Essen/Haltern. 240.000 Euro wollen bei einem Banküberfall in Haltern erbeutet worden sein. Oder war der Überfall fingiert? Der Ex-Filialleiter steht vor Gericht
Er kam mit Hemd, Krawatte und Sakko – fast so, als würde er gerade zur Arbeit gehen. Als der ehemalige Leiter einer Volksbank-Filiale in Haltern am Dienstag das Essener Landgericht betrat, ließ er sich nicht anmerken, dass es für ihn vor Gericht um alles geht: um seinen Job, um seinen Ruf, und vielleicht auch um seine Freiheit. Selbst ehemalige Mitarbeiterinnen waren an diesem Morgen ins Gericht gekommen. „Guten Morgen“, begrüßten sie ihren früheren Kollegen ganz freundlich. Was dem 58-Jährigen aus Marl vorgeworfen wird, hätten sie sich wohl im Traum nicht vorstellen können.
Der Überfall war laut Staatsanwaltschaft nur gespielt
Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der ehemalige Filialleiter in einen fingierten Banküberfall verwickelt war. Angebliche Beute: über 240.000 Euro.
Es war der 10. Februar 2017, als ein großgewachsener und sportlich aussehender Mann aus Essen im Vorraum der Volksbank auftauchte. Die Uhr zeigte 8.15 Uhr. Noch war die Bank geschlossen. Als der Filialleiter eintraf, ging angeblich alles ganz schnell. Im Schatten der Überwachungskameras, auf denen später kaum etwas zu sehen war, wurde laut Staatsanwaltschaft Banküberfall gespielt. Als der Filialleiter gefunden wurde, war er angeblich mit Kabelbindern gefesselt. Vom Täter fehlte jede Spur.
Ein anonymer Zeuge rief bei der Polizei an
Das änderte sich jedoch schlagartig, als bei der Polizei ein Mann anrief, der später den Decknamen „Julian“
erhielt. Er verlangte Anonymität, dann wolle er auspacken. Die Behörden willigten ein. Im selben Moment nahmen die Ermittlungen an Fahrt auf.
Fünf Männer müssen sich nun vor Gericht verantworten. Neben dem ehemaligen Filialleiter sitzt auch ein zurzeit freigestellter Bediensteter des Bochumer Gefängnisses mit auf der Anklagebank. Die beiden Männer sollen befreundet gewesen sein. Zum Prozessauftakt hat sich noch keiner der Angeklagten zu den Vorwürfen geäußert. Das soll erst am zweiten Verhandlungstag passieren.
Flucht mit dem Fahrrad
Wie es heißt, hat der Ex-Filialleiter die Vorwürfe immer bestritten. Doch er wird schwer belastet. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass seine Insider-Kenntnisse den fingierten Überfall erst möglich gemacht haben.
Und es gibt Zufälle, die vielleicht keine waren. So soll die Filiale zum Beispiel erst kurz vor der Tat mit neuem Geld beliefert worden sein. Laut Anklage liefen die Fäden bei dem ehemaligen JVA-Bediensteten zusammen. Er soll in der Nähe der Volksbank mit einem Fluchtwagen gewartet haben. Der Mann mit der Beute war nach Erkenntnissen der Ermittler mit einem Fahrrad von der Bank zum vereinbarten Treffpunkt gefahren.
Ein Teil der Beute war verschwunden
„Julian“, der anonyme Hinweisgeber, steht für den Prozess nicht zur Verfügung. „Dieser Zeuge soll erhebliches Wissen haben“, sagte Verteidiger Malte Stuckmann am Rande des Prozesses. Alle Versuche seiner Kollegen, die Identität des Mannes öffentlich zu machen, seien jedoch ohne Erfolg geblieben. Selbst Klagen vor dem Verwaltungsgericht waren gescheitert.
Mitangeklagt sind auch noch zwei Männer aus Oberhausen. Sie sollen im Hintergrund geblieben sein, Tipps gegeben und ebenfalls gehofft haben, von der Beute zu profitieren. Von den insgesamt über 240.000 Euro soll noch etwas mehr als die Hälfte spurlos verschwunden sein.
Die Anklage lautet auf Untreue und Beihilfe zur Untreue – nicht auf Raub.