Essen. Bischofswort zum Neuen Jahr: Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck spricht Klartext über Fehler und Versäumnisse der Kirche.

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck glaubt, dass der Missbrauchsskandal „zu einer existenziellen Krise unserer Kirche geworden ist“. Das schreibt Overbeck in seinem Wort zum Neuen Jahr 2022 an alle Katholikinnen und Katholiken im Bistum Essen, das am Wochenende in den Gottesdiensten im Bistum Essen verlesen wird.

Overbeck fordert zu neuer Ehrlichkeit auf

„Die abscheulichen Taten der sexuellen Gewalt, des geistlichen Missbrauchs, aber auch viele andere Leidenserfahrungen, die über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg unsere Kirche unheilvoll geprägt haben, fordern uns zu einer neuen Ehrlichkeit auf“, so Overbeck.

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Es sei nicht zu leugnen, dass „das schreckliche Unheil, das weltweit in unserer Kirche geschehen ist, nach grundsätzlichen Veränderungen verlangt“. Der Unmut von so vielen Gläubigen, die sich in diesen Jahren entsetzt und enttäuscht von der Kirche abwendeten, habe Gründe, „die wir Bischöfe und alle Verantwortlichen in unserer Kirche sehr ernst nehmen müssen“. Es helfe nicht, mit Abwehrreflexen darauf zu reagieren oder gar denjenigen, die sich nach Veränderungen sehnen, böse Absichten zu unterstellen.

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„Unsere Welt braucht das Vertrauen, dass es eine größere Kraft gibt, die uns hält, trägt und begleitet, und die uns auch Orientierung gibt, um menschlich und solidarisch miteinander zu leben“, schreibt Overbeck. Viele Menschen seien spirituell auf der Suche. Ihre „religiöse Bedürftigkeit“ habe sich aber stark verändert, deshalb erwarteten die meisten von der Kirche keine Antworten mehr: „Vieles im Raum unserer Kirche trocknet aus oder ist bereits ausgetrocknet.“

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Dramatisch sei in dieser Krise der Eindruck, viele Überzeugungen und Lehren der Kirche dürften allein deshalb nicht in Frage gestellt werden, weil sie sich auf eine lange Tradition in Verbindung zur Offenbarung Gottes zurückführen ließen.

Vorbereitungen auf eine kleinere Kirche

Im Bistum Essen stelle man sich schon seit vielen Jahren darauf ein, Antworten auf diese Krise zu suchen und eine deutlich kleinere Kirche zu werden. Overbeck: „Aber vielleicht sind wir dabei immer noch zu sehr davon geprägt, uns nach einer Kirche der Vergangenheit zurückzusehnen.“