Essen. Die Feuerwehr Hagen warnte bereits vor der Infektionsgefahr bei Aufräumarbeiten. Warum eine gute Hygiene und Schutzkleidung nun so wichtig sind.
Auf die Flut folgte die Schlammlawine. Tausende Helfer schippen die braune Brühe seit Tagen aus den Städten. Bereits am Wochenende warnte die Feuerwehr Hagen vor Infektionskrankheiten, die sich im verunreinigten Wasser und Schlamm verbreiten können. „Insbesondere sind eine Erhöhung von fäkal-oral übertragbaren Erkrankungen, besonders bei Aufräumarbeiten, zu verzeichnen“, so das Hagener Amt für Brand- und Katastrophenschutz.
Auch das Landesumweltamt in Nordrhein-Westfalen (LANUV) rechnet damit, dass durch die Fluten neben Öl und Diesel auch andere Schadstoffe in die Gewässer getragen werden. Anwohnerinnen und Anwohner aus den betroffenen Orten berichteten unter anderem von beißendem Benzingeruch, öligen Schleiern und angespültem Unrat. Oberste Priorität habe zunächst die Trinkwasserversorgung, sagte LANUV-Sprecherin Birgit Kaiser de Garcia. Die für die Trinkwassergewinnung wichtigen Messstellen an Rhein und Ruhr seien weiterhin funktionsfähig und arbeiteten störungsfrei. „Sauberes Trinkwasser ist die wichtigste Vorbeugung gegen Infektionskrankheiten“, so Kaiser de Garcia.
Viren, Bakterien und Pilze können sich im Schlammwasser verbreiten
Dem stimmt auch der emeritierte Prof. Dr. Martin Exner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) zu, die am Montag aktuelle Handlungsempfehlungen zur Hygiene bei Flutkatastrophen veröffentlicht hat. „Die Kanalisation ist teilweise übergetreten. Wo Schlamm mit Abwasser vermischt wurde, müssen die Menschen besonders vorsichtig sein“, sagt Exner. Er empfiehlt – so es denn geht – neben gründlichem Waschen und Duschen mit sauberem Wasser auch das Tragen von Schutzkleidung beim Aufräumen. So sollten Gummistiefel und -handschuhe sowie wasserabweisende Kleidung getragen werden, bei Bedarf auch Schutzbrillen. Wenn mit Pilzbefall zu rechnen ist, empfiehlt die DGKH zudem das Tragen von FFP2-Masken (mehr Tipps am Ende dieses Textes).
Nach Flutkatastrophen häufig verbreitete Erreger seien etwa Salmonellen und Shigellen – Bakterien, die teils heftige Magen-Darm-Beschwerden auslösen könnten. Doch auch einige Viren und andere Parasiten könnten sich im Schlamm-Wasser verbreiten. „In hochentwickelten Ländern scheinen relativ wenige Durchfallerkrankungen nach Flutkatastrophen aufzutreten, wobei das Risiko höher ist, wenn das Haus oder Grundstück selbst überflutet war“, heißt es in dem Papier der DGKH. Nach den Flutkatastrophen in den USA seien vor allem bei beengten Lebensbedingungen „durchaus vermehrt Gastroenteritis-Fälle festgestellt“ worden, Entzündungen der Magen-Darm-Schleimhäute. „Eine wichtige Rolle spielten dabei Noroviren, aber auch Einzelfälle von Cholera wurden gesehen“, so die DGKH.
Nach Hurricane Katrina waren 45 Prozent der Häuser von Pilzen befallen
Durch fäkal verunreinigtes Wasser sei vor allem die Übertragung von Durchfallerkrankungen möglich, aber auch von fieberhafte Allgemeinerkrankungen oder Hepatitis A. „Die Bereitstellung sauberen Trinkwassers und die Verbesserung bzw. Wiederherstellung der Abwasserentsorgung hat somit große Bedeutung für die Verhinderung derartiger Infektionen“, bezieht sich die DGKH in ihrem Papier auch auf die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts. Derzeit werde eine allgemeine Impfung gegen Hepatitis A zwar nicht empfohlen, könne aber in Erwägung gezogen werden, wenn kein sauberes Trink- und Waschwasser zur Verfügung stehe. In jedem Fall sollten die tausenden Helferinnen und Helfer ihren Tetanus-Schutz überprüfen und gegebenenfalls auffrischen. Durch im Wasser schwimmende Glas- und Metallteile besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
Auch von den betroffenen Häusern könnten Gefahren ausgehen: „Bei den warmen Temperaturen können sich auch Pilze schneller verbreiten. Deswegen ist es so wichtig, die betroffenen Häuser schnell zu trocknen“, sagt Exner. Nach dem Hurricane Katrina 2005 in den USA sei in 45 Prozent der Häuser sichtbarer Pilzbefall festgestellt worden. Dieser könne zu Atemwegserkrankungen führen und sei für immungeschwächte Menschen besonders gefährlich.
Kinder müssten besonders geschützt werden und dürften nicht im Wasser oder Schlamm spielen, so die DGKH. Im Allgemeinen dauere es zwei bis drei Monate, bis sich die erhöhte Konzentration von Darmbakterien in der Erde wieder reduziere. Daher empfiehlt die DGKH, Mulch oder Sand aus Spielkästen zu entsorgen, wenn sie direkt von der Flut betroffen waren.
Nach der Flut – einige Verhaltenstipps der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene
Folgende Hinweise sollten Menschen in den von der Flut betroffenen Gebieten beachten:
- Aufräumarbeiten: Im und am Haus sollten Gummistiefel und Gummihandschuhe getragen werden, generell auch wasserabweisende Kleidung, bei Bedarf Schutzbrillen. Wenn mit Pilzbefall zu rechnen ist, sollten FFP2-Masken getragen werden. Nach dem Aufräumen müssen die Hände mit Wasser und Seife gewaschen werden. Kleidung, die während des Aufräumens getragen wurde, sollte idealer Weise bei einer Temperatur von mindestens 60 Grad gewaschen werden.
- Trocknen: Häuser sollten möglichst schnell getrocknet werden, um einem Pilzbefall vorzubeugen.
- Reinigen: Wände und feste Oberflächen sollten mit Wasser und Seife gesäubert, in Mitleidenschaft gezogene Kleidung bei mindestens 60 Grad gewaschen werden. Gegenstände, die mit der Flut in Berührung gekommen sind und nicht gewaschen oder desinfiziert werden können, sollten entsorgt werden, etwa Matratzen, Polstermöbel, Teppiche und Bücher.
- Trink- und Waschwasser und Wasser zur Essensherstellung darf nur aus einer sicheren Quelle kommen, die nicht durch Flutwasser kontaminiert wurde. Alternativ kann das Wasser für eine Minute gekocht werden. Wasser aus Teichen und Bächen sollte nach einer Überschwemmung nicht für die Bewässerung von Gemüse, Feldfrüchten, Obst und ähnlichem verwendet werden.
- Lebensmittel: Es sollten nur Lebensmittel konsumiert werden, die sicher nicht mit Flutwasser in Kontakt gekommen sind. Lebensmittel und Getränke, die nicht in wasserdichten Kisten aufbewahrt wurden, sollten weggeworfen werden.