Ruhrgebiet. Der Ruhrverband will in trockenen Zeiten weniger Wasser aus den Talsperren in die Ruhr ablassen. Dann sollen die Vorräte länger halten.

Es ist ein Bild, das wirft Norbert Jardin immer an die Wand, wenn es um die Temperaturen im Ruhrgebiet geht. Darauf sind die Jahres-Durchschnittswerte seit 1881 wie in einem bunten Strichcode dargestellt, und nicht völlig überraschend sind sie links (ab 1881) eher blau, auch tiefblau und werden in Richtung Gegenwart orange, ja rot. Klimawandel! Die zehn wärmsten Jahre liegen alle in den letzten 20.

Am Mittwoch zeigt Jardin das Bild wieder, der Vorstandsvorsitzende des Ruhrverbandes, bei der Vorstellung des 48. Ruhrgüteberichts. Doch um den geht es dann eher am Rande: Die Ruhr ist gut in Schuss, wie seit langem. Viel mehr geht es darum, wie der Ruhrverband mit diesem Klimawandel umgeht. Es macht die Sache nicht leichter, das zu seinem Repertoire beispielloses Hochwasser (2021) ebenso gehört wie anhaltende Dürre (2018, 19, 20).

Talsperren haben zwei Aufgaben, die einander widersprechen

Der Möhnesee im Sauerland ist eine von fünf großen Talsperren, die Trinkwasser für das Ruhrgebiet speichern.
Der Möhnesee im Sauerland ist eine von fünf großen Talsperren, die Trinkwasser für das Ruhrgebiet speichern. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Und so fordert Jardin „mehr Spielraum bei der Talsperrensteuerung“. Denn sie haben gleich zwei Aufgaben, und die widersprechen sich. Als Trinkwasservorrat für das Ruhrgebiet sollen sie möglichst voll sein, als Auffangbecken für Hochwasser möglichst leer. Tja.

Der reklamierte „Spielraum“ bedeutet: Bisher gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestmenge Wasser, die die Ruhr führen muss, damit auch nahe der Mündung noch genug Wasser ankommt für die dortigen Wasserwerke. Am Pegel Schwerte beträgt diese Mindestmenge beispielsweise 8400 Liter pro Sekunde. In Dürrezeiten wird das eingehalten, indem man Wasser aus den Talsperren ablässt. Das hat erkennbare Grenzen, wenn es wochen- und monatelang nicht regnet.

Die Vorräte an Grundwasser sind im Ruhrgebiet gering

Deshalb wünscht sich der Ruhrverband ein neues Gesetz, wonach diese Mindestmenge „moderat“ verringert werden kann. Ein neues Gutachten belege, dass das weder der Wasserqualität noch der Umwelt schade. Der Vorteil: Die Vorräte in den Talsperren halten länger. Ohne sie ginge uns das Trinkwasser aus, und das kann man ja auch nicht wollen.

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„Die Wasserwerke sorgen sich um die Trinkwasserversorgung“, sagt Roland Rüther, der Vorsitzende ihrer Arbeitsgemeinschaft im Ruhrgebiet. Ihr Vorrat sei „endlich“, die Grundwasservorräte in der Region seien nur gering. Man könne sich „nicht erlauben, Zeit zu verlieren, denn die nächste lang anhaltende Dürre wird nicht lange auf sich warten lassen“.

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Wegen des Klimawandels sei die Wahrscheinlichkeit stark gestiegen, dass die Talsperren leerlaufen. Von „einmal in 500 Jahren auf einmal in 190 Jahren“. Weniger Mindestabfluss helfe, das wieder zu strecken. Das Gesetz soll möglichst noch vor Ende der NRW-Wahlperiode im Mai 2022 beschlossen werden. Dann ist ja auch schon wieder Sommer.