Leere Regale, kein Benzin. In England wird gerade deutlich, dass ein Mangel an LKW-Fahrern zum Problem werden kann. Droht Deutschland ähnliches?
Essen Ein Parkplatz an der A1. Der Fahrer eines 36-Tonners, der Fernseher und Computer von Hamburg ins Ruhrgebiet bringt, muss nicht lange überlegen, wenn man ihn fragt, was ihn stört an seinem Beruf. „Zeitdruck, zu wenig Parkplätze, fehlender Respekt, kaum Zeit für Familie und Freunde“, zählt er auf. „Und wirklich gut bezahlt wirst du mit 3200 Euro brutto auch nicht“, sagt der 60-Jährige, der seit drei Jahrzehnten „auf dem Bock sitzt“. Seinem Sohn hat er jedenfalls abgeraten, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. „Mach bloß etwas anderes.“
Experten warnen vor „Versorgungskollaps“
Dabei suchen Spediteure zwischen Kiel und Konstanz händeringend Nachwuchs. Jedes Jahr, schlägt Dirk Engelhardt, Vorstand des Bundesverbands Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) Alarm, „gehen 30.000 Fernfahrer in Rente. Aber nur gut die Hälfte rückt nach.“ Allein in NRW fehlen jedes Jahr rund 4000 neue Fahrer. Es drohe, warnt Engelhardt, der „Versorgungskollaps“.
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Wie der aussehen kann, hat sich gerade in England gezeigt. Leer sind viele Regale in den Supermärkten und immer wieder müssen Tankwarte passen: „Sorry, no fuel“ – kein Benzin. „Aber England“, sagt Marcus Hover, Sprecher des BGL-Landesverbandes NRW, „ist auch ein Sonderfall.“ Denn der Brexit hat die Freizügigkeit für EU-Arbeitsmigranten beendet. Polen, Rumänen oder Litauer, bis dahin zu Zehntausenden dort auf den Straßen unterwegs, sind zurückgekehrt in ihre Heimat.
„Und sie werden auch so schnell nicht wieder kommen, ist Jörg Schwerdtfeger überzeugt, der bei Facebook die Seite „Ich bin Berufskraftfahrer/in und habe Respekt verdient“ ins Leben gerufen hat. Der 59-jährige war 17 Jahre lang selbst Fernfahrer, ist mittlerweile Personalscout und Sicherheitsbeauftragter bei in einer großen Spedition in NRW.
Nach Deutschland zieht es aber immer noch viele osteuropäische Trucker – meist angeheuert von Großspeditionen, die 10.000 Lkw oder mehr durch Europa kreisen lassen. „Die Fahrer werden zum ortsüblichen Lohn in ihrer Heimat eingestellt, erbringen ihre Leistung aber bei uns“, erklärt Hover. Manchmal für 500 Euro im Monat. „Das ist ein völlig unfairer Wettbewerb.“
Ausgetragen wird er auf dem Rücken der deutschen Fahrer. Denn den Versendern und Empfängern der Ware ist es meistens völlig egal, wer ihre Paletten von A nach B bringt. Hauptsache, der Preis stimmt. Um bei den Angeboten der ausländischen Mitbewerber noch halbwegs mithalten zu können, versuchen viele deutsche Spediteure, die Lohnkosten unten zu halten. Doch das wird immer schwieriger, denn die Macht der Fahrer wächst mit dem Schwinden ihrer Zahl.
Erste LKW werden stillgelegt
„Wenn dir was nicht passt, kannst du gerne gehen. Draußen vor der Tür wartet schon der nächste.“ Schwerdtfeger muss kurz lachen, wenn er an den Spruch denkt, den er früher so oft gehört hat. „Heute sagt das kein Spediteur mehr.“ Denn oft geht der Fahrer tatsächlich, weil er überall einen neuen Job bekommen kann. „Und draußen steht auch keiner mehr, der wartet.“
Einige Speditionen haben deshalb bereits einen Teil ihrer LKW-Flotte eingemottet. Bisher aber macht sich der dadurch fehlende Frachtraum kaum bemerkbar, der Nachschub aus dem Osten ist noch zu stark. „Die Transport-Preise steigen zu langsam, als dass schon bald mehr Geld in den Portemonnaies der Fahrer ankommt“, sagt Hover. Schwerdtfeger bestätigt die Situation grundsätzlich, sagt aber auch: „Es geht nicht allen Speditionen schlecht. Manche könnten ihren Fahrern schon jetzt ein wenig mehr zahlen.“
Allem Ärger der Fahrer darüber zum Trotz, ist die Lage bisher entspannt. Ohne Gewerkschaft im Rücken, scheint die Streikbereitschaft gering. „Sie ziehen nicht an einem Strang“, hat Schwerdtfeger immer wieder festgestellt. „In Frankreich ist das ganz anders.“
Den Fahrern geht es auch um mehr Respekt
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Die schlechte Bezahlung ist allerdings nicht das einzige Problem, das die Fahrer umtreibt. „Es geht vielen wirklich um mehr Respekt“, stellt der Personalscout klar. Darum, dass sie besser behandelt werden auf der Straße aber auch an den Laderampen, wo sich viele Fahrer nach eigener Aussage fühlen wie der letzte Dreck. „Tut sich da nichts“, ahnt Hover, „wird es irgendwann Unternehmen geben, die niemand mehr anfährt.“
Wenn sich nichts ändere, warnt auch BGL-Chef Engelhardt, könne es schon in ein zwei Jahren ähnliche Zustände geben, wie jetzt in England. Mehr Digitalisierung, weitere Parkplätze, vielleicht auch größere LKW, könnten das Problem lindern, heißt es bei Verbänden und Speditionen. „Aber am Ende“, ist Schwerdtfeger nach vielen Gesprächen mit Truckern überzeugt, „zählen nur zwei Dinge wirklich: Wertschätzung und bessere Bezahlung