Dortmund. Hinterhältig sollen Schalke-Fans die “Jubo-Ultras“ des BVB nach einem Auswärtsspiel überfallen haben. Jetzt startet die Prozessserie.

Im Stadion sind sie es gewohnt, lautstark ihre Meinung herauszubrüllen. Doch am Donnerstag sind die drei jungen Männer, die Fans des FC Schalke sein sollen, still. Sie schweigen und verweigern damit vor dem Dortmunder Amtsgericht jede Aussage zu der Frage, ob sie vor fast eineinhalb Jahren brutal und aus einem Hinterhalt heraus auf BVB-Fans eingeschlagen haben sollen.

Erste Verfahren gab es zwar schon, aber im Grunde ist es am Donnerstag vor Amtsrichterin Isabell Kollenberg-Ahrens der Auftakt einer Prozessserie, die von mehreren Richtern am Amtsgericht Dortmund bearbeitet wird. Drei nicht mehr ganz junge Männer, 27 bis 34 Jahre alt, müssen sich bei ihr wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch verantworten.

Kleidung ohne Vereinsabzeichen

Aus Castrop-Rauxel und Gelsenkirchen kommen sie, zwei sind Deutsche, einer Türke; einer ist Elektrotechniker, ein anderer baut an seinem Master im Bereich Management. Streng genommen weiß die Richterin noch gar nicht, ob sie wirklich alle der Schalker Ultraszene zugehören. Das muss ja erst die Beweisaufnahme ergeben. Aus ihrer Kleidung ergibt sich darauf kein Hinweis, nirgendwo ist ein Vereinsabzeichen zu erkennen.

Die Anklage spricht eine Schlägerei im Dortmunder Klinikviertel an der Johannesstraße in der Nacht zum 5. Februar 2020 an. Aus einer Zeit also, als beide Vereine noch in einer Liga spielten und ebenbürtig waren. Das dürfte sich mit dem Abstieg der Schalker in die Zweitklassigkeit erledigt haben.

Pokalniederlage bei Werder Bremen

In jener Nacht kamen die Fans des BVB zurück aus Bremen. Es war kein guter Tag für die Dortmunder. Im Achtelfinale des DFB-Pokals hatten die Hanseaten die Dortmunder mit 3:2 besiegt und damit aus dem Wettbewerb geworfen.

Gegen 2.30 Uhr kehrten sie nachts heim. Laut Ermittlungen der Polizei war eine Gruppe Schalker mit mehreren Transportern nach Dortmund gefahren und hatte sich dort in einem Hinterhalt aufgestellt. Laut Anklage trugen sie weiße T-Shirts und Gesichtsmasken. Die "Uniform" war allein deshalb wichtig, um bei der Attacke Freund und Feind unterscheiden zu können.

Schläger lauerten den "Jubos" auf

Aufgelauert hatten sie ebenfalls laut Anklage der BVB-Ultragruppe "Jubo". Diese Organisation gibt es nicht mehr. Sie soll sich nach Medienberichten im vergangenen Jahr aufgelöst haben, weil sie die Kommerzialisierung des Profifußballs leid war. In der Vergangenheit sollen die "Jubos" zu den stärksten Kritikern des Hoffenheim- Bosses Dietmar Hopp gezählt haben.

Im Februar 2020 zeigten sie sich noch aktiv. Als sie frustriert aus dem Bus stiegen, griffen die mutmaßlichen Schalker-Ultras sie massiv an. Die Anklage spricht von einer Auseinandersetzung von 40 bis 50 Personen aus den Fanszenen von Schalke und Dortmund. Als erste Polizeisirenen zu hören waren, sollen die Angreifer schnell geflüchtet sein. Einige rannten weg, andere sprangen in die Transporter. Ein Fahrer soll sogar auf einen Polizisten zugefahren sein, der ihn stoppen wollte. Der Beamte sprang aber rechtzeitig zur Seite. Die Anklage zählt fünf Opfer aus dem BVB-Lager auf, die Schwellungen oder Prellungen erlitten.

Polizei identifiziert 27 Verdächtige

Acht Männer nahm die Polizei damals vorläufig fest. Insgesamt gelten 27 als verdächtig, für die meisten reichte es aber nicht zu einer Anklage.

Einzelrichterin Isabell Kollenberg-Ahrens macht die drei Angeklagten, über deren Schuldanteil sie verhandeln muss, auf den möglichen Strafrabatt bei einem Geständnis aufmerksam. Sie erwähnt das umfangreiche Beweisprogramm. Allein 15 Zeugen hat sie für den ersten Tag geladen, außerdem werde das Gericht sich ein Video von zweieinhalb Stunden Länge ansehen, dass Szenen von der Anfahrt und dem Treffpunkt der Aggressoren zeige. Außerdem sei die Randale selbst und die Flucht zu sehen.

In einem anderen Fall Verfahren abgelehnt

Doch die Angeklagten schweigen. Ihre Verteidiger weisen darauf hin, dass das Beweismaterial kaum ausreiche, ihren Mandanten die individuelle Beteiligung nachzuweisen. In einem anderen Fall habe ein Dortmunder Amtsrichter sogar die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt.

Also Beweisaufnahme. Der erste Zeuge, ein 30 Jahre alter Journalist, hatte die Schlägerei zufällig aus einer Wohnung heraus gesehen. Nähere Angaben zu einzelnen Personen kann er aber nicht machen. Der zweite Zeuge fehlt schon zu der angegebenen Zeit. Am 22. Juli soll die Verhandlung fortgesetzt werden.