Essen. Der Essener Arzt, der sterbenskranken Patienten im Uni-Klinikum tödliche Spritzen setzt, muss wegen Totschlags erneut vor Gericht.
Der Essener Arzt Andreas B. muss sich erneut wegen Totschlags vor Gericht verantworten. Das Essener Schwurgericht hat das Verfahren gegen den ehemaligen Mediziner am Essener Universitätsklinikum eröffnet, verhandelt wird vermutlich im April.
Er soll sterbenskranken Corona-Patienten aus Gelsenkirchen und Essen sedierende, also beruhigende Medikamente in stark überhöhter Dosis injiziert und so ihren Sterbeprozess beschleunigt haben. Laut Anklage hat er dabei eigenmächtig gehandelt und den mutmaßlichen Willen der auf der Intensivstation liegenden Patienten nicht ermittelt.
Pfleger hatte Klinikleitung informiert
Die Vorwürfe sind nicht neu. Der Arzt war am 18. November 2020 festgenommen und danach in U-Haft gekommen, weil ein Pfleger des Universitätsklinikums ihn bei einer Injektion beobachtet und dies der Klinikleitung gemeldet hatte.
Bei den folgenden Ermittlungen hatte die Kripo insgesamt drei Fälle herausgearbeitet. Staatsanwältin Birgit Jürgens hatte den 45 Jahre alten Mediziner entsprechend in drei Punkten wegen Totschlags angeklagt.
Anklage ursprünglich nur in einem Fall zugelassen
Das Schwurgericht hatte die Beweislagen bei zwei Fällen allerdings als nicht ausreichend geklärt angesehen und das Verfahren nur in einem Fall eröffnet. Dieser betraf den aus den Niederlanden stammenden Patienten Roland H., bei dem der Arzt neben sedierenden Mitteln auch Kaliumchlorid gespritzt haben soll. Für dieses Mittel hatte es laut Gutachten keinerlei medizinische Begründung gegeben.
Am 3. November vergangenen Jahres verurteilte das Schwurgericht den Arzt in diesem Fall wegen Totschlags im minder schweren Fall zu dreieinhalb Jahren Haft. Das Gericht ging davon aus, dass er das Leben des 47 Jahren alten Familienvaters am 13. November 2020 eigenmächtig verkürzt und einen Herzstillstand verursacht habe.
Neues Gutachten bestätigt Anklage
Kurz nach diesem Urteil muss wohl auch das neue Gutachten beim Gericht angekommen sein. Es hat die Anklage bestätigt, denn das Schwurgericht eröffnete am 21. Dezember auch in den beiden anderen Fälle der ursprünglichen Anklage.
Voraussichtlich ab April wird es vor Gericht um den Fall des aus Essen stammenden Detlef B. gehen, der am 4. November 2020 im Alter von 65 Jahren auf der Intensivstation des Uni-Klinikums verstarb. Der Arzt Andreas B. soll Ehefrau und Sohn des zunächst im Stoppenberger St. Vincenz-Krankenhaus behandelten Mannes fälschlich von der Aussichtslosigkeit jeglicher lebenserhaltender Therapie überzeugt haben.
Nicht Leidlinderung, sondern Leidverkürzung
Laut Anklage war die Dosis der sedierenden Mittel von Andreas B. so hoch gewählt, dass es nicht um eine Leidlinderung, sondern um eine Leidverkürzung gegangen sei.
Ähnlich sieht die Anklage den zweiten jetzt noch zu verhandelnden Fall. Er betrifft den 50 Jahre alten Senol S., den das Gelsenkirchener Marienhospital nach Essen überwiesen hatte. Auch bei ihm hatte die Corona-Erkrankung sich so stark ausgeprägt, dass er selbst nicht mehr ansprechbar war.
Keine Abstimmung mit anderen Ärzten
Er verstarb am 17. November 2020. Vorausgegangen war zwar ein Gespräch des Arztes mit Ehefrau, Schwester und Tochter des Patienten. Aber auch hier soll Andreas B. die Angehörigen nicht vollständig über den Zustand von Senol S. aufgeklärt haben. Wie in den anderen Fällen soll er wiederum eigenmächtig gehandelt und sich nicht mit anderen Ärzten im Uni-Klinikum abgestimmt haben.
Die Angehörigen des Verstorbenen hatten in ihren Vernehmungen bei der Kripo betont, dass sie selbst und mutmaßlich auch der Patient mit lebensverkürzenden Maßnahmen nicht einverstanden seien. Sie begründeten das mit seiner religiösen Überzeugung.
Zu Beginn der Ermittlungen hatte der Arzt Andreas B. eine Art Geständnis abgelegt und von Taten aus Mitleid gesprochen. Später hatte er jede Schuld von sich gewiesen. Das Urteil gegen ihn ist nicht rechtskräftig.