Essen. Geliebt, verlacht, geschaut. Auch nach 40 Jahren hat das ZDF-Traumschiff noch immer mehr als nur eine Handbreit Wasser unter dem Kiel

Der 22. November 1981. Draußen regnet es, im Fernsehen aber scheint die Sonne. Denn da legt um 20 Uhr im ZDF erstmals das Traumschiff ab. Es geht auf die Bahamas, mit an Bord sind unter anderem Walter Richter und Manfred Krug und am Ende ist alles gut. In der Presse am nächsten Tag allerdings ist alles schlecht. „Narrenschiff“, lästern die Kritiker nach der ersten Folge und prognostizieren baldige Strandung in den seichten Gewässern der Unterhaltung. Das Publikum aber ist begeistert. Mittlerweile hat es 90 Mal die Anker gelichtet und zu Hochzeiten – Mitte der 80er Jahre – 25 Millionen Menschen vor den Bildschirm gelockt. Mittlerweile sind es immerhin noch zwischen sechs und sieben Millionen.

Käpt’n Quote hat den richtigen Riecher

Traumschiff-Macher Wolfgang Rademann.
Traumschiff-Macher Wolfgang Rademann. © picture alliance / BREUEL-BILD | dpa Picture-Alliance / ABB

Der Vater des Erfolges heißt Wolfgang Rademann. Seit 1969 produziert er die Shows von Peter Alexander, mit dem er seit seiner Zeit als Reporter beim „Stern“ befreundet ist. Zeitweise schalten 70 Prozent der Zuschauer ein, wenn „Peter der Große“ singt und scherzt. Für Rademann kein Grund, sich auszuruhen. In den USA hat er die Serie „Love Boat“ gesehen und dem ZDF vorgeschlagen: „Lasst mich doch mal was mit einem Kreuzfahrtschiff machen.“ Sie lassen ihn, sie wissen, er hat ein Näschen für Erfolgsserien. Er will auch nicht seinen Kritikern gefallen, sondern den Zuschauern. „Käpt’n Quote“ tauft ihn die Presse, „Unterhaltungsfuzzi“ nennt er sich selbst und sagt gerne: „Wenn ich mal Lob vom Feuilleton bekomme, weiß ich, dass ich was falsch gemacht habe.“ Wie es richtig geht, hat er auch verraten: „Lachen, weinen, hoffen, bangen und nach 90 Minuten ein Happy End.“ Was nicht vorkommt bei Rademann – und deshalb auch nicht auf dem Traumschiff – sind Sex, Mord und Totschlag. „Es gibt so viel Schreckliches. Da muss man das doch nicht auch noch in der Unterhaltung zeigen.“ Zu moderne Kleidung ist auch nicht gern gesehen an Bord, weil die Sendungen oft wiederholt werden.

Grundsätzlich aber achtet das ZDF – genau wie der im Januar 2016 verstorbene Rademann es getan hat – darauf, dass das Traumschiff nicht zweimal den gleichen Hafen ansteuert. Und natürlich soll es bitteschön exotisch oder zumindest möglichst weit weg sein – „Malle“ kommt da eher nicht in Frage. Langsam aber wird es schwierig, eine neue Destination zu finden. „Mir geht die Welt aus“, hat Rademann im Gespräch mit dieser Zeitung bereits anlässlich seines 80. Geburtstag geklagt. Alaska ginge noch, „aber nur im Sommer“, Nordkorea wäre auch noch möglich, „aber da will keiner hin“. Bleibt nur noch Nepal. „Aber mit dem Schiff?“

40 Prozent an Land, der Rest auf See

Aus den Anfängen des Traumschiff: Die Darsteller Sascha Hehn, Heide Keller, Günter König (v.l.).
Aus den Anfängen des Traumschiff: Die Darsteller Sascha Hehn, Heide Keller, Günter König (v.l.). © picture alliance / United Archives / Schweigmann | Max Schweigmann

Wohin es auch gegangen ist in den vergangenen 40 Jahren, das eigentliche Konzept der Sendung hat sie nie verändert und folgt bis heute den Vorgaben des Erfinders. 40 Prozent spielen an Land, 60 Prozent an Bord. Es werden drei Geschichten erzählt: eine Liebesgeschichte, eine lustige und eine spannende. Anderes hat sich – oft unbemerkt vom Zuschauer – verändert. War das „Traumschiff“ zunächst die „Vistafjord“, spielte es später auf der „Astor“, der „Berlin“ und der „Deutschland“. Seit 2015 wird auf der MS Amadea gedreht. Aber auch an Bord hat sich – sofort bemerkt vom Zuschauer – einiges getan in den vier Jahrzehnten. Fünf Kapitäne haben das Traumschiff bisher gesteuert. In den ersten sechs Folgen verkörpert Günter König Kapitän Braske. Auf ihn folgt 1983 Heinz Weiß als Kapitän Heinz Hansen. 1999 übernimmt Siegfried Rauch als Kapitän Jakob Paulsen das Kommando. 14 Jahre später kehrt Sascha Hehn als Kapitän Victor Burger zurück auf das Schiff, das er einst als Stewart verlassen hatte. In der Folge „Das Traumschiff – Sambia“ übernimmt nach Hehns überraschender zweiter Kündigung Daniel Morgenroth als Erster Offizier Martin Grimm vertretungsweise und einmalig das Ruder, bevor zu Weihnachten 2019 Florian Silbereisen als Kapitän Max Parger zum Dienst antritt.

