Essen/Düsseldorf. Gesundheitsministerium stellt klar: Bei Arztbesuchen gibt's keine Testpflicht für Begleitpersonen. Regelung für Praxis-Beschäftigte korrigiert.

Nach dem Wirbel um eine angebliche Testpflicht für Begleitpersonen hat das NRW-Gesundheitsministerium am Donnerstag auf Nachfrage mit einer Klarstellung reagiert: Begleit-Personen von Patienten müssen sich vor oder bei einem Arzt-Besuch nicht auf Corona testen lassen, teilte eine Sprecherin mit.

Eine allgemeine Testpflicht für Begleitpersonen von Patienten und Patientinnen gibt es nicht, stellt das Ministerium klar. Beim Kinderarzt-Besuch zum Beispiel seien Eltern, die ihr Kind begleiten, dem Bundesinfektionschutzgesetz nach "erforderliche Begleitpersonen" und würden nicht als "Besucher" behandelt, für die seit Jüngstem eine Testpflicht gilt.

Eine Testpflicht beim Arztbesuch entfällt damit für Eltern, Erziehungsberechtigte, Betreuer und andere Personen, die einen Patienten oder eine Patientin in eine Arzt-Praxis begleiten. Dies gelte auch für Tierarzt-Praxen, ergänzte am Donnerstag eine Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums.

Doch keine tägliche Testpflicht für Beschäftigte von Arztpraxen

Zudem wurde die Testpflicht laut einer Information der Kassenärtzlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe mit Verweis auf eine Mitteilung des NRW-Gesundheitsministeriums (externer Link) vom Donnerstag weiter eingeschränkt. Demnach hat das Ministerum die tägliche Testpflicht für immunisierte Mitarbeiter ausgesetzt, schreibt die KVWL: Derzeit genüge es, dass sich die immunisierten Praxismitarbeiter zwei Mal wöchentlich testen. "Dies ist auch mit Selbsttests in Eigenanwendung möglich", teilt die KVWL mit: „Eine entsprechende Vorgehensweise ist von den zuständigen Behörden nicht zu beanstanden.“

Für nicht geimpfte Praxismitarbeiter hingegen bleibe es bei der täglichen Testpflicht, teilt die KVWL mit Verweis auf das Gesundheitsministerium mit: Für genesene oder geimpfte Mitarbeiter von Arztpraxen gebe es indes "keine tägliche Testpflicht". Dies gelte auch für die Arbeitgeber.

Verwirrung um Testpflicht bei Arzt-Besuch

Die jüngste Änderung des Bundes-Infektionsschutzgesetzes hatte am Mittwoch enormen Wirbel ausgelöst. Fassungslos habe man die neue Nachricht zur Kenntnis genommen: dass ab Mittwoch, 24. November, alle Personen, die eine Arztpraxis betreten, unabhängig von ihrem Impfstatus, getestet werden müssen, teilten Dr. Marcus Heidemann (Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Westfalen-Lippe) und Christiane Thiele für den Landesverband Nordrhein in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Ausnahmen würden nur für die Patienten selbst. Dies bedeute für alle Praxen einen erheblichen Kosten- und Zeitaufwand, „Zeit, die viel besser in Impfungen oder die Behandlung von Patienten investiert werden könnte“, heißt es in dem Papier.

In diesem Punkt widersprach das Bundesgesundheitsministerium am Abend aber dann ausdrücklich: „Die Testpflicht bezieht sich auf Beschäftigte von Praxen, aber nicht auf Patienten und Begleitpersonen“, stellte ein Sprecher klar. Am Mittwoch herrschte dennoch Verwirrung wegen des Schreibens der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Darin heißt es: „In Praxen und anderen Gesundheitseinrichtungen müssen Arbeitgeber, Beschäftigte und Besucher ab Mittwoch einen tagesaktuellen Antigentest vorlegen – unabhängig davon, ob sie geimpft oder genesen sind.“

Für Kinder- und Jugendärzte sei die neue Vorgabe aus dem Infektionsschutzgesetz „eine nicht zu beherrschende“: Zusätzlich zum Personal müssen nämlich alle Besucher getestet werden, die die Praxis betreten – mithin auch alle Eltern! Christiane Thiele: „Wenn Eltern nur noch getestet in die Praxis dürfen, also täglich über 100 Personen, bedeutet dies, dass für Behandlung und Versorgung der Kinder keine Zeit mehr bleibt. Es scheint, dass die Politik gar nicht mehr versucht, Gesetze und Verordnungen, die beschlossen werden, auf die Anwendbarkeit in der Praxis zu prüfen.“

"Jeden Tag eine neue politische Überraschung"

Dr. Marcus Heidemann ergänzt: „Wir sind es leid, jeden Tag hinter einem Türchen im Corona-Adventskalender eine neue politische Überraschung vorzufinden, die dann in der Praxis den Alltag erschwert. Wo Herr Spahn mit Rationierungen von benötigten Impfstoffen aufgehört hat, will die neue Koalition mit medizinisch unsinnigen Testungen anscheinend nahtlos weiter machen.“

