Essen. Sozialhilfe sollen sie bezogen und dennoch ein Luxusleben geführt haben. Jetzt stehen acht Angeklagte in Essen vor Gericht.
Auf den ersten Blick sehen die acht Angeklagten aus Gelsenkirchen und Gladbeck nicht nach Reichtum aus. Doch laut Anklage haben die Sozialhilfeempfänger mit Drogenhandel ein Luxusleben geführt, teuren Schmuck, Gold und wertvolle Uhren angeschafft. Seit Montag müssen sich die 19 bis 47 Jahre alten Angeklagten vor der V. Essener Jugendstrafkammer verantworten.
Fleißig waren sie, folgt man der Anklage. Denn täglich sollen sie in strenger Arbeitsteilung von Mittag bis um ein Uhr nachts Kokain an ihre vornehmlich in Gelsenkirchen wohnenden Kunden verkauft haben. Ihr Umsatz, auch das tragen die Staatsanwältinnen Lena Peters und Alexandra Rott in der Hauptverhandlung vor, bezifferte sich am Tag auf Beträge zwischen 350 und 6000 Euro.
Telefonate abgehört
Nachdem die Polizei einen Hinweis auf Geschäfte des Gelsenkircheners Mohamed R. (21) erhalten hatte, ließ sie sein Telefon abhören. Der erste Verdacht, er handele mit Marihuana im Kilobereich, erhärtete sich dabei nicht. Zwischen Januar und März 2021 lauschte die Polizei den Gesprächen und war sich zunehmend sicher, dass er tatsächlich Kokain erwarb und weiterverkaufte.
Den 21-Jährigen identifizierten die Ermittler als "Kopf der Gruppierung". Er soll die Mitglieder in konspirativ geführten Gesprächen streng dirigiert und die Preise festgelegt haben. Zur Tarnung sollen die Angeklagten am Telefon das Kokain mit "Hose" oder Schuhe" bezeichnet haben. Die Qualität der Ankäufe soll der 47 Jahre alte Angeklagte geprüft haben, er habe dann sein Urteil dem Boss mitgeteilt: "Die Schuhe sind auf jeden Fall besser als die, die er gestern anhatte." Mal hieß es auch: "Diese Hose ist nicht richtig gut."
Brüder führten die Gruppe an
Den Stoff holte meist der mitangeklagte ein Jahr jüngere Bruder von Mohamed R. beim Lieferanten ab, heißt es weiter. Die Brüder sitzen beide in U-Haft, lebten damals aber gemeinsam in einer Wohnung in der Gelsenkirchener Altstadt. Während der Überwachungsmaßnahmen bekamen die Fahnder einen Streit der Brüder mit, sie sollen sich getrennt und jeder auf eigene Rechnung gearbeitet haben. Nach kurzer Zeit hätten sie sich wieder versöhnt und erneut zusammengearbeitet.
Auch einen Fahrer habe Mohamed R., selbst ohne Führerschein, beschäftigt, der die Dealer zu den Kunden gefahren haben soll. Dazu sei extra ein fünftüriger Pkw eingesetzt worden, damit der Kunde zum Kauf einsteigen konnte. Mit der Disziplin in der Truppe war es offenbar nicht gut bestellt. Denn der mutmaßliche Fahrer, 20 Jahre alt und ebenfalls als Bandenmitglied angeklagt, soll Mitte Februar am Steuer von der Polizei kontrolliert worden sein. Die Beamten hätten bei ihm den Einfluss von Drogen festgestellt und den Führerschein erst einmal einkassiert. Fortan fuhr ein weiterer Angeklagter den Wagen, er ist 21 Jahre alt.
Drogen im Wohnzimmer gelagert
Eine Frau sitzt mit auf der Anklagebank. Die 23 Jahre alte Gladbeckerin ist lediglich der Beihilfe angeklagt. Ihre Wohnung an der Stadtgrenze zu Gelsenkirchen soll als "Bunkerwohnung" gedient haben. In ihrem Wohnzimmer habe die Bande die Drogen gelagert. Offenbar traute man ihr nicht über den Weg. Denn das Wohnzimmer ließ sich separat abschließen, den Schlüssel dazu besaß Mohamed R.
Täglich soll einer aus der mutmaßlichen Bande bei ihr aufgetaucht sein, um den dort gelagerten Stoff abzuholen. Der Nachschub war nötig, schließlich mussten laut Anklage täglich Kunden bedient werden, deren Zahl im zweistelligen Bereich lag.
Im Ermittlungsverfahren hatten die Angeklagten sich noch nicht geäußert. Lediglich die Gladbeckerin hatte bestritten, irgendetwas von den Drogen in ihrem Wohnzimmer gewusst zu haben. Neun Sitzungstage bis in den Dezember hat die Jugendstrafkammer geplant.