Frankenfeld. Die Waldecks haben mit „Shiftphones“ ein ungewöhnliches Unternehmen gegründet. Sie wollen nicht viele Geräte verkaufen, sondern langlebige.

Sprung im Bildschirm, Kurzschluss in der Kloschüssel, der Akku pfeift auf der letzten Buchse? Zwei Brüder aus dem hessischen Frankenfeld fanden, dass zu viele Handys zu früh zu Elektroschrott werden – und gründeten mit ihrem Vater 2014 „Shiftphones“. Ein Gespräch mit Samuel Waldeck über Telefone, die man selbst reparieren kann, über faire Arbeit in China und kleine Gehälter für Geschäftsführer.

Ein Smartphone stellt man sich unglaublich komplex vor. Wie gründet man denn eine Firma, die so etwas herstellt?

Samuel und Carsten Waldeck (v. l.) haben 2014 gemeinsam mit ihrem Vater Shiftphones gegründet.
Samuel und Carsten Waldeck (v. l.) haben 2014 gemeinsam mit ihrem Vater Shiftphones gegründet. © Shiftphones

Samuel Waldeck: Es hat angefangen mit einem Crowdfunding-Projekt für einen Kamerakran. Der nächste Schritt war ein Referenzmonitor für die Kamera auf dem Kran – daraus ist unser erstes Tablet entstanden. Erst mal muss man nach Partnern suchen, die mit einem das Produkt entwickeln. Die gibt es eigentlich nur in Asien. Das war nicht so leicht, denn wir wollten zunächst nur 1000 Geräte herstellen. Über viele Umwege haben wir es aber realisieren können. Mittlerweile entwickeln wir selbst und hauptsächlich in Deutschland. Die Idee, ein Smartphone zu bauen, haben wir aber schon das erste Mal öffentlich gemacht in der Diplomarbeit meines Bruders 1998. Darin hatte er schon ein Gerät designt, das er iPhone nannte – fast zehn Jahre, bevor Apple sein erstes Telefon auf den Markt brachte.

Auch bei anderen Herstellern kann man das Display reparieren oder den Akku tauschen lassen...

Die Teile, die am schnellsten kaputt gehen können, sind bei uns auch am einfachsten zu wechseln. Dadurch haben wir einen komplett anderen Geräteaufbau in Modulen. Der Akku ist werkzeuglos in wenigen Sekunden wechselbar, für andere Bauteile liegt ein Torx3-Schraubendreher bei. Es müssen keine Fachleute ran, dadurch werden Reparaturen günstiger und lohnen sich wieder.

Die technische Entwicklung ist rasant. Nachhaltigkeit ist auf längere Zeiträume angelegt. Widerspricht sich das nicht?

Die Innovationskurve flacht ja ab. Die meisten Leute verwenden ihre Geräte heute mindestens drei Jahre. Wozu brauche ich jetzt ein Kameralinschen mehr oder noch mehr Speicher? Wir sind auch der einzige Hersteller, der Geräte zurücknimmt, um sie aufzubereiten oder zu recyceln. Dafür gibt es ein Gerätepfand von 22 Euro und eine Upgrade-Option, wenn man auf ein neueres Modell umsteigen will. Der Kunde bekommt den vollen Wiederverkaufspreis. So kümmern wir uns darum, dass alte Geräte weiter verwendet werden.

Alle wie viel Jahre müsst ihr eure Technik aktualisieren?

Auch interessant

Natürlich sind wir nur ein kleines Team – 40 Mitarbeiter in Deutschland, zehn in China – und können nicht so schnell entwickeln wie Apple. Wir brauchen etwa eineinhalb Jahre für die Entwicklung eines neuen Gerätes.

Ihr stellt in China her. Ist nicht auch eine Produktion in Deutschland denkbar?

Alles was Maschinen machen können, findet bei unseren Zulieferern statt. Bei der Endmontage brauchen wir menschliche Arbeitskraft. Das könnte überall stattfinden, aber fast alle Komponenten kommen aus China und sind empfindlich, müssen also besonders geschützt transportiert werden, zum Teil auch klimatisiert. Wir haben es so gelöst, dass wir ein Kreislaufsystem mit Mehrwegverpackungen aufgebaut haben. Das geht aber nur innerhalb von China, sonst würde es die CO2-Bilanz verhageln. Wir haben daher unsere Vorstellungen von Fertigung nach China gebracht. Unsere zehn Mitarbeiter sitzen in Hangzhou, wo es mit die größte Lebenszufriedenheit in China gibt. Sie verdienen etwa das Dreifache des Mindestlohnes und können davon mit ihren Familien gut leben.

Ihr schüttet keine Gewinne aus, heißt es. Aber ihr zahlt euch doch sicher Gehälter?

Ja, in unserem Wirkungsbericht haben wir unser Gehalt veröffentlicht. Wir bekommen 3200 Euro brutto. Mehr brauchen wir nicht auf dem Land. Uns ist es wichtiger, Dinge zu bewegen. Das macht uns glücklicher als ein tolleres Haus oder ein besonderes Auto. Das sind Sachen, die uns nicht so jucken.

>> Info: Fairphone ist der Platzhirsch

Shiftphones ist nicht der einzige Anbieter „fairer“ Smartphones. Platzhirsch ist das holländische Unternehmen „Fairphone“, das seit 2013 mit Nachhaltigkeit, einfacher Reparierbarkeit und fairen Produktionsbedingungen wirbt. Allein im Jahr 2020 verkaufte man 95.000 Geräte.

Fairphone vertreibt direkt über seine Seite momentan drei Telefonmodelle (579 bis 399 Euro), ist aber auch bei einer Vielzahl von Handels- und Kooperationspartnern vertreten, darunter Telekom, 1&1 sowie O2. In Mobilcom-Debitel-Shops kann man die Fairphone-Modelle testen.

Shiftphones sind im Webshop des Unternehmens erhältlich – das Premiummodell kostet 699 Euro, das ältere 333 Euro – sowie bei einigen Internethändlern wie Otto. Insgesamt wurden seit Gründung 2014 rund 70.000 Geräte verkauft.