglärm“ hat die passenden Zahlen parat. 59 Maschinen sind allein zwischen Pfingstfreitag und Pfingstmontag nach 23 Uhr auf dem Flughafen der Landeshauptstadt gelandet. 19 am Samstag, 16 am Samstag, 14 am Sonntag, zehn am Montag.
Flughafen Düsseldorf: „Es gibt zu viele Verspätungen“
Flughafensprecher Marcus Schaff bestätigt die Zahlen der Fluglärmgegner. „Aber“, sagt er auch, „Pfingsten ist schon mehr los.“ 1700 Flugbewegungen wurden registriert und 226.000 Passagiere. Klar, Zahlen, die weit entfernt sind vom Start in die Sommerferien, „aber trotzdem deutlich höher als an einem normalen Wochenende“.
Anfang Juli legt eine weitere Bürgerinitiative, die „Kaarster gegen Fluglärm“ (kagf), auf ihrer Internetseite nach. Sie zählten am Flughafen Düsseldorf für Juni insgesamt 316 Landungen nach 23 Uhr, sieben sogar erst nach Mitternacht. Und stellen den Juni 2022 dem Juni 2019 gegenüber: Damals seien bei rund 20.000 Flugbewegungen 253 Verspätungen nach 23 Uhr registriert worden, im vergangenen Monat dagegen 316 bei „nur“ 13.652. Ihr Fazit: „Das ist das Ergebnis eines unfähigen Flughafenmanagements, dessen Folgen wir als Anwohner zu tragen haben.“
Die Bürgerinitiative um Regniet will das Argument des Flughafens, an Pfingsten etwa sei mehr los, so deshalb nicht stehen lassen. „Es gibt einfach zu viele Verspätungen“, stellt Regniet klar. Selbst da kann Schaff nicht widersprechen, verweist aber auf die Komplexität des Systems Flugverkehr. „Im Luftverkehr führt der Personalmangel aktuell europaweit zu verzögerten Prozessen“, versichert auch Thomas Schnalke, Chef des Düsseldorfer Airports.
Probleme gibt es an vielen Flughäfen
Probleme gebe es jedenfalls an vielen Flugplätzen, sagt Schaff. Deshalb würden die Verspätungen einzelner Flugzeuge im Laufe des Tages immer größer. Regniet kennt die Probleme, hat aber die Flugpläne im Internet genau verfolgt und festgestellt: „Die Verspätungen entstehen in der Regel bereits vor dem ersten Start in Düsseldorf. Die Umladezeiten an den Zielflughäfen halten sich dagegen in Grenzen.“ Aber Maschinen, die morgens nicht pünktlich abheben, könnten die Verspätung auf ihren Umläufen nicht mehr aufholen und seien deshalb erst nach 23 Uhr wieder im Anflug auf die Landeshauptstadt.
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Es sei „nicht akzeptabel“, Probleme bei der Abfertigung oder an der Sicherheitskontrolle auf dem Rücken der Anwohner auszutragen, stellt Regniet klar. Zumal der Flugverkehr ja nicht überraschend wieder zugenommen habe. „Es gab genügend Zeit zur Vorbereitung.“
20 Prozent des Personals fehlen
Aber offenbar nicht genug, um die Leute zu ersetzen, die ihren Job am Flughafen in der Pandemie aufgegeben und sich andere Arbeit gesucht haben. „Über alle Standorte hinweg fehlen den Dienstleistern, die an der Abfertigung der Passagiere beteiligt sind, rund 20 Prozent Bodenpersonal im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, Ralph Beisel.
In Düsseldorf will der Flughafen deshalb Eigeninitiative zeigen. „Wir haben einen Maßnahmenkatalog aufgesetzt, mit dem wir in der gesamten Prozesskette unterstützen und entlasten wollen“, sagt Flughafenchef Schnalke. Grundsätzlich seien Gepäckausladung und –ausgabe zwar weiterhin eigentlich Sache der Airlines.
Flughafen will bei der Gepäckausgabe helfen
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Trotzdem werde man die Fluggesellschaften in der Ferienzeit zu Stoßzeiten „mit eigenen Teams aus qualifizierten Vorfeld-Mitarbeitern unterstützen“. Außerdem will der Airport die für die Sicherheitskontrollen zuständige Bundespolizei und deren Dienstleister mit ständig aktualisierten Daten zum erwarteten Passagieraufkommen versorgen, um die Personalplanung zu erleichtern.
All das soll zu kürzeren Wartezeiten für Passagiere, mehr Pünktlichkeit und damit weniger Landungen nach 23 Uhr führen. Experten warnen dennoch davor, dass es nicht nur in Düsseldorf während der Sommerferien zu Staus vor Check-In und Sicherheitskontrolle kommen kann und raten dringend zu „früher Anreise“. Auch bei der Bürgerinitiative bleibt man skeptisch. Falls die Zahl der späten Ankünfte nicht zurückgehe, sagt Regniet, sehe er nur eine Lösung: „Im schlimmsten Fall muss man diese Flüge dann auch mal streichen.“
Was vor 23 Uhr lande, sei schlimm genug, findet Jürgen Weichelt mit Blick auf die bevorstehenden Sommerferien. „Die schlimmsten Wochen“, weiß er aus Erfahrung, „die kommen erst noch.“