„Fehlbesetzung“ nennt ihn die jüngst verstorbene Heide Keller, Hauptdarstellerin der ersten Stunde, damals. „Mit dem „Traumschiff“-Kapitän verbindet man nicht einen fröhlichen Jungen, der mit guter Laune zu Musik auf der Bühne rumhüpft“, sagt sie. Sie selbst hat schon zwei Jahre zuvor nach 80 Folgen ihren Abschied als Chefhostess Beatrice eingereicht. „Ich bin 36 Jahre auf dem Schiff, so lange hat es kein Mann mit mir ausgehalten.“ Sie habe von Bord gehen wollen, „solange ich noch auf Stöckelschuhen die Gangway runterkomme“.

Traumschiff-Kapitän Burger (Sascha Hehn, li.) und der junge Offizier Florian (Florian Silbereisen).
Traumschiff-Kapitän Burger (Sascha Hehn, li.) und der junge Offizier Florian (Florian Silbereisen). © dpa | Dirk Bartling

Fluktuation gibt es auch beim Posten des Schiffsarztes. Bis 2011 ist der mittlerweile in Duisburg lebende Horst Naumann alias Dr. Horst Schröder für das Wohl der Passagiere verantwortlich. Bis zur Weihnachtsfolge im vergangenen Jahr kümmert sich der als „Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer“ bekannt gewordene Nick Wilder, um die Wehwehchen der Gäste. Inzwischen hängt sich Collien Ulmen-Fernandes das Stethoskop um. Blickt man auf die „Passagierliste“ des Traumschiffs ist es einfacher aufzuzählen, wer aus den Reihen deutschsprachiger Unterhaltungs-Prominenz noch nicht an Bord war. Evelyn Hamann, Alexander Held, Heinz Hoenig, Hape Kerkeling, Otto Waalkes, Udo Jürgens, Harald Krassnitzer, Günter Lamprecht oder Ulrich Pleitgen sind nur einige von Hunderten die mit dem Luxus-Kreuzer in die Ferne gefahren sind. Maria Sebaldt und Dietrich Mattausch haben in verschiedenen Rollen gleich sieben Mal eingecheckt, für Christoph Maria Herbst dürfte es dagegen eine einmalige Reise gewesen sein. Er hatte den Dampfer 2010 nach einem Gastauftritt in dem Buch „Ein Traum von einem Schiff“ unter anderem als „Mumienschlepper“ und „schwimmenden Knast“ tituliert.

Silbereisen hat schon verlängert

Das „Traumschiff“ auf großer Fahrt.
Das „Traumschiff“ auf großer Fahrt. © dpa | Dietmar Hasenpusch

Ein Jahrzehnt später scheint das ZDF selbst Besatzung und Passagiere immer weiter verjüngen zu wollen, erntet dabei Schelte nicht nur von Kritikern, sondern auch von Zuschauern und sogar aus der eigenen Belegschaft. Joko Winterscheidt, der schon zweimal den Bruder des Kapitäns gegeben hat, ist da noch das geringste Problem. Aber auch Victoria Swarowski, die man normalerweise nicht mit dem Wort „Schauspielerin“ in einem Satz zusammenbringt, war jüngst da. Für die Neujahrsfolge bezieht unter anderem Schlagersternchen Sarah Lombardi eine Kabine. „Gut frisierte Sprechpuppen“, hat Harald Schmidt solche Darsteller mal genannt. Er selbst kehrt allerdings angeblich – getreu seines Mottos „Geschichte egal, Hauptsache gutes Reiseziel“ – in der nächsten Folge als Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle zurück. Sascha Hehn wird wohl nicht zurückkehren, er findet das Traumschiff mittlerweile „unerträglich“. Florian Silbereisen ist erwartungsgemäß etwas zurückhaltender, räumt aber ein, dass die Drehbücher „völlig gaga“ seien.

Verlängert hat er seinen Vertrag mit dem ZDF trotzdem vorzeitig. Vielleicht weil auf dem Kreuzfahrtschiff, dass ab 2022 bei RTL unter dem Titel „Der Schiffsarzt“ in See stechen soll, mit Anna Puck schon eine Frau hinter dem Steuerrad steht. Vielleicht aber auch, weil ein guter Kapitän ja schon mal mit seinem Schiff untergeht.

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