Dortmund. Speziell geschulte Teams der Polizei sollen künftig bei schweren Unfällen Spuren sichern. Wie sie arbeiten, zeigten sie jetzt in Dortmund.

Viel weiß, ein wenig blau und gelb. Auf den ersten Blick sieht das Auto aus, wie ein ganz normaler Sprinter in Polizeilackierung. Aber das ist es nicht. Besetzt mit speziell geschulten Beamten und ausgestattet mit High Tech-Equipment ist es vielmehr die Zukunft der Verkehrsunfallaufklärung (VU) im Land. Vor wenigen Tagen hat diese Zukunft auch im Ruhrgebiet begonnen.

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Es wurde allerdings auch Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. In modernen Kraftfahrzeugen sind bereits seit einiger Zeit diverse Fahrerassistenzsysteme verbaut. Sie helfen dem Menschen hinter dem Lenkrad, führen aber auch dazu, dass das klassische Spurenbild verschwindet. Brems- oder Blockierspuren am Unfallort zum Beispiel lassen sich immer öfter nur schwer oder gar nicht mehr finden.

Einsatz nur bei schweren Unfällen

Bisher, hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zudem bei der Vorstellung des Projektes im Spätsommer 2021 erklärt, sei die Verkehrsunfallaufnahme in Nordrhein-Westfalen „uneinheitlich gehandhabt“ worden. In einigen Städten, etwa in Bochum und Essen, gab es spezialisierte Teams, in den meisten Behörden aber übernahmen Beamte des Wach- und Wechseldienstes diese Aufgabe. Auch das habe man ändern wollen.

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In Dortmund sind seit 1. Januar acht Männer und zwei Frauen im neu gebildeten Team. In zwei Schichten und mit nächtlicher Rufbereitschaft. Zum Einsatz kommen sie in der Regel bei Unfällen mit Schwerverletzten oder Toten. Und wenn es sich um einen Unfall im Zusammenhang mit einem illegalen Autorennen handelt, wie Dortmund Polizeipräsident Gregor Lange betont. „In solchen Fällen, wollen wir alles tun, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.“

„Spurensicherung der Verkehrspolizei“

„Ausreden werden schwieriger“, warnt Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange.
„Ausreden werden schwieriger“, warnt Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange. © Funke Foto Service | Jakob Studnar

„Spurensicherung der Verkehrspolizei“ werden sie intern gerne genannt. Und das trifft es ganz gut, wie sich zeigt, als die Polizeihauptkommissare Christoph Klinger und Bert Bartke die Türen öffnen und das Equipment rund um den Wagen ausbreiten. Mit ein paar Handgriffen haben sie einen modernen 3D-Scanner auf sein Stativ gesetzt. „Mit dem können wir 360-Grad-Aufnahmen von der Unfallstelle machen“, sagt Klinger.

Mit den so entstehenden „Punktwolken“ lässt sich das Unfallgeschehen später am Rechner genau rekonstruieren. Und wenn dann zusätzlich in naher Zukunft noch die angekündigten Virtual-Reality-Brillen zum Einsatz kommen, glaubt Klinger, „können wir den Unfall praktisch nacherleben“. Bartke schwärmt dann auch: „Das ist ein Quantensprung.“

Drohne mit extrem hoch auflösender Kamera

Aber der 3D-Scanner ist längst nicht alles. Bartke startet eine Drohne mit extrem hoch auflösender Kamera. Damit kann er, als einer von zwei speziell geschulten Piloten im Team, weiträumig Fotos und Filme von der Unglücksstelle aus der Luft machen. „In vielen Fällen müssen wir künftig keinen Hubschrauber mehr anfordern“, sagt Bartke. Es sei denn, es regnet oder stürmt. „Dann kann die Drohne nicht starten.“

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Auch der grüne, unscheinbare Plastikkoffer, den Klinger aus dem Sprinter geholt hat, steckt voller Technik. Mit ihm lassen sich die Zentraleinheiten moderner Autos auslesen. „Fünf Minuten vor und zwei Sekunden nach dem Unfall werden bei vielen Modellen automatisch aufgezeichnet. Geschwindigkeit, Stellung der Räder, Betätigung der Bremse – „alles ist gespeichert“. „Ausreden“, warnt Polizeipräsident Lange, „werden damit gerade für Raser schwierig“.

Auch für andere Behörden unterwegs

Kommt es bei einem illegalen Autorennen zu einem Unfall, kommen auch die Experten der Polizei zum Einsatz
Kommt es bei einem illegalen Autorennen zu einem Unfall, kommen auch die Experten der Polizei zum Einsatz © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Mehrfach sind die Dortmunder Spezialisten schon unterwegs gewesen in den vergangenen Wochen. Einsatzgebiet ist im Kern Dortmund und Lünen, Stadtstraße, wie Autobahn. „Aber wenn Bedarf besteht, helfen wir natürlich auch bei anderen Behörden aus“, sagt Klinger.

Nach und nach soll es Teams wie das in Dortmund in vielen Behörden geben. Und wo schon besonders geschulte Ermittler im Einsatz sind, sollen sie besser als bisher ausgestattet werden. „Uns bringen“, sagt Reul, „auch die besten Spezialisten nichts, wenn wir ihnen nicht die richtige Technik an die Hand geben.“ Das sei wichtig: „Eine gute und professionelle Unfallaufnahme verhilft letztlich Opfern und Angehörigen zu ihrem Recht“, so der Minister.

An Arbeit wird es den High-Tech-Unfallermittlern leider nicht mangeln. 2020 gab es in Nordrhein-Westfalen insgesamt 430 tödliche Verkehrsunfälle. Im Jahr zuvor waren es sogar 456.