Düsseldorf. Einmal Prinz Karneval – und dann fällt die Session wieder fast aus. In Düsseldorf rettet ein Prinzenempfang die Stimmung der Revier-Tollitäten.
Stell dir vor, es ist Karneval, und der Prinz hat keine Termine. Keine Sitzung, kein Rosenmontagszug, Krieg und Corona statt Kamelle. Ein Düsseldorfer hat die Stimmung am Wochenende ein bisschen gerettet: In seinem „Karnevalsdörfchen“ lud Veranstalter Martin Wilms zum Prinzenempfang. Ein dreimal kräftiges Helau auf die Paare vor allem aus dem Ruhrgebiet! (Die jecke Landeshauptstadt hat Ihre Tollität noch nicht einmal proklamiert.)
Eigentlich hätte Volker I. von Gladbeck in diesen Tollen Tagen den Kalender voll. Er würde gerade hetzen mit seiner Prinzessin Tine: Einmarsch, Helau, Abgang, Auto, aber dieses Jahr „angezogene Handbremse“ – „mehr haben wir leider nicht“. Nur diesen einzigen Prinzenempfang in Düsseldorf, der auch nur ein Ersatz ist für den Saalkarneval: ein Biergarten auf dem Parkplatz eines Sportvereins, eine Brauchtumszone unter Sonnenschirmen, Tollitäten und Lieblichkeiten sind ihr eigenes Publikum. Man kennt sich, man bützt sich (nach 2G+-Kontrolle) und hängt einander die Orden um – jemand anders ist ja nicht da. Der DJ spielt „Mer sin eins“ von Kasalla. „Alle Tollitäten vereinigen sich“, staunt der Gelsenkirchener Oliver, der es in Düsseldorf zum Burggrafen gebracht hat. „Wir freuen uns“, sagt Volker I., „dass wir wenigstens ein bisschen was haben.“
Am Rosenmontag kein Zug, aber eine Blutspende-Aktion
Prinzenempfang in Düsseldorf
„Wenigstens einmal treffen“, das begrüßt auch Andreas I. aus Essen, man sei ja schon froh über Kleinigkeiten. Es habe wieder keine Session gegeben, man habe zwei Jahre zurückgesteckt. „Sonst ist nichts.“ Eigentlich würden sie heute im Reisebus von Termin zu Termin eilen, mit Polizeieskorte, aber nun: „Alles verhalten“, aber in Ordnung so. „Der Krieg bedrückt uns ja genauso.“ Am Rosenmontag haben sie eine Blutspende-Aktion, sagt Ihre Lieblichkeit Assindia Heike I., „weil wir ja Zeit haben“.
Auf der Bühne wird später Tobias I. stehen in vollem Ornat und Lackschuhen. Er singt zwei Lieder, die Garde tanzt, „die sind gar nicht mehr aufzuhalten“, sagt jemand. Aber es ist ja so: Seine Tollität ist froh, „endlich sagen zu können, ich bin euer Prinz“! Nun stimmt das in Düsseldorf natürlich nicht ganz, da sind die Hochburgen eigen. Aber „Prinz“ Dirk von der Tonnengarde ist zwar gekürt, nur hatte vor seine Proklamation die Pandemie dann doch wieder die Absagen gesetzt. Seine Venezia ist gar nicht erst erschienen, „so traurig“ sei sie, heißt es. Also ist es an einem Duisburger zu sagen: „Karneval kann man nicht absagen, den trägt man im Herzen.“ Eine Liedzeile hat man ihm sicher schon vor dem Krieg geschrieben: „Seid dabei, was immer auch kommt oder sei.“
Zeit für Besuche in Jugendzentren, Schulen und Seniorenheimen
Man wolle „Freundschaften zeigen“, hat Martin Wilms gesagt und „einstehen gegen Gewalt und Krieg“. Und: „Das kann man nicht vom Sofa aus.“ Deshalb haben sich 15 Paare in ihren goldbestickten Ornat geschmissen, man hat ja sonst wenig Gelegenheit, Pumphosen, Zepter und Krönchen auszuführen. Und auch nicht viel Zeit: Tamara I. von Mülheim hat nur diesen einen Termin, weil sie später noch arbeiten muss – mitten im Straßenkarneval! Mit Kevin I. hat sie ein paar Schulen besucht, „wenigstens den Kindern“ wollten sie ein bisschen Freude bereiten. Andere Paare haben Abstecher in Altenheime gemacht.