Für Kinder- und Jugendärzte stelle sich somit nur die Wahl, das neue Gesetz bewusst zu ignorieren, um die Patientenversorgung aufrecht zu erhalten, oder die Praxen noch diese Woche zu schließen und die Nachbesserung der Regelungen abzuwarten. Beide NRW-Vorsitzende sind hier einig: „Wir können nicht einfach immer weiter die Defizite der Politik ausgleichen.“ Erfolge bis Ende der Woche keine rechtssichere, praxistaugliche und kostenneutrale Korrektur, sollten alle Praxen ganz konkret die Schließung einplanen. „Uns und unseren Kolleginnen und Kollegen reicht es!“

Testpflicht für Besucher und Beschäftigte in Praxen: „absurd“ und „untragbar“

Wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft informiert, gilt die Testpflicht auch für Arbeitgeber, Beschäftigte und Besucher in Krankenhäusern. Arbeitgeber und Beschäftigte, die geimpft oder genesen sind, können den täglichen Antigentest laut Infektionsschutzgesetz eigenständig und ohne Überwachung durchführen. Alternativ seien zwei PCR-Tests pro Woche möglich.

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hält es für „absurd“ und „untragbar“, dem geimpften Praxispersonal eine tägliche Testpflicht aufzubürden, während ungeimpfte und möglicherweise infizierte Patienten weiter ungehindert die Praxen betreten dürfen. „Das Personal in den Praxen arbeitet seit Wochen an der Belastungsgrenze, um das Testen, das Impfen und die regelhafte ambulante Patientenversorgung zu gewährleisten“, sagt Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL. „Derart unsinnige Gesetze lassen inzwischen nur noch eine Interpretation zu: Entweder agiert Herr Spahn hier aus Naivität oder aus Panik“. Beides seien „schlechte Berater für das professionelle Handeln eines Bundesgesundheitsministers“.

Sollte die verschärfte Testpflicht für das Praxispersonal fortbestehen, befürchtet der Vorstand der KVWL, dass sich weitere Praxen entnervt aus dem Impf- und Testgeschehen zurückziehen und möglicherweise sogar ihren gesamten Versorgungsauftrag zurückgeben. „Die Politik muss handeln! Jetzt!“

Um dem Praxispersonal die Arbeit zu erleichtern, bittet der Hausärzteverband Nordrhein Begleitpersonen, vor dem Termin einen kostenlosen Bürgertest zu machen. „Es ist unheimlich schwer, von jetzt auf gleich umzustellen“, kritisiert Sprecherin Monika Baaken den geringen zeitlichen Vorlauf. Ärztinnen und Ärzte hätten die halbe Nacht damit verbracht, zu überlegen, wie sie das hinkriegen. „Wir müssen mehr miteinander sprechen und nicht nur Tatsachen schaffen.“

Corona-Testpflicht: Engpässen bei der Verfügbarkeit von Tests

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) äußerte Kritik an der „überstürzt und ohne Vorlauf eingeführten Verpflichtung von Arztpraxen“, Beschäftigte und Besucher zu testen. „Die Einführung von Rechtspflichten ohne eine kommunikative Vorlaufzeit – gerade auch in Akutzeiten wie jetzt – erschwert die Arbeit der Praxen erneut“, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister.

Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung kommt es aufgrund der vom Bundesgesundheitsministerium festgelegten Testpflichten bereits zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von Tests. Die KBV rät, die Nichtverfügbarkeit von Tests zu dokumentieren. „Eine Rechtspflicht, die nicht erfüllt werden kann, kann auch nicht zu Sanktionen führen.“

Die KBV hat gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium eine Kostenübernahmeregelung für die verpflichtenden Tests Praxen gefordert. Derzeit würden für das Praxispersonal nach der Coronavirus-Testverordnung nur die Kosten für zehn Antigentests pro Person im Monat übernommen. Eine Kostenübernahme für PCR-Tests sei aktuell ausgeschlossen. Aufgrund der nunmehr täglichen Testpflicht müsse die Anzahl der kostenfreien Tests umgehend erhöht werden, fordert die KBV. Laut dem Vorstandsvorsitzenden Stephan Hofmeister müsse außerdem dringend geprüft werden, ob Personal, das dreimal geimpft ist, ebenfalls täglich getestet werden muss.

Frauenärzte fordern 3G in den Praxen – auch für Patientinnen und Patienten

Auch der Berufsverband der Frauenärzte zeigt sich empört: „Dreimal geimpftes Praxispersonal soll sich einem täglichen Schnelltest unterziehen“, heißt es in einer Pressemitteilung, während die Patienten die Praxis weiter ohne 3G-Nachweis aufsuchen dürften. Da sich in den Praxen besonders vulnerable Personen wie Schwangere aufhielten, sei das umso unverständlicher.

Der Berufsverband der Frauenärzte fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich von diesem „unsinnigen und wissenschaftlich nicht begründeten Eingriff in die tägliche Praxis“ zurückzunehmen. „Die Tests und ihre Auswertung verschlingen unnütz viel und kostbare Arbeitszeit, die in der Versorgung der Patientinnen fehlt.“ Dagegen wäre  der 3G-Status für den Besuch in der Frauenarztpraxis „absolut sinnvoll“.