Ruhrgebiet. Zwei Studierende der Katholischen Theologie haben 1500 Urlaubskoffer gepackt. Die Gute Nachricht und was ein Wassereis mit Gott zu tun hat.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit: ein Wassereis, ein Cocktail-Schirmchen, ein lachendes Gesicht – und Gott. Denn „Gott ist wie Urlaub“. Oder anders: „Gott macht nie Urlaub.“ Und wenn, dann mit den Menschen, ob nun auf Reisen oder zuhause. Das sind die Guten Nachrichten, die zwei Studenten in Essen für die Menschen eingepackt haben: „Urlaub plus“ ist eine Mischung aus Reise- und Erste-Hilfe-Koffer für den Sommer, ein Päckchen Urlaubsgefühl.
Was hat ein Wassereis mit Gott zu tun? Darauf muss man erstmal kommen, und überhaupt auf diese Idee: Da sollen und wollen die Studentin Martina und der Student Tim, beide Lehramt Katholische Religion, in diesen Corona-Zeiten ein Praktikum machen. Aber am liebsten mehr als „80 Stunden Videokonferenz“, wie Michael Diek sagt, in Essens Pfarrei St. Gertrud der Pastoralreferent. Also planen sie schon im Frühjahr ein Projekt, etwas, bei dem sie „etwas in der Hand haben“ und andere Menschen auch. „Wir wollen ihnen etwas Gutes, Schönes mit auf den Weg geben.“ Über Sommer, Urlaub, Gott denken sie nach, als im Lockdown an Reisen noch gar nicht zu denken ist, und am Ende packen sie einen Koffer. Oder nein: 1500 Koffer.
Reisekoffer oder auch Erste-Hilfe-Set
Es ist ein leichtes Gepäck, zwölf Zentimeter lang, 100 Gramm schwer, aus roter Pappe, ein Kreuz darauf wie für Erste Hilfe (oder die Schweiz). Es liegt tatsächlich ein Wassereis drin, aber eigentlich: Gott. Aber den sieht man ja nie persönlich. Der steht hinter den Dingen. Im Fall des Wassereises geht es um den Moment, um Gönnen und Genießen, „einen Urlaub ohne Eis kann man sich ja kaum vorstellen“, findet Michael Diek.
Wenn der kalte Nordwind weht, friert das Wasser zu Eis. Jesus Sirach 43,20
Zu jedem Utensil im Koffer gehört ein Bibelvers, der im Internet steht auf urlaub.plus.ruhr. Der soll zum Nachdenken anregen, die Dinge in einen religiösen Kontext setzen. „Ohne die Homepage macht das Ganze keinen Sinn“, sagt Martina Büning, 21. Als sie die Köfferchen neulich auf der Straße verteilte, erzählte sie jedem, dass er auch ins Netz gucken müsse, er sei „mehr wert“ als die Pfennigartikel darin. Einem Freund mit Liebeskummer drückte sie ihr Erste-Hilfe-Set in die Hand, und für die Oma, die keinen Computer hat, druckt sie die bunten Seiten aus.
Sand im Reagenzglas: Der gehört dazu
Beim Bestellen und Packen übrigens haben die Studierenden auch viel über Projektmanagement gelernt – und was dabei schiefgehen kann: Im bestellten Paket mit dem Wassereis waren die schmalen Tüten ausgelaufen. Den Sand haben im 20-Kilo-Sack aus dem Baumarkt herangeschleppt, die Lavasteinchen auch. Den Sand haben sie in Reagenzgläser gefüllt, „der gehört dazu“, findet Michael Diek. „Du kannst den Sand durch deine Finger rieseln lassen und ihn auf den Tisch ausschütten. Schreibe oder male etwas hinein, was Dich an Urlaub erinnert.“
Und Gott gab Salomo sehr große Weisheit und Verstand und einen Geist, so weit, wie Sand am Ufer des Meeres liegt. 1 Könige 5,9
Das Steinchen im Koffer steht für die Dinge, die nicht so laufen, wie sie sollen im Urlaub, den Stau, den Streit, die verbaute Aussicht. Ein Stein im Schuh, den man aber auch einfach herausschütteln kann, verbunden mit dem Wunsch: „Gott möge mich davor bewahren.“ Am besten dadurch, dass er den Menschen beschützt, beschirmt, behütet – dafür liegt das Cocktailschirmchen bereit. Weil der Schirm vor Sonne wie vor Regen schützt, ein wichtiger Begleiter. Wie Gott, finden Martina und Tim: „Er ist immer an deiner Seite, schützt dich und bietet dir Zeit und Raum zum Entspannen und zum Erholen.“
Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.
Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Psalm 91,11-12, 1-2
Polaroid-Foto steht für die Erinnerung an schöne Tage
Mit solchen Hintergedanken haben die Zwei auch Eiswürfel in den Pappkoffer gepackt, zur Abkühlung und Erfrischung, Brausepulver für das Lieblingsgetränk (kommt nicht Wein überall in der Bibel vor?) und den Ausdruck eines Polaroidfotos: Als Symbol für die schönen Erinnerungen zeigt es blauen Himmel. „Der kann in den Bergen sein“, sagt Diek, „am Meer, aber auch zuhause auf dem Balkon.“
Ich danke meinem Gott bei jeder Erinnerung an euch; immer, wenn ich für euch alle bete, bete ich mit Freude. Philipper 1,3-4
Schon beim Öffnen aber soll der Koffer gute Laune machen; gleich obenauf liegt ein Aufkleber mit einem Smiley. Ein selbstgemachtes, fröhliches Gesicht, „das lacht mich an und zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht, auch wenn es mal miese Momente gibt“. Auf dem Kapuzenpulli von Tim Kösters, 24, steht „Happiness“, Glück. Und auf der Internetseite ein Reim: „...Schau ihn an und werde heiter. Das Leben geht gleich weiter.“
Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude. Psalm 34,6
Krankenschwester klebte das „Gepäck“ in der Klinik an die Wand
In Essens Fußgängerzone, nach dem Sonntagsgottesdienst und im Elisabeth-Krankenhaus haben Martina Büning und Tim Kösters ihre Koffer verteilt. Aus der Klinik schickte eine Schwester ein Foto: Sie hatte das „Gepäck“ einzeln an die Wand geklebt und schrieb dazu: „Das ist jetzt meine Oase.“ Die Studenten denken an die stressigen Monate, die das Pflege-Personal gerade durchmacht und finden: „Genau dafür ist der Koffer da.“
Eine „Herzensangelegenheit“ ist das Projekt für Martina geworden, die „richtig stolz“darauf ist. Sie packte über das Internet auch noch eine Playlist ein: Musik zum Entspannen und alles, was zum Urlaub passt. „Tschau“ von Knappe, „Good Vibes“ von Cro, „Frische Luft“ von Wincent Weiss. Helge Schneider singt „Sommer, Sonne, Kaktus“, Calvin Harris „Summer“, Buddy „Ab in den Süden“. Für die Daheimgebliebenen gibt es „Home“, und für die Kinder ist das „Fliegerlied“ drauf.
Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Lukas 15,25
Ob man also verreist in diesen Tagen oder auch nicht – Martina Büning findet, man sollte es mit diesem Koffer tun. Also mit Gott im Gepäck. „Im Optimalfall“, sagt auch Michael Diek, „bringt das sogar mehr als richtiger Urlaub.“
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