Köln. 2G-Regel, aber eine Corona-Inzidenz von 212. In Köln haben Donnerstag Zehntausende den Auftakt der Karnevalssession gefeiert. 57 Strafanzeigen.

Die Sonne fehlt bis zum Mittag, Tausende Jecken aber sind dennoch gekommen, als am Donnerstag pünktlich um 11.11 Uhr die Karnevalssession 2021/22 am Kölner Heumarkt eröffnet wird – trotz einer Inzidenz in der Stadt, die bei 212,5 liegt. Und man findet niemanden hier am Heumarkt, der von Angst spricht. „Wer Angst hat, ist zu Hause geblieben“, sagt Michael (34). Warum er keine hat, kann er schnell erklären. „2G und strenge Einlasskontrollen.“ Freundin Jessica nickt: „Alle hier sind geimpft oder genesen. Und wir sind draußen. Da mache ich mir keine Sorgen.“

In manchen Kneipen gilt die 2G+-Regel

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Später wollen sie wegen der Kälte auch in eine der Kneipen. Aber in eine, die mehr macht als sie muss beim Gäste-Einlass – 2G+ nämlich. Besucher müssen nicht nur geimpft oder genesen sein, sondern auch einen aktuellen Schnelltest vorlegen. Dafür hat das Brauhaus „Gilden im Zins“ extra ein Testzentrum aufgebaut, vor dem sich bereits am Morgen zahlreiche Menschen anstellen. „Alles kostenlos“, sagt einer der Wartenden. „Finde ich toll“,

Karnevalisten zeigen am Zugang zum Heumarkt Ordnungskräften den 2G Nachweis.
Karnevalisten zeigen am Zugang zum Heumarkt Ordnungskräften den 2G Nachweis. © dpa | Oliver Berg

Jenny (31) und Marie (36), angereist aus der Nähe von Koblenz, haben zwar auch keine Angst; sie räumen aber immerhin „Bedenken“ ein, während sie in einer der teilweise auf mehr als hundert Meter Länge angewachsenen Schlangen vor den Einlasskontrollen stehen. „Als wir die Karten für den Heumarkt gekauft haben, waren die Infektionszahlen ja viel niedriger.“ Eines steht deshalb für sie fest: „Wir werden nirgendwo hereingehen.“

„Nächste Woche haben wir dann eine Inzidenz von 400 oder 500“

Das ist ein Satz, den Henriette Reker gern hört. „Feiern sie an der frischen Luft“, hat die Kölner Oberbürgermeisterin den Menschen zur Eröffnung von der Bühne aus mitgegeben. Bis zum frühen Nachmittag halten sich die meisten Feiernden am Heu- und dem benachbarten Alter Markt daran. Masken trägt unter freiem Himmel kaum jemand. Nicht in der Altstadt, nicht im Zülpicher Viertel, wo sich vor allem Studenten getroffen haben, um Schulter an Schulter die Fünfte Jahreszeit einzuläuten.

Davon wird mittags ein Video mit dicht gedrängten Menschenmassen hochgeladen, das im Netz für Aufregung sorgt. „Ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich im Gesundheitswesen aufreiben“, schreibt eine Frau und zeigt sich wie viele andere „völlig fassungslos“. „Nächste Woche haben wir dann eine Inzidenz von 400 oder 500“, fürchtet ein anderer.

Dreigestirn pausiert - der Prinz ist infiziert

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Auf einer Pressekonferenz am Nachmittag geht Reker darauf ein. Ein komplettes Verbot, so die parteilose Oberbürgermeisterin, wäre rechtlich wohl gar nicht durchsetzbar gewesen. Deshalb habe die Stadt abgewogen. „Wir haben heute ganz andere Rahmenbedingungen als am 11.11. voriges Jahr. Eine Vielzahl an Menschen ist geimpft, und genau die lassen wir auf die Veranstaltungsflächen“, sagt sie.

Jungfrau Gerdemie (Björn Braun, l-r), Prinz Sven I. (Sven Oleff) und Bauer Gereon (Gereon Glasemacher), pausieren. Der designierte Kölner Karnevalsprinz ist positiv auf das Coronavirus getestet worden.
Jungfrau Gerdemie (Björn Braun, l-r), Prinz Sven I. (Sven Oleff) und Bauer Gereon (Gereon Glasemacher), pausieren. Der designierte Kölner Karnevalsprinz ist positiv auf das Coronavirus getestet worden. © dpa | Costa Belibasakis

Dass selbst zwei Impfungen nicht immer reichen, müssen die Jecken am frühen Donnerstag einmal mehr erfahren. Denn da wurde bekannt, dass „D’r Prinz nicht kütt“, der Prinz also nicht kommt. Sven I., im echten Leben Sven Oleff, ist am Abend zuvor bei einem routinemäßigen Corona-Test positiv auf das Virus getestet worden. Er zeige keine Symptome und es gehe ihm den Umständen entsprechend, heißt es. Obwohl Tests bei Bauer und Jungfrau negativ ausfallen, hat das Dreigestirn für die nächsten Tage alle Termine abgesagt.