Aus Hamm sind Stephan I. und Silvia II. gekommen, auch keine anderen Termine dieses Jahr, „sonst wären wir nicht hier“. Fünf Auftritte sonst und eine Impfaktion, „das ist nicht wirklich Karneval“. Kinderprinz Felix I. aus Krefeld schunkelt vor der Bühne, bis die Fasanen-Federn seiner Kappe am Heizpilz anbrennen. Prinzessin Kristina von Bottrop tanzt allein auf der Bühne, sie sagt nicht viel, „reden tut sonst mein Prinz“. Aber der ist krank, „das böse C“. Auch Sophie I., die Kinderprinzessin von Datteln, hat es erwischt, just an diesem Morgen. „Ruhrpott-Prinz“ Stefan Luczak überbringt ihre Grüße und die aus Recklinghausen, das in diesem Jahr auch alles abgesagt hat, „einen Tag vor der Proklamation“. Aber was soll man machen, man schickt den Ex-Prinzen, der verspricht: „Der Ruhrpott ist für euch da!“
Schon vor Aschermittwoch ist diesmal vieles vorbei
Tobias I., der Duisburger, hat es gerade noch geschafft, proklamiert zu werden, es war Anfang Februar, das hat für mehr als 80 Termine gereicht. Bis Altweiber, sagt er, habe man noch „Wege gefunden“, aber seit dem Ausbruch des Krieges müsse man sich fragen, ob man das Feiern auch „ethisch vertreten“ kann. Allerdings, das muss man erstmal wissen als Nicht-Jeck, aber Andreas I. von Essen erklärt es: Es gebe da einen Unterschied zwischen „Karnevalisten“ und Menschen, „die Karneval feiern“.
In Düsseldorf treffen sich die Karnevalisten, und die feiern also gar nicht, sondern besuchen in dieser Session Jugendzentren oder Geburtstage oder Senioren. „Herzerwärmend“ sei das gewesen, sagt Prinz Tobias I., persönlicher als sonst. „Man hatte mehr Zeit, es war weniger Rennen, weniger Rein-Raus.“ Von seinem eigenen Verein wird Tobias an diesem Wochenende schon verabschiedet, es ist nicht erst am Aschermittwoch alles vorbei. Und Rosenmontag? Burggräfin Silke von Kaiserswerth muss ernsthaft nachdenken: „Was war denn da?“ Jedenfalls wird es wie im Karnevalsdorf sein: „Drusse vor de Dör“, nur draußen.
Prinzenpaare hoffen auf das nächste Jahr – schon wieder
Das eine oder andere Prinzenpaar ist vorsichtshalber gleich für mehrere Sessionen gekürt. Silvia II. aus Hamm setzt auf das nächste Jahr, „irgendwann muss es ja“. Auch Tamara I. von Mülheim hofft, sie wird mit Kevin I. auch 2023 das Prinzenpaar 2021/22 bleiben. „Sonst müssen wir bei den Orden anbauen.“ Der „Ruhrpott-Prinz“ aus Datteln war schon dreimal Tollität, er hat schon vieles mitgemacht. Der Titel ist ihm irgendwie geblieben (er sagt, das liege an seiner „großen Klappe“), weshalb er nun für den ganzen Kreis Recklinghausen spricht. „Wir machen das Beste draus. Irgendwann muss man den ganzen Driss ja mal loswerden.“