Essen. Große Mengen Regen mit Sommergewittern werden mehr, sagt der Meteorologe Guido Halbig: Der Klimawandel müsse begrenzt werden. Sofort.

Herr Halbig, das war ja wohl mehr als Starkregen . . .

Guido Halbig: Leider hatte sich ja die Situation in NRW in den letzten Tagen nochmals dramatisch verschärft. Allein in den zurückliegenden 24 Stunden hat es an 14 Messstationen in NRW Niederschlagsmengen von mehr als 100 Liter pro Quadratmeter gegeben: Rheinbach-Todenfeld 157 Liter, Bad Münstereifel-Eicherscheid 140 Lieter, Köln-Stammheim 135 Liter, Wuppertal-Beyenburg 60 Liter. An der Station Gevelsberg-Oberbröking des Deutschen Wetterdienstes, südwestlich von Hagen, hat es am 14. Juli 110 Lieter Niederschlag gegeben. Die 110 Liter Niederschlag innerhalb von 24 Stunden sind ein Ereignis, das statistisch gesehen, seltener als alle 100 Jahre auftritt, somit ein sehr seltenes Ereignis.

Und es zog nicht so schnell durch.

Halbig: Ja, hier treten über großen Gebieten stundenlange Niederschläge mit mittlerer, teilweise hoher Niederschlagsintensität auf. Wie in einem großen Wirbel werden immer wieder neue Niederschlagsgebiete erzeugt und rotieren über Deutschland.

Und wie kommt das?

Halbig: Verursacht wird diese Wetterlage durch den Jetstream, das Starkwindband über uns in großer Höhe, das die Hoch- und Tiefdruckgebiete steuert. Normalerweise von West nach Ost. Derzeit ist der Jetstream nahezu ortsfest und führt über den USA / Kanada zu Rekordtemperaturen von 54 Grad und bei uns zu diesem ortsfesten, rotierenden Tiefdruckgebiet mit hohen Niederschlagsmengen, das nun aber langsam nach Osten abwandert.

Müssen wir in Zukunft häufiger damit rechnen?

Halbig: Durch den fortschreitenden Klimawandel wird erwartet, dass sich der Jetstream weiter abschwächt und zukünftig häufiger solche Extremwetterereignisse stattfinden werden. Die Abschwächung des Jetstream ist relativ sicher eine Auswirkung des Klimawandels. Somit ist die Abschwächung des Jetstreams einer der ersten großen Kipppunkte im Klimasystem durch den Klimawandel, die bereits jetzt stattfinden.

Kann man noch etwas dagegen tun?

Halbig: Um zu verhindern, dass zukünftig immer häufiger solche Wetterereignisse auftreten, ist es unbedingt notwendig, den erdenweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad - im Vergleich zum vorindustriellen Niveau - zu begrenzen: Dazu müssen die menschgemachten Treibhausgase radikal und so rasch wie möglich gesenkt und auf Null gebracht werden.

Jetzt zu den punktuellen Starkregen der letzten Wochen. Nehmen sie auch zu?

Halbig: Das ist recht schwierig zu beantworten: Für sommerliche Gewitterlagen gilt, dass die Niederschlagsmengen sehr stark von Ort zu Ort unterschiedlich sind und die Starkregen oft "zwischen den Regenmessgeräten" fallen. Tendenziell beobachten wir eine Zunahme solcher sommerlicher Gewitterlagen mit hohen Regenmengen. Für die Zukunft im Klimawandel sagt der Weltklimarat IPCC, dass solche Ereignisse deutlich häufiger und stärker werden.

Betroffene sagen in solchen Notlagen oft: Das gab es noch nie! Ist das wirklich so?

Halbig: Unser Wetterempfinden ist sehr subjektiv geprägt: wir merken uns häufig besonders schöne oder schlechte Wetterereignisse. Eine Statistik, und somit eine Aussage über das Klima ist nur mit kontinuierlichen Wettermessungen möglich.

Wird man das einmal genauer vorhersagen können?

Ja und das gilt sowohl für die Wettervorhersage (wenige Tage) als auch für das zukünftige Klima (50, 100 Jahre). Die Wettervorhersage hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Aber bestimmte Wetterereignisse (wie Sommergewitter) ermöglichen eine Vorhersage - wo und wieviel Niederschlag - aus physikalischen Gründen oft nur maximal eine Stunde vor dem Ereignis. Der Weltklimarat IPCC wird in den nächsten Tagen (ich habe die Ehre an den Verhandlungen teilzunehmen) seinen neuesten Bericht zum Weltklima veröffentlichen. Dieser beinhaltet verbesserte Aussagen zum Klimawandel und den Auswirkungen des Klimawandels.

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