„Bei so vielen Menschen kann ich das nicht verantworten“

Kurz vor 16 Uhr bittet die Stadt, nicht mehr ins Zülpicher Viertel zu kommen. „Die Fläche ist ausgelastet. Gleiches gilt für die Entlastungsflächen“, schreibt sie im Internet. Auch in der Altstadt werden die Kneipen am Nachmittag voller. „Wäre bestimmt ein gutes Geschäft gewesen“, sagt Mike Jordan, seit über 20 Jahren Wirt des Irish Pub am Alter Markt. Trotzdem – und „nach langem Überlegen“ – öffnet er zum Sessionsauftakt nicht. „Bei so vielen Menschen in der Stadt kann ich das nicht verantworten.“

Vor geöffneten Kneipen stehen Sicherheitsleute, die den Einlass regeln und die Impfnachweise kontrollieren. Jordan kann das gut verstehen. „Die Regeln sind streng.“ Zwar könne das Ordnungsamt nicht überall sein, „aber die kontrollieren viel“. Und bei Verstößen wird es teuer. Gäste ohne 2G-Nachweis müssen je 250 Euro zahlen, Gäste mit gefälschtem G-Nachweis 1000 Euro. Und bei Wirtinnen und Wirten, die 2G-Nachweise nicht kontrollieren, wird ein Bußgeld von 500 Euro fällig – pro Gast wohlgemerkt. „So viel“ sagt Jordan, „kannst du gar nicht verdienen.“

Stadt Köln mit erster Bilanz: Weniger Einsätze als in 2019

Gegen 20 Uhr zieht die Stadt Köln eine erste Bilanz: Der 11.11. „verläuft bislang ruhig“. Die Lage in der Altstadt habe sich entspannt. Trotz des großen Andrangs hätten die Einlasskontrollen gut funktioniert und für die Feiernden sei auch an den Hotspots auf Heu- und Altem Markt ausreichend Platz geblieben.

Der Rettungsdienst der Stadt Köln meldet für die Altstadt und das Zülpicher Viertel bis 18 Uhr nur 92 Einsätze – weitaus weniger als in den Vorjahren. Ähnlich positiv fiel die Bilanz der Malteser aus. „Wir hatten bisher nur 30 kleinere und größere Blessuren an unseren fünf Unfallhilfsstellen zu behandeln“, berichtete der Malteser-Einsatzleiter Alexander Quantius am Nachmittag – auch hier war der Andrang damit deutlich geringer als bei der letzten Sessionseröffnung noch vor Corona im Jahr 2019.

„Normaler Karnevalsauftakt für die Polizei“ – 57 Strafanzeigen

Die erste Karnevalsnacht in der neuen Session ist nach Angaben der Polizeidienststellen überwiegend friedlich verlaufen. „Es war fast schon erschreckend ruhig“, sagte ein Sprecher der Kölner Polizei am frühen Freitagmorgen. Etwa bis Mitternacht sei auf den Straßen noch mehr losgewesen, am frühen Morgen habe sich die Lage dann zusehends beruhigt. Für eine endgültige Bilanz zu Ausschreitungen beim jecken Treiben sei es allerdings noch zu früh.

Am Donnerstagabend sprach die Polizei Köln von einem einsatzreichen, aber „normalen Karnevalsauftakt für die Polizei“. Bis 20 Uhr gab es 75 Platzverweise. 18 überwiegend alkoholisierte Personen „verbringen die Nacht im Polizeigewahrsam“, hieß es. Bis dato fertigten die Beamten nach vorläufigen Erkenntnissen 57 Strafanzeigen, davon fünf Körperverletzungsdelikte sowie zehn Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzungen. In drei Fällen leiteten die Einsatzkräfte Verfahren wegen Sexualdelikten ein.

Karnevalsauftakt: Polizei war mit Großaufgebot in Köln im Einsatz

Der Polizeisprecher betonte, dass manche Delikte im Zuge der Ermittlungen anders eingeordnet werden müssten. Eine abschließende Bewertung sei vielfach erst zu einem späteren Zeitpunkt und nach weiteren Ermittlungen möglich. „Problematisch am Karneval ist, dass die Menschen alkoholisiert sind“, so der Sprecher. Die Polizei war mit mehr als 1000 Kräften im Einsatz.

Im Zülpicher Viertel wurden Bewohner eines Hauses vorübergehend in Gewahrsam genommen, nachdem sie eine Ordnungsamtsmitarbeiterin mit Flaschen und Dosen beworfen hatten. Die Frau konnte ihren Dienst aber fortsetzen.

Kostümierter Mann wird auf Bahnsteig von Zug mitgerissen

Bei der Rückfahrt nach den Feiern hat es auf dem Bahnhof Köln-Vingst am Donnerstagabend einen schweren Unfall gegeben: Ein kostümierter junger Mann habe sich zu nah an ein Gleis begeben und wurde von einem Zug erfasst. Er sei am Donnerstagabend schwer verletzt worden, habe aber noch um Hilfe rufen können, sagte am Freitag eine Sprecherin der Bundespolizei. Der 25-Jährige wurde ins Krankenhaus gebracht.

Am Bahnhof-Köln-Süd liefen mehrfach Menschen über die Gleise, teilte die Bundespolizei mit. Die Einsatzkräfte hätten deshalb Gleise gesperrt, was zu Verspätungen im Bahnverkehr geführt habe.

(mit dpa)