Essen/Düsseldorf. Wie bedrohlich ist die Situation zwischen Russland und der Ukraine? Die Stimmung in russischen und ukrainischen Kreisen in NRW ist gedrückt.
- Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine drücken auch auf die Stimmung von hiesigen Kulturvereinen und Gemeinden
- Der Vereinsvorstand von „Rhein Ruhr Russland“ schätzt die Lage nicht ganz so bedrohlich ein
- Ein ukrainischer Priester erinnert daran, dass in der Ostukraine schon seit 2014 gekämpft wird
„Die Spannungen sind sehr merkwürdig“, erklärt Dr. Martin Schneider vom Kulturverein „Rhein Ruhr Russland“. Über Jahrzehnte habe es keine Rolle gespielt, ob man nun Ukrainer oder Russe sei, zunächst auch nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht. Es gebe so viele Familien, die sowohl ukrainisch als auch russisch seien, so beispielsweise die seiner Frau Ljubov Jakovleva-Schneider.
„Schreckliche und bedrückende Situation“
Nun koche das Thema allerdings hoch, was nach Meinung Schneiders zum Teil auch an einer sehr einseitigen Berichterstattung in den westlichen Medien liege. „Insgesamt ist das gerade eine schreckliche und bedrückende Situation“, sagt Schneider. Als Vorstand von „Rhein Ruhr Russland“ und durch die familiären Wurzeln seiner Frau beschäftigt ihn der Konflikt sehr.
In dem ganzen Konflikt seien viele Interessen im Spiel, sowohl von Russland, als auch von den USA und anderen Staaten. Schneider liest täglich auch russischsprachige Medien und beschreibt die russische Perspektive als weniger dramatisch: „Da wird sich gefragt, zu welchem Zweck man denn die Ukraine überhaupt angreifen soll.“ In der Ukraine werde die Situation hingegen deutlich gefährlicher dargestellt.
„An einen Krieg glaube ich nicht“
Schneider hat sechs Jahre an der deutschen Botschaft in Moskau gearbeitet geht aber nicht von einer Eskalation aus. Allerdings könne man auch nur spekulieren, was auf der höchsten politischen Ebene passieren wird. Schlimm sei, dass die aktuelle Situation auf alle möglichen Beziehungen drücke, sowohl kulturell, ökonomisch als auch persönlich. „Alles ist jetzt im Spannungsfeld, aber an einen Krieg glaube ich nicht“.
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Die Vereinsarbeit sei laut Schneider derzeit nicht negativ von dem Konflikt beeinflusst. „Wir sind stärker von der Pandemie betroffen als von der politischen Ebene.“ Auch die nächsten Kulturtage im November 2022 seien in der Planung und der Austausch laufe ungebrochen. „Im Verein sind wir uns einig, dass alles getan werden muss, um diese Kriegsgefahr zu bannen, auch wenn wir die nicht unmittelbar sehen, aber es wird ja ständig darüber geredet“, so Schneider.
So denkt ein ukrainischer Pfarrer über den Konflikt
„Wir erleben schon seit 2014 einen Krieg in der Ostukraine“, erklärt hingegen der ukrainische Priester Mykola Pavlyk. Er arbeitet in Düsseldorf, Köln und Krefeld in einer ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde und hat durch seine Eltern und die Gemeinde noch regen Kontakt in die Ukraine. Im westlichen Teil des Landes an der Grenze zu Polen sind sie allerdings nicht unmittelbar betroffen.
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Pavlyk erklärt, dass in der Bevölkerung keine unmittelbare Panik herrsche, obwohl die Lage derzeit wieder bedrohlicher scheint. „Egal wie absurd das klingt, aber die Leute gewöhnen sich an den Kriegszustand.“ Seit 2014 werde immer wieder gekämpft und man wisse nicht, ob es jetzt wirklich Ernst wird, oder es wieder nur bei Drohungen von Wladimir Putin bleibe.
Den Priester beschäftigt im Falle einer bevorstehenden Eskalation vor allem die Frage, was danach passiert: „Die Ukraine ist seit 30 Jahren unabhängig“, erklärt er. Laut Pavlyk gebe es nur eine Minderheit, die von einer Union mit Russland träumen.
Eroberung habe keinerlei Vorteile für Russland
Die aktuellen Truppenbewegungen auf russischer Seite schätzt Pavlyk als zu wenig ein, um die Ukraine wirklich einnehmen zu können. „Das Risiko ist aber natürlich trotzdem da.“ Deshalb hofft er auf Stimmen der Vernunft in Putins Beraterstab. Aus Pavlyks Sicht ergeben sich keinerlei Vorteile für Russland. Mit Blick auf die Sanktionen sehe er eher nur Nachteile.
In der rund 3000 Mitglieder großen ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde werde vor allem für den Frieden gebetet und man hoffe auf eine Entspannung der aktuellen Lage. „Krieg anzufangen ist einfach, ihn zu beenden hingegen ist sehr schwierig, das sehen wir gerade in der Ostukraine“, sagt Mykola Pavlyk.