Essen. In einer bürgerlichen Siedlung im Essener Süden soll ein Ehepaar eine Drogenplantage betrieben haben. Jetzt steht es vor Gericht.
Die Tarnung war perfekt. Kein Nachbar ahnte, dass das freistehende Einfamilienhaus im Essener Süden bis unters Dach als Marihuanaplantage genutzt wurde. 1201 Pflanzen versprachen einen Ernteertrag von 30 Kilogramm des Rauschgiftes. Verantwortlich sind dafür laut Anklage Kemal K. (40) und seine zwei Jahre ältere Ehefrau, die seit Freitag vor der VI. Essener Strafkammer stehen.
Die Straße im beschaulichen Stadtteil Heidhausen versprüht einen bürgerlichen Charme. Große Grundstücke umranden die Ein- und Zweifamilienhäuser. Nach wenigen Metern ist man im Wald. Nur ein freistehendes Haus stört mittlerweile die Idylle. Es sieht so aus, als habe sich schon lange niemand mehr darum gekümmert. Die Rollläden sind geschlossen.
1201 Marihuanapflanzen sichergestellt
Wirklich viele Besucher hatte das Gebäude zuletzt am 18. Juli 2019. Damals war die Polizei angerückt und hatte die noch kleinen 1201 Marihuanapflanzen sichergestellt. "Hochprofessionell" nennt Staatsanwältin Alexandra Rott am Freitag in ihrer Anklage diese Anlage.
79 Natriumdampflampen mit jeweils 600 Watt Leistung förderten das Wachstum. Bis auf Küche, Keller und Hausflur seien alle Räume des zweigeschossigen Hauses mit Drogenequipment gefüllt gewesen. Die Anklägerin spricht von großen Lüftungsanlagen mit Zu- und Abluftschläuchen, Aktivkohlefiltern und zwei Bädern, die allein der Bewässerung der Pflanzen dienten.
Strom illegal abgezweigt
Die Stromversorgung sei illegal vor dem Hausanschluss abgezweigt worden, über den Zähler sei nur ein geringer Anteil Energie gelaufen. Erspart hat das den Plantagenbetreibern nach Berechnung der Kripo in zwei Jahren Betriebsdauer rund 120.000 Euro für 400.000 Kilowattstunden Strom.
Staatsanwältin Rott geht davon aus, dass das Ehepaar die Plantage zumindest von Sommer 2017 bis zum Sommer 2019 betrieben hat. Fachleute rechneten aus, dass in diesem Zeitraum mindestens sechs Ernten möglich waren. Bei jeweils 30 Kilo Ertrag ergibt das 180 Kilo Marihuana für den Verkauf. Bei einem Kilopreis von 4000 Euro kommt die Anklage auf 720.000 Euro Verkaufserlös.
Hinweis kam aus einem anderen Ermittlungsverfahren
Das ist einfache Mathematik. Schwieriger ist da die Frage, ob die Plantage wirklich dem Ehepaar zuzuordnen ist. Einen ersten Hinweis hatte es in einem großen Ermittlungsverfahren gegen Drogenhändler gegeben, die den Stoff in einer Gaststätte an der Haus-Berge-Straße in Borbeck verkauft hatten. Während der Verhandlung vor dem Landgericht Essen hatte eine Angeklagte ausgepackt und Kemal K. als den Hauptlieferanten der Gruppe ins Spiel gebracht.
Die Staatsanwaltschaft glaubt jetzt, dem Paar die Tat durch diese Zeugin, aber auch durch Überwachungsergebnisse nachweisen zu können. Vor Gericht schweigt das Ehepaar zunächst, will auf Frage von Richter Martin Hahnemann erst einmal keine Stellung zu den Vorwürfen nehmen.
Haus an den Schwager vermietet
Fest steht, dass im Grundbuch die 42 Jahre alte Ehefrau als Besitzerin des Hauses eingetragen ist. Sie hat es 2016 von der Stadt Essen erworben. Ihr Ehemann hat das auch mal bei der Polizei bestätigt. Seine Frau und er hätten es aber an seinen Schwager vermietet und gar nicht gewusst, dass im Inneren des Gebäudes eine Drogenplantage aufgebaut worden sei.
Zu weiteren Indizien zählen größere Geldeingänge auf Girokonten des Angeklagten und persönliche Spuren im Haus. Der Unfallrentner und seine Frau sollen auch ein Mehrfamilienhaus im Stadtteil Altendorf besitzen in dem sie wohnen, sowie eine Eigentumswohnung in Holsterhausen.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war das Haus auch deshalb ideal, weil die Doppelgarage direkten Zugang zum Haus versprach und so unbemerkt der Drogentransport stattfinden konnte. Zur Tarnung habe das Ehepaar sich mehrfach mit den Kindern vor dem Haus aufgehalten, damit es bewohnt aussah. Die Kammer plant drei weitere Sitzungstage.